Index
10 VerfassungsrechtNorm
StV Wien 1955 Art7 Z3Leitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit von (einsprachigen) Ortsbezeichnungen in weiteren straßenpolizeilichen "Ortstafelverordnungen" in Kärnten wegen Widerspruchs zum Minderheitenschutz im Staatsvertrag Wien unter Hinweis auf die VorjudikaturSpruch
In §1 Abschnitt B) der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 1. September 2003, Zahl VK7-STV-65/1-2003, war jeweils die Ortsbezeichnung "Buchbrunn" gesetzwidrig.
Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt für Kärnten verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu Zl. B3426/05 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:
Über den Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 29. April 2004 wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet von Buchbrunn eine Geldstrafe in bestimmter Höhe verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 10. Feber 2005 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die eingangs erwähnte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde beschloss der Verfassungsgerichtshof am 26. Juni 2006, gemäß Art139 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der im Spruch genannten Verordnungsbestimmungen einzuleiten.
Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt legte die Verordnungsakten vor und teilte mit, dass eine schriftliche Äußerung zum Gegenstand durch die Kärntner Landesregierung erfolgen werde. Außerdem wies die Bezirkshauptmannschaft darauf hin, dass die (teilweise) in Prüfung gezogene Verordnung durch die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 1. Oktober 2004, Zahl VK7-STV-65/4-2004, außer Kraft gesetzt wurde.
Die Kärntner Landesregierung ersuchte vorerst um Erstreckung der ihr für die Erstattung einer Äußerung vom Verfassungsgerichtshof eingeräumten Frist, erstattete letztlich aber keine Äußerung.
II. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage (nämlich zur Zeit der Tat [27. Oktober 2003] bzw. der Fällung des Bescheides erster Instanz [29. April 2004] - vgl. §1 Abs2 VStG;
s. auch VfSlg. 17.327/2004) stellt sich wie folgt dar:
1.1. Die Z3 des im Verfassungsrang stehenden, mit "Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten" überschriebenen Art7 des Staatsvertrages von Wien (im Folgenden: StV Wien) lautet wie folgt:
"3. In den Verwaltungs- und Gerichtsbezirken Kärntens, des Burgenlandes und der Steiermark mit slowenischer, kroatischer oder gemischter Bevölkerung wird die slowenische oder kroatische Sprache zusätzlich zum Deutschen als Amtssprache zugelassen. In solchen Bezirken werden die Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur sowohl in slowenischer oder kroatischer Sprache wie in Deutsch verfaßt."
1.2.1. Im Abschnitt I "Allgemeine Bestimmungen" des Volksgruppengesetzes, BGBl. 1976/396, sieht §2 - nach Aufhebung der Wortfolge "wegen der verhältnismäßig beträchtlichen Zahl (ein Viertel) der dort wohnhaften Volksgruppenangehörigen" in Abs1 Z2 mit Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 (vgl. BGBl. I 2002/35) - insbesondere Folgendes vor:
"§2. (1) Durch Verordnungen der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates sind nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung festzulegen:
1. ...
2. Die Gebietsteile, in denen topographische Bezeichnungen zweisprachig anzubringen sind.
3. ...
(2) Bei Erlassung der in Abs1 vorgesehenen Verordnungen sowie bei der Vollziehung des Abschnittes III dieses Bundesgesetzes sind bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist auf die zahlenmäßige Größe der Volksgruppe, die Verbreitung ihrer Angehörigen im Bundesgebiet, ihr größenordnungsmäßiges Verhältnis zu anderen österreichischen Staatsbürgern in einem bestimmten Gebiet sowie auf ihre besonderen Bedürfnisse und Interessen zur Erhaltung und Sicherung ihres Bestandes Bedacht zu nehmen. Hiebei sind die Ergebnisse amtlicher statistischer Erhebungen mitzuberücksichtigen."
1.2.2. §12 des Volksgruppengesetzes lautet (samt Überschrift) wie folgt:
"ABSCHNITT IV
Topographische Bezeichnungen
§12. (1) Im Bereiche der gemäß §2 Abs1 Z. 2 bezeichneten Gebietsteile sind Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, die von Gebietskörperschaften oder von sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, in deutscher Sprache und in der Sprache von in Betracht kommenden Volksgruppen zu verfassen. Diese Verpflichtung gilt nicht für die Bezeichnung von Örtlichkeiten, die außerhalb des Bereiches solcher Gebietsteile liegen.
