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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 1. Oktober 1991, Zl. 421.213/2-IV/2-91, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Vorstellungsbescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 19. Februar 1991 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm "auf die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf". Dieser Maßnahme lag zugrunde, daß der Amtsarzt der Erstbehörde in seinem Gutachten vom 16. Jänner 1991 zu dem Ergebnis gekommen war, daß der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B nicht geeignet sei; das Gutachten weist die Zusätze "Leistungsmängel" und "Altersabbau" auf und stützt sich auf den Befund einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle vom 11. Dezember 1990, in dem der Beschwerdeführer wegen Fehlens der erforderlichen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit als "zum Führen von KFZ .... derzeit nicht geeignet" bezeichnet wurde.
Die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Vorstellungsbescheid vom 19. Februar 1991 langte am 6. März 1991 bei der Erstbehörde ein. Mit Antrag vom 4. Juli 1991 (bei der belangten Behörde eingelangt am 8. Juli 1991) begehrte der Beschwerdeführer den Übergang der Entscheidungspflicht über seine Berufung auf die belangte Behörde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Devolutionsantrag des Beschwerdeführers gemäß § 73 Abs. 2 AVG abgewiesen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Abweisung des Devolutionsantrages erfolgte nach der Begründung des angefochtenen Bescheides, weil die Verzögerung der Entscheidung, die gemäß § 75 Abs. 5 KFG 1967 bis spätestens 6. Juni 1991 hätte ergehen müssen, nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde, des Landeshauptmannes von Wien, zurückzuführen sei.
Der Beschwerdeführer sieht das Verschulden dieser Behörde darin, daß sie im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens den Verwaltungsakt an die Universitätsklinik für Psychiatrie "weitergeschickt" habe. Die Universitätsklinik sei weder ein Amtssachverständiger noch ein gerichtlich beeideter Sachverständiger. Diese Verfahrensschritte hätten den langen Aktenlauf über die der Behörde zur Verfügung stehende Zeit hinaus erstreckt und ein Verschulden der Behörde an der Fristversäumung begründet. Ein Verschulden der Partei sei nie behauptet worden.
Dem ist zunächst zu erwidern, daß - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - die Psychiatrische Universitätsklinik auf Veranlassung des ärztlichen Amtssachverständigen eingeschaltet wurde. Die Aufgabe der Universitätsklinik war es, einen fachärztlichen Befund über die geistige Eignung des Beschwerdeführers unter Einschluß eines Erprobung der - für die Entziehung der Lenkerberechtigung durch die Erstbehörde maßgebenden - kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu erstatten. Letztere stellt sich auch als ein Faktor der geistigen Eignung dar. Die KDV 1967 sieht sogar im Zusammenhang mit der Beurteilung der geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen die Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt unter Einschluß der Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit vor (§ 31 zweiter Satz). Wenn nun die Berufungsbehörde auf Grund ihrer sich aus § 66 Abs. 4 AVG ergebenden Verpflichtung zur Fällung einer Sachentscheidung im Entziehungsverfahren die Beurteilung der Eignung des Beschwerdeführers auf aktueller Basis durch andere Sachverständige und Befundersteller vornehmen ließ als die Erstbehörde, kann ihr jedenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Verschuldens im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß der Aktenlauf nach Einbringung der Berufung gegen den Erstbescheid auf ein Verschulden der Behörde daran schließen läßt, daß sie bis zur Einbringung des Devolutionsantrages nicht über diese Berufung entschieden hat. Nach dem Einlangen der Berufung bei der Erstbehörde am 6. März 1991 wurde sie unverzüglich der Berufungsbehörde vorgelegt (dortiges Einlangen am 14. März 1991). Die Weiterleitung an deren Amtsarzt erfolgte bereits am 15. März 1991. Die Untersuchung des Beschwerdeführers durch den Amtsarzt der Berufungsbehörde erfolgte am 8. April 1991. Die mit Schreiben vom selben Tag gewünschte Untersuchung in der Universitätsklinik erfolgte am 28. Mai 1991. Der Befund der Universitätsklinik trägt das Datum 12. Juli 1991. Im Verwaltungsakt befindet sich ferner ein Aktenvermerk der Berufungsbehörde vom 27. Juni 1991, in dem die Absicht des Amtsarztes, einen Befund der Universitätsklinik einzuholen, zur Kenntnis genommen und die Übermittlung des Aktes an die Universitätsklinik zum Zweck der schriftlichen Ausfertigung des Befundes ("unter Berücksichtigung von "Vorgutachten" bzw. des Akteninhaltes") in Aussicht genommen wird.
In diesen Vorgängen vermag der Verwaltungsgerichtshof kein Verschulden der Behörde daran zu erblicken, daß bis zur Erhebung des Devolutionsantrages keine Berufungsentscheidung ergangen ist. Die Einschaltung der Universitätsklinik war - wie bereits ausgeführt - rechtmäßig und zielführend. Daß diese Einschaltung formlos und nicht im Wege einer bescheidmäßigen Aufforderung des Beschwerdeführers gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 erfolgt ist, hatte offensichtlich nicht zur Folge, daß die Untersuchung zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt erfolgt ist. Soweit Verzögerungen auf seiten der Universitätsklinik im Zusammenhang mit der schriftlichen Ausfertigung des Befundes überhaupt der Behörde als schuldhaft zugerechnet werden können, hätte jedenfalls eine raschere Ausfertigung - nach Beischaffung des Verwaltungsaktes durch die Klinik - auch nicht zwingend dazu führen müssen, daß die Behörde ohne weitere ihr als Verschulden anzulastende Verzögerungen vor der Einbringung des Devolutionsantrages ihre Entscheidung hätte fällen können. Dabei ist insbesondere zu bedenken, daß der schriftliche Befund der Universitätsklinik vor Ergehen eines Berufungsbescheides dem Amtsarzt der Berufungsbehörde zur Erstellung des ärztlichen Gutachtens und dieses dem Beschwerdeführer zur Gewährung des Parteiengehörs mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme hätte übermittelt werden müssen.
Die belangte Behörde hat den Devolutionsantrag vom 4. Juli 1991 zu Recht abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Zuspruch von Aufwanersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen Verschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991110151.X00Im RIS seit
12.06.2001