TE Vfgh Erkenntnis 1989/9/25 V7/89

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Veröffentlicht am 25.09.1989
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Inhalt gesetzmäßig
B-VG Art118 Abs3 Z4
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Vlbg StraßenG §9 Abs3
Vlbg StraßenG §55 Abs3
Verordnung der Gemeindevertretung der Gemeinde Lech vom 12.09.1988, Z101/1988 (Erklärung eines Weges zur Gemeindestraße)
VfGG §61a

Leitsatz

Abweisung des Individualantrages eines Grundeigentümers auf Aufhebung einer Verordnung, mit der ein bestehender Weg zur öffentlichen Verkehrsfläche (zur Gemeindestraße) erklärt wird; öffentliches Interesse an der Erschließung gegeben; richtige Beurteilung der Wichtigkeit der Straße nach den lokalen Verhältnissen; Determinierungsgebot darf in Zusammenhang mit raumordnenden oder wirtschaftlichen Maßnahmen nicht überspannt werden

Spruch

Dem Antrag wird nicht Folge gegeben.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Lech (Vorarlberg) beschloß am 12. September 1988 zur Zahl 101/1988 folgende (am 13. September 1988 durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel kundgemachte) Verordnung:

"(Es) wird gemäß §9 Abs1 des Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969, die Straße beginnend ab der Abzweigung von der Lechtalbundesstraße B198 bei der Pizzeria 'Charly' bis zum Tenniszentrum nach §9 Abs3 des Straßengesetzes, LGBl. Nr. 8/1969, zur Gemeindestraße erklärt.

Diese Straße weist eine ungefähre Länge von 200 m auf.

Diese Verordnung tritt gemäß §32 Abs1 des Gemeindegesetzes mit Beginn des auf die Kundmachung folgenden Tages in Kraft."

1.2.1. Gestützt auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG, stellte Dr. I F als Miteigentümer einer teilweise Bestandteil dieser Straße bildenden Grundparzelle den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die einleitend zitierte Verordnung als gesetzwidrig aufheben und der Gemeinde Lech den Ersatz der Verfahrenskosten auferlegen.

Begründend brachte der Antragsteller - sinngemäß zusammengefaßt - vor, die Erklärung der besagten Straße zur Gemeindestraße greife unmittelbar in seine Rechtssphäre ein. Es fehle hier an den Voraussetzungen des von der Gemeindevertretung Lech als Grundlage ihrer Verordnung herangezogenen - überdies auch im Hinblick auf Art18 B-VG verfassungsrechtlich bedenklichen - §9 Abs3 StrG, weil die Straße für den Verkehr innerhalb der Gemeinde nicht "wichtig" in der Bedeutung dieser Gesetzesstelle sei.

1.2.2. Die Gemeindevertretung der Gemeinde Lech erstattete - unter Vorlage der Verordnungsakten - eine Äußerung, in der sie dafür eintrat, dem Antrag kostenpflichtig nicht stattzugeben.

Ua. wurde vorgebracht:

    " . . . Schon aus der Lage des Gebietes und der mit dem

verordneten Weg erschlossenen Parzellen im Verhältnis zum

Gemeindezentrum und aus dem Verlauf des Weges in der Richtung zur

Erschließung dieser Grundstücke auf dem kürzest möglichen Weg

ergibt sich die Wichtigkeit dieser Straßenverbindung. Über . . .

(eine andere) Privatstraße könnte zwar auch zur Tennishalle

gefahren werden, jedoch mit einem wesentlich ungünstigeren kurvigen

und engen Verlauf mit erheblichem Umweg. Auch wäre das Problem der

Erschließung der Grundstücke von der Pizzeria 'Charly' an der

Bundesstraße B198 bis zur Tennishalle nicht gelöst. Daher war auch

die Erklärung dieser Verbindung zur Gemeindestraße iSd §9 Abs3

StrG wichtig und die einzig richtige Lösung. Bestätigt wird dieser

Umstand durch die Tatsache, daß die Anrainer die Erklärung dieser

Verbindung zur Gemeindestraße beantragt bzw. als gute Lösung der

erforderlichen Straßenverbindung akzeptiert haben. . .