(2) In der Verordnung nach §2 Abs1 Z. 2 sind auch die Örtlichkeiten, die für eine zweisprachige Bezeichnung in Betracht kommen, sowie die topographischen Bezeichnungen in der Sprache der in Betracht kommenden Volksgruppen festzulegen, die neben der deutschsprachigen Bezeichnung anzubringen sind. Hiebei ist auf die örtliche Übung und auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung Bedacht zu nehmen.
(3) Topographische Bezeichnungen, die nur in der Sprache einer Volksgruppe bestehen, sind von Gebietskörperschaften unverändert zu verwenden."
1.2.3. Die - hier maßgebliche - Verordnung der Bundesregierung vom 31. Mai 1977 über die Bestimmung von Gebietsteilen, in denen topographische Bezeichnungen in deutscher und slowenischer Sprache anzubringen sind, BGBl. 306, lautete - nach VfSlg. 16.404/2001 (vgl. BGBl. II 2002/37) - wie folgt:
"Auf Grund des §2 Abs1 und des §12 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, wird im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates verordnet:
§1. In folgenden Gebietsteilen (§2 Abs1 Z. 2 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976) sind Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, die von Gebietskörperschaften oder von sonstigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts angebracht werden, sowohl in deutscher als auch slowenischer Sprache anzubringen:
1. Im politischen Bezirk Klagenfurt Land:
In der Gemeinde Ebental im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Radsberg, in der Gemeinde Ferlach im Gebiet der ehemaligen Gemeinde Windisch-Bleiberg, in der Gemeinde Ludmannsdorf in den Gebieten der ehemaligen Gemeinden Ludmannsdorf und Oberdörfl und in der Gemeinde Zell;
2. im politischen Bezirk Völkermarkt:
§2. Ehemalige Gemeinden im Sinne dieser Verordnung sind die von bestehenden Gemeinden (§1) erfaßten Gebiete von Gemeinden nach dem Stand zum 15. Mai 1955.
§3. Diese Verordnung tritt mit 1. Juli 1977 in Kraft."
Dass diese Verordnung mittlerweile, nämlich mit 1. Juli 2006, außer Kraft trat (vgl. §2 der Topographieverordnung-Kärnten BGBl. II 2006/245, ausgegeben am 30. Juni 2006), ist für dieses Verordnungsprüfungsverfahren ebensowenig maßgeblich wie die genannte Topographieverordnung-Kärnten selbst, die erst nach dem Außerkrafttreten der hier hinsichtlich einzelner ihrer Bestimmungen zu prüfenden Verordnung in Kraft getreten ist (s. dazu oben Pkt. II., Eingangssatz, sowie VfSlg. 16.404/2001 S 1003f. Pkt. III.1.3.2.1. zweiter Abs).
1.3.1. Der mit "Begriffsbestimmungen" überschriebene §2 der Straßenverkehrsordnung 1960 enthält in Abs1 Z15 die folgende Regelung:
"15. Ortsgebiet: das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen 'Ortstafel' (§53 Z. 17a) und 'Ortsende' (§53 Z. 17b)."
1.3.2. Die - Hinweiszeichen betreffenden - Bestimmungen des §53 (Abs1) Z17a und Z17b StVO, auf die in §2 Abs1 Z15 leg. cit. verwiesen wird, sowie §53 Abs2 StVO lauten wie folgt:
"(1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen:
...
17a. ORTSTAFEL
[Ortstafel nicht darstellbar !!!!]
Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist. Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Die Anbringung einer grünen Tafel mit der weißen Aufschrift 'Erholungsdorf' - bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen - oder einer ähnlichen, die Gemeinde näher beschreibenden Tafel unterhalb der Ortstafel ist zulässig, wenn dadurch die leichte Erkennbarkeit der Ortstafel nicht beeinträchtigt und die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährdet wird; eine solche Tafel darf die Ortstafel seitlich nicht überragen.
17b. ORTSENDE
[Ortstafel nicht darstellbar !!!!]
Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens 'Ortstafel' anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden. ...
