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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO NÖ 1976 §23 Abs1 Z2 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) des ON und 2) der IN in X, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. August 1991, Zl. R/1-V-9067, betreffend die Versagung einer Baubewilligung und die Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem Schreiben vom 3. Mai 1989 ersuchte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung um Auskunft, ob eine näher beschriebene, im Vorgarten einer Reihenhausanlage errichtete Pergola entsprechend einem vorgelegten Foto bewilligungspflichtig sei. Nach Bejahung dieser Frage in einer Stellungnahme des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung erging an die Liegenschaftseigentümerin die Aufforderung, unverzüglich ein Ansuchen mit Planunterlagen um die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung einzubringen. Davon wurde der Erstbeschwerdeführer nachrichtlich verständigt.
Mit Eingabe vom 2. August 1989 ersuchten die Beschwerdeführer um die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung für die Errichtung einer Holzpergola auf dem Grundstück n/1, KG X, entsprechend einem beigegebenen Bauplan und einer Baubeschreibung. In der Baubeschreibung wurde u.a. festgehalten, daß die Pergola eine Gesamtbreite von 6,70 m erhalten und auf die Vorgartentiefe von 5 m angelegt werden soll. Nach näheren Ausführungen zur Konstruktion wurde festgehalten, daß über der Tragkonstruktion 12 mm starke ebene Plexiglasplatten, in Nut und Feder versetzt, aufgeschraubt werden sollen.
Nach Einholung des Gutachtens eines Amtssachverständigen hinsichtlich der Beurteilung des Orts- und Landschaftsbildes fand am 22. November 1989 eine Augenscheinsverhandlung statt, bei der sowohl ein bautechnischer Amtssachverständiger als auch ein Amtssachverständiger für Ortsbildpflege gutächtliche Stellungnahmen abgaben. Wie schon in seinem früher erstellten Gutachten vertrat der Amtssachverständige für Ortsbildpflege die Auffassung, daß die bereits errichtete Baulichkeit angesichts ihrer Größe, Proportion und Bauform bzw. ihres Erscheinungsbildes in der jetzigen Lage als erhebliche Störung und Verunstaltung des vorhandenen Baubestandes und damit als Beeinträchtigung des Ortsbildes zu beurteilen sei. Der bautechnische Amtssachverständige beschrieb in seinem Gutachten kurz das Bauvorhaben und verwies darauf, daß nach dem in Geltung stehenden Bebauungsplan eine Vorgartentiefe von 4 m festgesetzt sei, die tatsächlich gegebene Vorgartentiefe allerdings 5 m betrage. Er qualifizierte mit einer näher gegebenen Begründung das Bauvorhaben als sonstige bauliche Anlage im Sinne des § 2 Z. 5 der NÖ Bauordnung 1976 und bejahte die Bewilligungspflicht nach § 92 Abs. 1 Z. 2 dieses Gesetzes. Durch das Überragen der vorderen Baufluchtlinie, also durch die Lage im Vorgartenbereich, sei das Bauvorhaben nur unter den Voraussetzungen des § 23 der NÖ Bauordnung 1976 bewilligungsfähig, wenngleich der Begriff Pergola in der dort gegebenen Aufzählung nicht aufscheine. Im Bereich des Einganges zum Reihenhaus selbst, das betreffe die vor dem Eingang liegende Breite, könnte das Vorhaben als gedeckter Eingang angesehen werden, wobei im Falle des Schutzdaches das gesetzlich genehmigungsfähige Ausmaß bis zur halben Vorgartentiefe reiche, im Bereich des gedeckten und seitlich offenen Einganges sei der Vorbau bis zur Straßenfluchtlinie möglich. Ohne auf weitere Fragen der Pflege des Orts- und Landschaftsbildes einzugehen, sei somit festzustellen, daß das Bauvorhaben zwar nicht in der eingereichten Form, wohl aber dann genehmigungsfähig sei, wenn jener Bereich des Schutzdaches, der das Maß von 2,50 m von der Gebäudevorderseite zur Straße hin mit Ausnahme der Breite über den Eingang überschreite, nicht zur Ausführung komme; das bedeute, daß in jenem