    Die . . . (schon erwähnte) Privatstraße ist . . . aufgrund der

gegebenen Steigungsverhältnisse und einiger enger Kurven besonders

für größere Kraftfahrzeuge nicht annähernd so geeignet wie die

vorliegende Gemeindestraße, die zu erschließenden Grundstücke mit

der B198 zu verbinden. Die tägliche Praxis der Wegbenützung in

diesem Bereich bestätigt dies ebenfalls. . .

    Diese neue Gemeindestraße liegt im öffentlichen Interesse.

Durch die Straße werden . . . eine Vielzahl von Parzellen und

insbesondere auch das Sportzentrum der Gemeinde erschlossen. Die

Gemeinde Lech ist ein hervorragender Winter- und Sommersportort,

für den eine Infrastruktur an Sportanlagen absolute Notwendigkeit

ist. Es lag daher im Interesse der gesamten Gemeinde, der Gäste und

Erholungssuchenden . . . , daß Sportanlagen von der Gemeinde Lech

errichtet werden. Daß solche Sportanlagen dann auch einer

ordentlichen Erschließung bedürfen, bedarf keiner weiteren

Begründung. An der Wichtigkeit dieser Straßenverbindung, die auch

nicht durch eine andere, gleichwertige ersetzt werden kann, besteht

daher kein Zweifel . . . "

1.2.3. Auch die Vorarlberger Landesregierung gab eine Stellungnahme ab und verteidigte darin die angefochtene Verordnung als gesetzmäßig.

1.3. Der mit "Gemeindestraßen" überschriebene 3. Abschnitt des (Vorarlberger) Straßengesetzes, LGBl. 8/1969 (StrG), lautet in §9:

"(1) Gemeindestraßen sind die von der Gemeindevertretung durch Verordnung als solche erklärten Straßen. . .

(2) Die Gemeindevertretung hat nach Maßgabe der finanziellen Mittel die vorwiegend für den Verkehr innerhalb des Gemeindegebietes notwendigen Straßen als Gemeindestraßen zu erklären. Notwendig sind diejenigen Straßen, durch die ganzjährig bewohnte Siedlungen mit mindestens 100 Einwohnern erschlossen werden. Eine Notwendigkeit liegt nicht vor, wenn von anderer Seite für eine solche Verkehrsverbindung Vorsorge getroffen wird. Ein Rechtsanspruch auf Erklärung einer Straße als Gemeindestraße besteht nicht.

(3) Die Gemeindevertretung kann darüber hinaus durch Verordnung Straßen, die vorwiegend für den Verkehr innerhalb der Gemeinde wichtig sind, als Gemeindestraßen erklären.

. . . "

2. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zur Zulässigkeit:

2.1.1. Eine Verordnung, mit der - wie hier nach dem (durch den Inhalt des Verordnungsakts belegten) Vorbringen des Antragstellers - ein in der Natur bereits vorhandener und daher benützbarer (privater) Weg zur öffentlichen Verkehrsfläche (nämlich zur Gemeindestraße; §9 Abs3 StrG) erklärt wird (s. dazu den "Auszug aus der Verhandlungsschrift über die 34. Sitzung der Gemeindevertretung am 12.9.1988", S 1 Z2 Abs3, und die Niederschrift vom 18. August 1988 über eine vom Bürgermeister geleitete "Begehung und Besprechung", S 3 Abs2), greift in die Rechtssphäre des betreffenden Grundeigentümers aktuell und nicht bloß potentiell ein; zur Konkretisierung der Wirkung einer solchen Verordnung bedarf es keines weiteren behördlichen Akts (vgl. VfSlg. 8156/1977, 9375/1982, 9377/1982, 9532/1982, 9877/1983, 10754/1986).

2.1.2. Zwar kann sich der Antragsteller nur soweit beschwert erachten, als sich die in Rede stehende Verordnung auf jenen Teil der Straße bezieht, der über das in seinem Miteigentum befindliche Grundstück verläuft, doch ist die Norm nach Inhalt und sprachlicher Fassung - in dieser Beziehung - untrennbar, der Verordnungsprüfungsantrag darum zur Gänze zulässig.