(2) Auf Vorwegweisern, Wegweisern und Orientierungstafeln sind die Namen von Orten, die im Ausland liegen, nach der offiziellen Schreibweise des betreffenden Staates anzugeben (zB Bratislava, Sopron, Maribor). Die zusätzliche Anführung einer allfälligen deutschsprachigen Ortsbezeichnung ist zulässig (zB Preßburg, Ödenburg, Marburg)."
1.3.3. Abs2 des mit "Fahrgeschwindigkeit" überschriebenen §20 StVO lautet auszugsweise wie folgt:
"(2) Sofern die Behörde nicht gemäß §43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erläßt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren."
1.3.4. Abs1 des mit "Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise" überschriebenen §43 StVO sieht u.a. Folgendes vor:
"(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
...
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
..."
1.3.5. Der die "Kundmachung der Verordnungen" regelnde §44 StVO sieht u.a. Folgendes vor:
"(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. ..."
1.3.6. Gemäß §94b StVO obliegt die Erlassung von Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes grundsätzlich den Bezirksverwaltungsbehörden.
1.4.1. Am 1. September 2003 erließ die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt zu Zahl VK7-STV-65/1-2003 eine Verordnung betreffend Verkehrsbeschränkungen im Verlauf der Eberndorfer Straße (L 120), die auszugsweise wie folgt lautete (die hier in Prüfung gezogene Ortsbezeichnung ist jeweils hervorgehoben):
"Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt verordnet gemäß §§43 Abs1 und 44 Abs1, in Verbindung mit §94 b der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 59/2003, nachstehende Verkehrsbeschränkungen für die L 120 Eberndorfer Straße:
§1
Im Verlauf der L 120 Eberndorfer Straße ab der L 116 St. Kanzianer Straße südlich Srejach über Buchbrunn, Eberndorf und Köcking bis zur B 81 Bleiburger Straße südlich Loibegg werden nachstehende Straßenverkehrszeichen generell neu erfasst und verordnet:
...
B) H i n w e i s z e i c h e n :
In Fahrtrichtung B 81 Bleiburger Straße:
1. Bei Straßenkilometer 2,198 'Ortstafel' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 a leg.cit.
2. Bei Straßenkilometer 2,741 'Ortsende' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 b leg.cit.
...
In Fahrtrichtung L 116 St. Kanzianer Straße:
...
4. Bei Straßenkilometer 2,741 'Ortstafel' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 a leg.cit.
5. Bei Straßenkilometer 2,198 'Ortsende' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 b leg.cit.
...
§3
Diese Verordnung tritt am 15.09.2003 in Kraft.
Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung treten sämtliche Verordnungen gemäß §§43 und 44 leg.cit. im Verlauf der L 120 Eberndorfer Straße, die dauernd erlassen wurden, außer Kraft.
Temporär erlassene Verordnungen werden durch diese Verordnung nicht berührt.
§4
Übertretungen dieser Verordnung werden als Verwaltungsübertretungen in Entsprechung des §99 der StVO 1960, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 59/2003, bestraft."
1.4.2. Diese Verordnung wurde - wie oben unter Pkt. I.2. erwähnt - mit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 1. Oktober 2004, Zahl VK7-STV-65/4-2004, außer Kraft gesetzt; die nunmehr geltende Verordnung lautet auszugsweise wie folgt:
"Die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt verordnet gemäß §§43 Abs1 und 44 Abs1, in Verbindung mit §94 b der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 94/2004, nachstehende Verkehrsbeschränkungen für die L 120 Eberndorfer Straße:
§1
Im Verlauf der L 120 Eberndorfer Straße ab der L 116 St. Kanzianer Straße südlich Srejach über Buchbrunn, Eberndorf und Köcking bis zur B 81 Bleiburger Straße südlich Loibegg werden nachstehende Straßenverkehrszeichen generell neu erfasst und verordnet:
...
B) H i n w e i s z e i c h e n :
In Fahrtrichtung B 81 Bleiburger Straße:
1. Bei Straßenkilometer 2,198 'Ortstafel' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 a leg.cit.
2. Bei Straßenkilometer 2,741 'Ortsende' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 b leg.cit.
...
In Fahrtrichtung L 116 St. Kanzianer Straße:
...
4. Bei Straßenkilometer 2,741 'Ortstafel' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 a leg.cit.
5. Bei Straßenkilometer 2,198 'Ortsende' mit der Ortsbezeichnung 'Buchbrunn' gemäß §53 Z17 b leg.cit.
...