Bereich, der bisher bestehende "konsenslose Zustand" abgetragen werde. Hiefür müßte ein entsprechendes Auswechselprojekt vorgelegt werden. Die Erteilung der nachträglichen Baubewilligung sei aus seiner Sachverständigensicht derzeit grundsätzlich nicht möglich. Der Erstbeschwerdeführer verwies in der Verhandlung bezüglich der Ausführungen des Amtssachverständigen für Ortsbildpflege auf eine früher abgegebene Stellungnahme und vertrat die Ansicht, daß den Argumenten des Sachverständigen nicht gefolgt werden könne. Es sei nämlich den Beschwerdeführern von namhaften Fachleuten eine positive Beurteilung des Baukörpers durch die Errichtung der Pergola bestätigt worden. Entsprechende Sachverständigengutachten mit dem Nachweis des Einfügens in das Ortsbild könnten vorgelegt werden. Zum Gutachten des Bausachverständigen verwies der Erstbeschwerdeführer darauf, daß in der Bauordnung die Errichtung einer Pergola juristisch nicht eindeutig geklärt sei, sodaß der Instanzenzug beschritten werden müßte. Der Verhandlungsleiter stellte zusammenfassend fest, daß das eingereichte Projekt in der vorliegenden Form auf Grund der Sachverständigengutachten nicht bewilligt werden könne.
Mit Bescheid vom 8. Jänner 1990 versagte der Bürgermeister die angestrebte Baubewilligung und erteilte gleichzeitig den Beschwerdeführern den Auftrag, die konsenslos errichtete Holzpergola abzubrechen. Diese Entscheidung wurde eingehend begründet.
Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeinderat mit Bescheid vom 1. März 1990 ab. In der Begründung wurde ausführlich zu den Argumenten der Beschwerdeführer Stellung genommen.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung bestritten die Beschwerdeführer überhaupt die Bewilligungspflicht des Bauvorhabens und nahmen vor allem zur Frage der Störung des Ortsbildes Stellung. Sie legten in diesem Zusammenhang auch mehrere Fotos vor. Offensichtlich nach Rücksprache mit einem Referenten des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung legte der Erstbeschwerdeführer zwei "Gutachten" vor. In einem "Gutachten" vom 22. März 1990 erklärte ein Baumeister zusammenfassend, daß die Errichtung der Pergola kein nach der NÖ Bauordnung 1976 bewilligungspflichtiges Bauvorhaben sei. In diesem Zusammenhang wurde die Behauptung aufgestellt, es handle sich um kein Bauwerk, da weder Wände noch ein Dach vorhanden seien, und um keine Anlage, da Pergolas dazu dienten, Pflanzen wie Weinstöcken oder Rosen etc. einen Halt zu bieten. Es sei auch keine Gefahr für Personen oder Sachen gegeben. Das Orts- und Landschaftsbild werde nicht beeinträchtigt, da Pergolas in der Gegend ortsüblich und anzutreffen seien.
In einem Gutachten vom 24. Juni 1991 beschrieb Architekt Dipl.-Ing. S. das Objekt und die Liegenschaft näher und führte unter anderem folgendes aus: Die Pergola beeinflusse das Straßenbild und die unmittelbare Umgebung, habe aber auf die weitere Umgebung keinen Einfluß. Sie wirke auf Grund der starken Holzdimensionen im derzeit nicht bewachsenen Zustand etwas plump. Da eine Pergola jedoch immer im bewachsenen Zustand in Erscheinung trete, sei eine Bepflanzung zu berücksichtigen. Durch die Bepflanzung werde die Holzkonstruktion überwiegend nicht sichtbar sein. Der Vorplatz des Reihenhauses werde im Süden durch den begrünten Körper der Pergola abgeschlossen. Als störend könne nur empfunden werden, daß der streng symetrischen Ostfassade ein den Straßenraum gliedernder Körper vorgelagert sei. Eine optimale Lösung wäre die vom Architekten M. im "Bestandsplan" vorgegebene Lösung, die mit drei Pergolen den Straßenraum gliedernd das Gebäude in die umliegende Gartenlandschaft einbinde. Zusammenfassend könne gesagt werden, daß die bestehende Pergola keine grobe Störung oder Verunstaltung des Baubestandes bewirke. Dem Gutachten waren drei Fotos und eine Ablichtung des genannten Bestandsplanes angeschlossen.
