Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §65;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in F, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. November 1991, Zl. VwSen-240017/2/Gf/Kf, betreffend Übertretung des Bazillenausscheidergesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wels vom 15. Oktober 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, in einer näher bezeichneten Fleischverkaufsstelle in W einen näher genannten Dienstnehmer beschäftigt zu haben, der nicht über das erforderliche amtsärztliche Zeugnis nach dem Bazillenausscheidergesetz verfügt habe. Er habe dadurch gegen § 3 der ersten Verordnung zum Bazillenausscheidergesetz, BGBl. Nr. 128/1946, in der Fassung der zweiten Verordnung zum Bazillenausscheidergesetz, BGBl. Nr. 203/1954, in Verbindung mit § 1 des Bazillenausscheidergesetzes, StGBl Nr. 153/1945, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 131/1964, verstoßen. Von der Verhängung einer Strafe wurde abgesehen; dem Beschwerdeführer wurde eine Ermahnung erteilt.
2. In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer erstmals vor, am 1. Dezember 1990 für die genannte Fleischverkaufsstelle gemäß § 9 VStG eine näher bezeichnete Person als verantwortlichen Beauftragten bestellt zu haben. Der genannte Dienstnehmer habe seiner Bestellung zugestimmt. Der Beschwerdeführer legte im Berufungsverfahren eine mit 1. Dezember 1990 datierte, von ihm und dem genannten Dienstnehmer unterfertigte Erklärung mit folgendem Wortlaut vor:
"REGELUNG DER VERANTWORTLICHKEIT NACH
§ 9 VERWALTUNGSSTRAFGESETZ
Ich, G, bestelle in meiner Eigenschaft als Inhaber der Firma G in F, Herrn S zum verantwortlichen Beauftragten für die Belange des Arbeitsrechtes und Arbeitnehmerschutzvorschriften, sowie des Lebensmittelgesetzes für folgende Filialen: ...
Herr S ist befugt, für oben erwähnte Bereiche die entsprechenden Anordnungen zu treffen.
Ich, S, stimme der obigen Bestimmung hiermit zu."
3. Mit Bescheid vom 21. November 1991 wies der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Berufung ab und führte begründend aus, der Zustimmungsnachweis des verantwortlichen Beauftragten hätte spätestens bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorgelegt werden müssen. Bei dem Verfahren vor der belangten Behörde handle es sich nicht mehr um ein Verwaltungsverfahren.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II.
Die von der belangten Behörde gegebene Begründung für die Nichtberücksichtigung des Zustimmungsnachweises des verantwortlichen Beauftragten überzeugt nicht. Für die Frage, ob sich der Beschuldigte erst im Berufungsverfahren auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten berufen und einen entsprechenden Nachweis vorlegen darf, kommt es nicht darauf an, auf Grund welcher Normen die Berufungsbehörde errichtet wurde, sondern darauf, ob in dem betreffenden Berufungsverfahren Neuerungsverbot herrscht oder nicht. Da im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat, der gemäß § 51 Abs. 1 VStG über Berufungen in Verwaltungsstrafsachen zu entscheiden hat, kein Neuerungsverbot besteht, muß ein neues Vorbringen und Beweisanbot des Beschuldigten - dazu gehören die Behauptung, einen verantwortlichen Beauftragten bestellt zu haben, und die Vorlage eines entsprechenden Nachweises - vom unabhängigen Verwaltungssenat berücksichtigt werden. Dennoch ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden, weil der vorgelegte, oben wiedergegebene Nachweis für die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten und seine Zustimmung den Beschwerdeführer in bezug auf die ihm angelastete Übertretung nicht im Sinne des § 9 Abs. 3 VStG zu entlasten vermag. Der sachliche Bereich, für den dem genannten Dienstnehmer Anordnungsbefugnis übertragen wurde, beschränkt sich auf "die Belange des Arbeitsrechtes und Arbeitnehmerschutzvorschriften, sowie des Lebensmittelgesetzes". Das Bazillenausscheidergesetz ist keine Angelegenheit im Sinne der in der Bestellungsurkunde verwendeten Begriffe. Es gehört nicht zum Arbeitsrecht. Es handelt sich auch nicht um Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmern (die ohnedies unter den Oberbegriff "Arbeitsrecht" fallen würden). Es bedarf auch keiner weiteren Erörterung, daß das Bazillenausscheidergesetz - ungeachtet eines zum Teil ähnlichen Gesetzeszweckes - nicht mit dem Lebensmittelgesetz identisch ist.
Der Beschwerdeführer hat sich in der Berufung und auch in der vorliegenden Beschwerde ausschließlich auf die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten berufen. Da jedoch davon in Ansehung der den Beschwerdeführer nach dem Bazillenausscheidergesetz treffenden Verpflichtungen nicht ausgegangen werden konnte, wurde er durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992110001.X00Im RIS seit
17.03.1992