TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/18 91/14/0068

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Veröffentlicht am 18.03.1992
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
BAO §289 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Dr. Baumann und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde der KR in T, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 13. März 1991, GZ 261/10-3/89, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund eines von der Beschwerdeführerin eingebrachten Familienbeihilfenantrages wurde der Beschwerdeführerin für die beiden Kinder A (geboren 1971) und B (geboren 1972) ab 1. Juli 1979 Familienbeihilfe gewährt. Die Familienbeihilfenkarte verblieb zur Auszahlung der Familienbeihilfe im Postweg bei der Buchhaltung der Finanzlandesdirektion.

Im Zuge einer Überprüfung des Familienbeihilfenanspruches im Februar 1981 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern nach wie vor in Österreich den Wohnsitz hat, ihr Ehegatte in der Bundesrepublik Deutschland wohnt und dort selbständig erwerbstätig ist. Der Familienbeihilfenanspruch wurde daher weiter bescheinigt und vorläufig bis 31. Dezember 1983 befristet. Die Familienbeihilfenkarte verblieb weiterhin bei der Buchhaltung der belangten Behörde zur Barauszahlung im Postweg.

Über Antrag vom 13. Juni 1983 wurde die Familienbeihilfe ab 8. Oktober 1983 auf ein bekanntgegebenes Konto einer Kärntner Bank überwiesen.

Im Zuge einer weiteren Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe im März 1984 wurde von der Beschwerdeführerin neben einer Wohnanschrift in Kärnten und der selbständigen Berufstätigkeit ihres Ehegatten in der Bundesrepublik Deutschland angegeben, daß die beiden ständig bei ihr wohnenden Kinder ein Bundesgymnasium in Kärnten besuchten. Der Anspruch wurde ab 1. Jänner 1984 als bescheinigt angesehen und eine Befristung bis 31. März 1989 am Familienbeihilfenakt angemerkt. Die Familienbeihilfenkarte verblieb weiterhin zur Überweisung der Familienbeihilfe bei der Finanzlandesdirektion.

Im September 1984 verzog die Beschwerdeführerin mit den beiden Kindern zu ihrem Ehegatten nach Deutschland und gab ihren inländischen Wohnsitz auf, ohne dies dem für die Gewährung der Familienbeihilfe zuständigen Finanzamt zu melden. Im Zuge einer weiteren Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe im Jahr 1989 wurde dem Finanzamt nach entsprechenden Ermittlungen dieser Sachverhalt bekannt, worauf einerseits die bis dahin erfolgte Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt und andererseits mit Bescheid festgestellt wurde, daß die Beschwerdeführerin die Familienbeihilfe für die beiden Kinder vom 1. Oktober 1984 bis 31. Dezember 1988 zu Unrecht bezogen habe. Im gleichen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin verpflichtet, die zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe zurückzuzahlen. In der Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, daß der Anspruch durch Aufgabe des Wohnsitzes im Inland mit 30. September 1984 erloschen sei.

In einer dagegen eingebrachten Berufung blieb die Aufgabe des inländischen Wohnsitzes unbestritten. Unrichtig sei jedoch die Feststellung, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe für die beiden Kinder mit 30. September 1984 erloschen sei. Für die beiden Kinder, die nach wie vor österreichische Staatsbürger seien, bestehe in der Bundesrepublik Deutschland ein Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe, welcher jedoch geringer sei als die Familienbeihilfe, die ihnen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) zustünde. Die Höhe dieses Differenzanspruches im Sinne des § 4 Abs 2 FLAG 1967 sei der Beschwerdeführerin zwar nicht bekannt, sie behaupte jedoch, daß er monatlich zumindest S 1000,-- betrage. Weiters wurde ausgeführt, daß eine entsprechende Meldung an das Finanzamt aus Unkenntnis der Gesetzeslage unterlassen worden wäre. Der Berufungsantrag lautet im wesentlichen dahin, eine Rückzahlungsverpflichtung nur abzüglich des angeführten Differenzanspruches festzustellen.