Der Erstbeschwerdeführer legte schließlich noch die Stellungnahme eines weiteren Architekten vor, der abschließend eine nochmalige Überprüfung empfahl.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens pflichtete die Gemeindeaufsichtsbehörde der Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlung vom 22. November 1989 bei, daß im Hinblick auf die Bestimmungen des § 23 der NÖ Bauordnung 1976 betreffend die ausnahmsweise Zulässigkeit von Bauten über die vordere Baufluchtlinie das eingereichte Projekt nicht bewilligungsfähig sei. Die Beschwerdeführer hätten sich aber im Verfahren nicht bereit gezeigt, ihr Projekt entsprechend abzuändern. Die Aufsichtsbehörde finde auch keinen Grund, an der Schlüssigkeit des Gutachtens des Sachverständigen für Ortsbildpflege zu zweifeln, sei doch die Vorschrift des § 61 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1976 so zu verstehen, daß nach der allfälligen Feststellung der Störung des Ortsbildes im kleinstmöglichen Bereich (hier der bestehenden Reihenhausanlage) die Überprüfung der Einordnung in den größeren Rahmen bereits zu unterbleiben habe. Demgemäß gehe auch die Argumentation der Beschwerdeführer, insbesondere in den von ihnen nachgereichten Gutachten und Stellungnahmen ins Leere, wonach die Reihenhausanlage von verschiedenartig gestalteten Baubeständen umgeben sei. Durch die im Akt befindlichen fotografischen Aufnahmen werde die Feststellung des Amtssachverständigen für Ortsbildpflege, wonach die errichtete Holzpergola das straßenseitige Erscheinungsbild der Reihenhausanlage störe, erhärtet. Die belangte Behörde nahm sodann noch zu den vorgelegten Gutachten im einzelnen kurz Stellung. Ingesamt erachtete sie die nachgereichten Gutachten bzw. Stellungnahmen als nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Schlüssigkeit des Gutachtens des Amtssachverständigen für Ortsbildpflege herbeizuführen.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Im Beschwerdefall ist zunächst davon auszugehen, daß nach dem rechtswirksamen Bebauungsplan der Stadtgemeinde X gegenüber der öffentlichen Verkehrsfläche durch eine vordere Baufluchtlinie ein 4 m tiefer Vorgarten festgesetzt ist.
Nach der Begriffsbestimmung des § 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) sind Baufluchtlinien Abgrenzungen innerhalb eines Grundstückes, welche, unbeschadet der Bestimmungen des § 21 Abs. 8 und 11 sowie des § 23, bei einer Bebauung nicht überschritten werden dürfen. Zu Recht hat daher die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Frage geprüft, ob das schon ausgeführte Bauprojekt der Beschwerdeführer als ein Vorbau im Sinne des § 23 BO zu qualifizieren ist, der - ausnahmsweise - die vordere Baufluchtlinie überragen darf. Nach § 23 Abs. 1 Z. 2 lit. a BO dürfen Erker, Balkone, Schutzdächer, Veranden, Freitreppen und Terrassen bis zur halben Vorgartentiefe, jedoch höchstens bis 3 m und nach lit. b gedeckte, seitlich offene oder verglaste Eingänge bis zur Straßenfluchtlinie die vordere Baufluchtlinie überragen. Schon im Hinblick auf diese gesetzliche Bestimmung hat der bautechnische Amtsachverständige anläßlich der Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz das eingereichte Projekt zu Recht als nicht bewilligungsfähig qualifiziert, weil es weder als Eingang im Sinne der genannten lit. b noch als Schutzdach im Sinne der lit. a zu beurteilen ist, mag auch ein Teil davon bewilligungsfähig sein. Ist aber die gegenständliche Pergola nicht unter die Ausnahmeregelung des § 23 BO zu subsumieren, so bedeutet dies entgegen der Meinung der Beschwerdeführer, daß sie schlechthin unzulässig ist, weil eine vordere Baufluchtlinie eben nur von den aufgezählten kleinen Vorbauten im Sinne der genannten Gesetzesstelle überragt werden darf. Der Sinn eines Vorgartens liegt ja letztlich darin, entlang der öffentlichen Verkehrsfläche grundsätzlich eine unbebaute Fläche zu sichern, die in aller Regel gärtnerisch auszugestalten ist, wenngleich der NÖ Landesgesetzgeber letzteres nicht ausdrücklich angeordnet hat - anders etwa der Wiener Landesgesetzgeber im § 79 Abs. 6 der Bauordnung für Wien. Unter diesem Gesichtspunkt erweist es sich als rechtlich unerheblich, ob die gegenständliche Pergola mit ihrem beträchtlichen Ausmaß von über 30 m2 überhaupt als kleiner Vorbau im Sinne der genannten Gesetzesstelle qualifiziert werden könnte.
