TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/16 91/10/0157

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Veröffentlicht am 16.03.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §52;
AVG §58 Abs2;
ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 14. Jänner 1991, Zl. ForstR-010105-12/3-1990/He/Hö, betreffend vorübergehende Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: S in A), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 14. Jänner 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Eferding gemäß §§ 17 und 18 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 lit. b des Forstgesetzes 1975 (in der Folge: ForstG) dem Mitbeteiligten zum Zwecke "der Schaffung einer Betriebs- bzw. Manipulationsfläche zur Fertigstellung des Schotterabbauvorhabens" die vorübergehende Rodungsbewilligung für eine Teilfläche aus dem Grundstück Nr. nn1 (Wald) in der Gemeinde A, KG A, im Flächenausmaß von ca. 8.800 m2 unter Vorschreibung näherer Bedingungen und Auflagen. Die Bewilligung wurde dabei bis 31. Dezember 1994 befristet.

Nach der Begründung betreibe die Firma K auf dem gegenständlichen Grundstück, dessen Eigentümer der Mitbeteiligte sei, eine Schottergrube. Der westliche und der südliche Teil davon seien bereits ausgebaggert, lediglich der nordöstliche Teil im Ausmaß von etwa 1 Hektar sei noch nicht ausgebeutet. Auf diesem Teil sowie auf der westlich davon entstehenden Insel befänden sich die Manipulationsflächen mit Siebanlage, Brecher und Geräteschuppen sowie Aufenthalts- und Büroraum. Um auch diesen bewilligten Teil abbauen zu können, sei die Verlagerung der Anlagen erforderlich. Als Grundfläche dafür sei die unmittelbar nördlich angrenzende Teilfläche aus dem Waldgrundstück Nr. nn1, KG A, ausgewählt worden. Die Manipulationsfläche habe rhombische Form, wobei die Länge 110 m und die durchschnittliche Tiefe 80 m betrage. Dieser Flächenteil sei mit einem Niederwald aus Traubenkirsche, Hartriegel, Holunder, Eschen und anderen Sträuchern bewachsen. An Oberholz seien im westlichen Teil einige wenige Pappeln vorhanden. Der Boden sei eben und für die vorgesehenen Maßnahmen geeignet. Obwohl die Schaffung einer Betriebs- und Manipulationsfläche in § 17 Abs. 3 ForstG nicht ausdrücklich angeführt sei, vertrete die belangte Behörde die Auffassung, daß auch diese als öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 2 ForstG anzusehen sei. Bereits durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" in § 17 Abs. 3 leg. cit. werde deutlich zum Ausdruck gebracht, daß diese Gesetzesstelle keine taxative Aufzählung beinhalte.

Unter Berücksichtigung aller Umstände für die geltend gemachte Verwendung der gerodeten Fläche überwiege nach Ansicht der belangten Behörde das öffentliche Interesse jenes an der Walderhaltung. Für die Interessenabwägung sei maßgebend, daß der Inhaber der Bewilligung zum Schotterabbau, geplant habe, den Schotterabbau nach Norden hin fortzusetzen. Da eine Bewilligung dafür wegen der fehlenden Umwidmung nicht mehr möglich sei, sei zur ordnungsgemäßen Fertigstellung der bewilligten Schottergrube die Schaffung einer Betriebs- und Manipulationsfläche erforderlich. Da aufgrund der geringen Bestandeshöhe von etwa 4 m schädigende Einwirkungen irgendwelcher Art auf die angrenzenden Grundstücke und Grundstücksteile durch die Rodung nicht zu erwarten seien, habe die angestrebte Bewilligung erteilt werden können. Das Gemeindegebiet von A habe eine Bewaldung von 16,5 %, wobei jedoch der Auwaldbereich der KG A eine Bewaldung von 29,3 % aufweise. Der Bezirk E habe eine Bewaldung

von 20,2 %. In dem vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft genehmigten Waldentwicklungsplan sei der gegenständliche Auwaldbereich mit der Kennziffer X ausgewiesen. Im übrigen werde auf die angeschlossene Verhandlungsschrift verwiesen, die einen ergänzenden Bestandteil der Begründung bilde.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 ForstG gestützte Beschwerde.

1.3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Die Forstbehörde kann aber gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung derselben als Wald überwiegt. Nach Abs. 3 können öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet sein.