Mit dem nunmehr mit Beschwerde angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Begründung dieser Entscheidung wurde informativ darauf hingewiesen, daß über den in der Berufungsschrift erstmalig gestellten Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung vom Finanzamt mittels Bescheid gesondert abgesprochen werde.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird eingeräumt, daß die Beschwerdeführerin die Wohnsitzveränderung in das Ausland im September 1984 nicht bekanntgegeben hatte. Dies allerdings behaupteterweise in Unkenntnis der tatsächlichen Gesetzeslage. Hiezu ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die Beschwerdeführerin in ihrem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe vom 28. August 1979, mit eigenhändiger Unterschrift bestätigt, zur Kenntnis genommen hat, daß sie gemäß § 25 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 verpflichtet ist, Tatsachen, die bewirken, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens und der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird, binnen einem Monat, gerechnet vom Tage des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, dem zuständigen Finanzamt zu melden. In der Mitteilung des Finanzamtes vom 3. Dezember 1979, mit welcher die Beschwerdeführerin über die Ausstellung der Familienbeihilfenkarte und die Bescheinigung des Anspruches auf Familienbeihilfe informiert wurde, wurde abermals auf die entsprechende in § 25 FLAG 1967 normierte Verpflichtung hingewiesen.

Die Beschwerdeführerin beruft sich daher zu Unrecht auf eine Unkenntnis der tatsächlichen Gesetzeslage, weshalb schon deshalb keineswegs von einem ausschließlichen Verschulden der die Familienbeihilfe auszahlenden Stelle gesprochen werden kann. Aber auch die weiteren Beschwerdebehauptungen eines diesbezüglichen Verschuldens der auszahlenden Stelle vermag die Beschwerdeführerin nur auf die unrichtige Annahme eines bis 13. März 1985 befristeten Anspruches auf Familienbeihilfe zu stützen. Daß die Behörde durch eine gesetzliche Bestimmung verhalten gewesen wäre, den Anspruch auf Familienbeihilfe tatsächlich auf ein Jahr zu befristen, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht.

Aber auch die Ansicht der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde wäre verhalten gewesen, über den im Berufungsschriftsatz gestellten Antrag auf Berücksichtigung einer Ausgleichszahlung "gleichzeitig" mit der Berufung zu entscheiden, findet im Gesetz keine Deckung. Gemäß § 289 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 278 BAO zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Das Gebot, "immer in der Sache selbst zu entscheiden" setzt voraus, daß die zu erledigende "Sache", also die Angelegenheit, die Gegenstand des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz war, mit der "Sache" identisch ist, die in die Sachentscheidung der Rechtsmittelbehörde einbezogen wird. "Sache" ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hat. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelbehörde in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid - im Ergebnis erstmals - erlassen (vgl Verwaltungsgerichtshof vom 7. Juni 1989, 88/13/0205). Da Inhalt des Spruches des mit Berufung angefochtenen Bescheides die Feststellung einer zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe und die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Rückzahlung derselben war, durfte die belangte Behörde in ihrer Berufungsentscheidung über den im Berufungsschriftsatz gestellten Antrag auf Bezahlung einer Ausgleichsabgabe, der noch nicht Gegenstand eines erstinstanzlichen Bescheides gewesen war, nicht entscheiden. Eine Entscheidung über diesen Antrag war vielmehr der Abgabenbehörde erster Instanz vorbehalten, worauf sinngemäß in der Berufungsentscheidung informativ zu Recht hingewiesen wurde.

Es liegt somit eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor. Es ist aber auch die Verfahrensrüge nicht begründet, weil keine Verletzung von Verfahrensvorschriften dargetan wurde, bei deren Einhaltung die Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Inwiefern eine Zustellung der Familienbeihilfenkarte oder eines Bescheides, auf dem die Befristung des Familienbeihilfenanspruches bis 31. März 1989 eingetragen war, zu einem anderen Bescheid führen hätte können, ist nicht erkennbar, zumal die Beschwerdeführerin zu DIESER Befristung nichts vorgebracht hat. Ein Eingehen auf die unter der Annahme einer Befristung bis 13. März 1985 angeführten Beschwerdegründe erübrigt sich, weil eine solche Befristung des Familienbeihilfenanspruches tatsächlich nicht erfolgt war.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991140068.X00

Im RIS seit

18.03.1992

Zuletzt aktualisiert am

31.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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