Nicht entscheidend ist auch die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Pergola als Bauwerk oder sonstige bauliche Anlage im Sinne des § 2 Z. 5 BO zu verstehen ist, wurde doch dieses Bauvorhaben zweifelsfrei zu Recht als bewilligungspflichtig im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 2 BO beurteilt. Danach bedarf einer Baubewilligung die Errichtung anderer Bauwerke und Anlagen - die Bewilligungspflicht von Gebäuden ist schon in Z. 1 normiert -, durch welche Gefahren für Personen und Sachen entstehen, das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden könnten. Bei einem Bauvorhaben der vorliegenden Art ist jedenfalls schon das Kriterium einer möglichen Gefahr für Personen und Sachen gegeben; übedies hat das durchgeführte Ermittlungsverfahren eindeutig ergeben, daß das Ortsbild jedenfalls beeinträchtigt werden kann. Das sohin bewilligungspflichtige Bauvorhaben ist durch das unzulässige Überschreiten der im Bebauungsplan festgesetzten vorderen Baufluchtlinie zutreffend als nicht bewilligungsfähig angesehen worden, sodaß schon aus diesem Grunde zu Recht die von den Beschwerdeführern angestrebte Baubewilligung versagt worden ist.
Im Hinblick auf das Überschreiten der vorderen Baufluchtlinie wäre es gar nicht erforderlich gewesen, noch zu prüfen, ob das Bauvorhaben auch den gesetzlichen Bestimmungen über die Berücksichtigung des Ortsbildes widerspricht. Wenn sowohl die Gemeindebehörden als auch die belangte Behörde auch zu dieser Frage Stellung genommen haben, so wären die Beschwerdeführer selbst dann in keinem zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, sollte diese Rechtsfrage auf Grund der eingeholten Gutachten unrichtig beantwortet worden sein. Letzteres trifft jedoch nicht zu, weil der Amtssachverständige für Ortsbildpflege schon im erstinstanzlichen Verfahren durchaus nachvollziehbar und schlüssig eine Störung des gegebenen Ortsbildes festgestellt hat. Gerade die im Akt erliegenden Fotos beweisen die Richtigkeit dieser Aussage eindrucksvoll, wie die belangte Behörde durchaus zutreffend in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt hat. Eine nähere Auseinandersetzung mit dem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen erübrigte sich jedoch auf Grund der dargelegten Rechtslage.
Hat aber die Baubehörde die angestrebte Baubewilligung in Übereinstimmung mit der gegebenen Rechtslage versagt, so durfte sie zu Recht mit der Erlassung eines baupolizeilichen Beseitigungsauftrages für die schon ausgeführten Teile der Pergola nach § 113 Abs. 2 Z. 3 BO vorgehen. Dies bezweifelten offensichtlich auch die Beschwerdeführer nicht, halten sie doch der belangten Behörde in diesem Zusammenhang in ihrer Beschwerde keine Argumente entgegen.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als nicht begründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff. VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991050201.X00Im RIS seit
03.05.2001