2.2. Zur Sache:

2.2.1. Zur Meinung des Antragstellers, die gesetzliche Grundlage der bekämpften Verordnung, und zwar §9 Abs3 StrG, sei unzureichend determiniert und widerspreche dem Art18 B-VG, ist zunächst festzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof kein derartiges verfassungsrechtliches Bedenken hegt. Art18 B-VG verlangt, daß jeglicher Vollziehungsakt am Gesetz auf seine Rechtmäßigkeit hin gemessen werden kann. Dabei müssen alle vom Gesetzgeber verwendeten Begriffe so beschaffen (bestimmt) sein, daß sie einen der Vollziehung fähigen Inhalt umschreiben (VfSlg. 8209/1977, 10296/1984 uva.). Allerdings darf dieses Determinierungsgebot etwa in Zusammenhang mit raumordnenden oder wirtschaftlichen Maßnahmen nach herrschender Auffassung nicht überspannt werden. So gesehen, kann aber - entgegen der Meinung des Antragstellers - keine Rede davon sein, daß §9 Abs3 StrG, insbesondere der Begriff "vorwiegend für den Verkehr innerhalb der Gemeinde wichtig(e Straßen)", an Hand seiner Merkmale nicht hinreichend meßbar sei und dem Verfassungsprinzip der inhaltlichen Bestimmtheit der Gesetze zuwiderlaufe.

2.2.2.1. Doch auch die im Antrag verfochtene Anschauung, die Straße sei hier den Umständen nach nicht vorwiegend für den Verkehr innerhalb der Gemeinde "wichtig" iSd §9 Abs3 StrG, ist verfehlt:

Es kann nämlich der Gemeindevertretung nicht mit Grund entgegengetreten werden, wenn sie diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Erklärung des Wegs zur "Gemeindestraße" im Hinblick auf das vorherrschende öffentliche Interesse an einer derartigen Maßnahme als gegeben annahm. Denn aus dem vorgelegten Verordnungsakt geht hervor, daß mit der Einreihungsverordnung mehrere bebaute Liegenschaften, weitere als Bauflächen ausgewiesene Grundstücke und schließlich das - auch unter dem Aspekt des Fremdenverkehrs relevante - Sportzentrum verkehrsmäßig erschlossen wurden. Des weiteren läßt sich in der auf Grund des Verordnungsakts nachvollziehbaren Entscheidung der Gemeindevertretung, mit der zur Erreichung dieses Aufschließungsziels - unter Vermeidung einer verkehrstechnisch ungünstigeren Zufahrt - gerade die strittige Variante als die kürzest mögliche Straßenverbindung der zu erschließenden Liegenschaften mit der Bundesstraße gewählt wurde, keine Gesetzwidrigkeit erblicken: Die Gemeinde hat ihr Gebiet so weit verkehrsmäßig zu erschließen (vgl. Art118 Abs3 Z4 B-VG), als daran ein öffentliches Interesse besteht. Den Erschließungsumfang bestimmt der Landesgesetzgeber in zweifacher Hinsicht: Zum einen legt er mit der Wendung "für den Verkehr innerhalb des Gemeindegebietes notwendigen Straßen" (§9 Abs2 StrG) einen Mindeststandard der öffentlichen Interessen dienenden verkehrsmäßigen Aufschließung fest. Zum anderen wird festgeschrieben, daß "darüber hinaus" weitere "für den Verkehr innerhalb der Gemeinde wichtig(e)" Straßen zu Gemeindestraßen erklärt werden können (§9 Abs3 StrG). Eine "Wichtigkeit" dieser Art ergibt sich aus den jeweiligen Lokalverhältnissen, wie der belangte Verordnungsgeber hier richtig erkannte.

2.2.2.2. Die vom Antragsteller vorgetragenen Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung treffen darum nicht zu. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2.2.3. Soweit sich die Ausführungen im Antrag auf die Bestimmung des §55 Abs3 StrG beziehen, bleibt festzuhalten, daß die Gemeindevertretung diese Norm, die bloß Folgewirkungen der Erklärung eines Straßenstückes zur "Gemeindestraße" umschreibt, bei Erlassung der angefochtenen Verordnung gar nicht anzuwenden hatte, weshalb auf die entsprechenden, vor dem Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Verfahren geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht weiter einzugehen war.

2.3. Ein Kostenzuspruch mußte unterbleiben, weil ein solcher im Verordnungsprüfungsverfahren nur für den Fall des Obsiegens des Individualantragstellers vorgesehen ist (§61a VerfGG).

2.4. Von einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Satz 1 VerfGG abgesehen.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Gemeindestraße, VfGH / Kosten, Determinierungsgebot, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:V7.1989

Dokumentnummer

JFT_10109075_89V00007_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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