Gemäß § 17 Abs. 4 ForstG hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen; ferner sind unter diesen Voraussetzungen die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

2.2.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, die gegenständliche Entscheidung lasse sowohl jegliche Auseinandersetzung mit einem öffentlichen Interesse an dem gegenständlichen Rodungsprojekt als auch mit den öffentlichen Interessen an dem Walderhaltung und folglich jegliche Interessenabwägung vermissen. Zur Begründung dieser Auffassung wird darauf verwiesen, daß lediglich der forsttechnische Amtssachverständige anläßlich der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 1990 das öffentliche Interesse an der Fertigstellung der bewilligten Schottergrube bejaht habe. Die Gemeinde A habe gegen die Erteilung der Rodungsbewilligung grundsätzlich keinen Einwand erhoben, da es sich nur um eine vorübergehende Rodung handle. Sie habe allerdings bemerkt, daß die seinerzeit festgelegte Abbaufläche, welche im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als "Grünland/Sondernutzung Kiesabbaugebiet" ausgewiesen sei, durch die beantragte Manipulationsfläche keinerlei Vergrößerung erfahren dürfe.

Nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei sei daher das öffentliche Interesse am Rodungsverfahren weder durch eine entsprechende Flächenwidmung noch durch die Stellungnahme eines hiezu in Betracht kommenden Sachverständigen nachgewiesen worden. Ferner könne auch nicht die Ansicht geteilt werden, daß die Rodungsfläche zur ordnungsgemäßen Fertigstellung der bewilligten Schottergrube erforderlich sei. Bereits im Zuge des seinerzeitigen Rodungsverfahrens habe dem Bewilligungswerber bekannt sein müssen, daß bei der verwendeten Abbaumethode der Naßbaggerung eine entsprechende Restfläche verbleiben müsse. Die nur teilweise Nutzbarkeit aufgrund gegebener technischer Verhältnisse könne nicht als Begründung für die Erteilung einer weiteren Rodungsbewilligung auf benachbarten Waldflächen herangezogen werden. Dazu komme, daß im Hinblick auf die geringe Waldausstattung auch die Zielsetzungen der Raumordnung nicht berücksichtigt worden seien.

2.2.2. Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

In einem Rodungsverfahren hat die Behörde zunächst zu klären, ob ein öffentliches Interesse an einer anderen - nämlich der von der Partei im Antrag angegebenen - Verwendung der betreffenden Waldfläche besteht. Zur Feststellung des öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung (im Beschwerdefall: Schottergewinnung) ist es zunächst erforderlich, von entsprechendem Fachwissen getragene Stellungnahmen einzuholen, die fallbezogen eine verläßliche Beurteilung, ob das betreffende öffentliche Interesse vorliegt, in einer der nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglichen Weise ermöglicht (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. Juli 1987, Zl. 87/10/0091). Die aus "naturschutzfachlicher Sicht" anläßlich der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 1990 völlig beweislos aufgestellte Behauptung des Bezirksbeauftragten für Natur- und Landschaftsschutz, daß der "Schotterbedarf im oberösterreichischen Zentralraum weiterhin gegeben" sei, genügt diesen Anforderungen nicht. Da die "ordnungsgemäße Fertigstellung" der bewilligten Schottergrube vor allem im Interesse des Bewilligungswerbers liegt, hätte die belangte Behörde auch deutlich darlegen müssen, inwiefern an einer unzweifelhaft im privaten Interesse des Bewilligungswerbers ausgeübten Tätigkeit und der damit verbundenen Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur ein - im Sinne des § 17 Abs. 2 ForstG überwiegendes - öffentliches Interesse besteht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. November 1978, Zl. 875/77).

2.2.3. Wird das öffentliche Interesse an einer anderen Verwendung der Waldfläche bejaht, so folgt daraus allerdings nicht, daß schon deswegen die begehrte Rodungsbewilligung erteilt werden müßte. Vielmehr hat die Behörde daran anschließend die vom Gesetz vorgesehene Interessenabwägung vorzunehmen und in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise zu untersuchen, ob die öffentlichen Interessen jene an der Walderhaltung überwiegen (vgl. das Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/10/0001).

Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall dazu im wesentlichen lediglich die Auffassung vertreten, daß die angestrebte Bewilligung deshalb zu erteilen sei, weil durch das Rodungsvorhaben aufgrund der geringen Bestandeshöhe von etwa 4 m schädigende Einwirkungen auf die angrenzenden Grundstücke und Grundstücksteile nicht zu erwarten seien. Die vom Gesetz geforderte Interessenabwägung ist damit jedoch nicht erfolgt. Der Hinweis in der Gegenschrift, daß auch aus wasserwirtschaftlichen Gründen bzw. aus naturschutzrechtlicher Sicht ein öffentliches Interesse an der projektsgemäßen Fertigstellung des Abbauvorhabens bestehe, kann fehlende Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht ersetzen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Juni 1973, Zl. 628/73).

2.3. Aufgrund dieser Erwägungen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991100157.X00

Im RIS seit

16.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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