§3
Diese Verordnung tritt am 15.10.2004 in Kraft.
Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 01.09.2003, Zahl VK7-STV-65/1-2003, außer Kraft.
Temporär erlassene Verordnungen werden durch diese Verordnung nicht berührt.
§4
Übertretungen dieser Verordnung werden als Verwaltungsübertretungen in Entsprechung des §99 der Straßenverkehrsordnung 1960 - StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 94/2004, bestraft."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zu den Prozessvoraussetzungen
Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluss - vorläufig - davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist.
Ferner nahm der Verfassungsgerichtshof - unter Hinweis auf die entsprechenden Erwägungen in den Erkenntnissen VfSlg. 16.404/2001 (S 1003 Pkt. III.1.3.2.1.) sowie VfGH 12.12.2005 V64/05 (Pkt. III.1.3.2.) - vorläufig an, dass die im Spruch bezeichneten Verordnungsbestimmungen im vorliegenden Zusammenhang präjudiziell sind und - da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorzuliegen scheinen - das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig ist.
Im Verordnungsprüfungsverfahren wurde nichts vorgebracht und ist auch nichts hervorgekommen, was gegen diese vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes spräche. Das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher zulässig.
2. In der Sache:
2.1. Der Verfassungsgerichtshof stützte sein Bedenken gegen die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen auf die folgenden Erwägungen:
"In der Sache hegt der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, dass die im Spruch genannten Verordnungsbestimmungen der Verfassungsbestimmung des Art7 Z3 zweier Satz StV Wien widersprechen (vgl. VfSlg. 16.404/2001, VfGH 12.12.2005 V64/05 und VfGH 26. Juni 2006 V20-22/06, V32/06).
Der Verfassungsgerichtshof geht dabei - vorläufig - insbesondere von Folgendem aus: Die Ortschaft Buchbrunn wies bei der Volkszählung 2001 einen Anteil von 'unter 10%' österreichischer Staatsbürger mit slowenischer Umgangssprache auf (bei Ortschaften mit 31 bis 100 Österreichern werden von der Statistik Austria keine absoluten Zahlen ausgewiesen); bei den vorhergehenden Volkszählungen hat dieser Anteil bzw. der Anteil slowenisch Sprechender an der Wohnbevölkerung insgesamt, soweit dem Verfassungsgerichtshof ortschaftsweise Auswertungen vorliegen, 14,1% (1961), 32,1% (1971), 10,6% (1981) und 11,8% (1991) betragen.
Im Erkenntnis VfSlg. 16.404/2001 vertrat der Verfassungsgerichtshof für die Ortschaft St. Kanzian die Auffassung, dass 'auch noch eine Ortschaft, die ... über einen längeren Zeitraum betrachtet, einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10% aufweist, als Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung iSd. Art7 Z3 zweiter Satz des Staatsvertrages von Wien zu qualifizieren' (Hervorhebung nicht im Original) ist.
Ausgehend davon, dass die Ortschaft Buchbrunn bei früheren Volkszählungen stets einen Minderheitenprozentsatz von mehr als 10 aufwies, dürfte sie - 'über einen längeren Zeitraum betrachtet' - als 'Verwaltungsbezirk mit gemischter Bevölkerung iSd. Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien' zu qualifizieren sein.
Die Verfassungsbestimmung des Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien dürfte daher für die in der Gemeinde Eberndorf im politischen Bezirk Völkermarkt gelegene Ortschaft Buchbrunn gebieten, dass Bezeichnungen und Aufschriften topographischer Natur, insbesondere die hier in Rede stehenden Straßenverkehrszeichen, sowohl in Slowenisch als auch in Deutsch zu verfassen sind. Die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen scheinen somit dem Art7 Z3 zweiter Satz StV Wien zu widersprechen."
Im Verordnungsprüfungsverfahren wurde nichts vorgebracht und ist auch sonst nichts hervorgekommen, was dieses Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zerstreut hätte.
2.2. Da die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 1. September 2003, Zahl VK7-STV-65/1-2003, durch die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt vom 1. Oktober 2004, Zahl VK7-STV-65/4-2004 (in Kraft getreten "am 15.10.2004"), außer Kraft gesetzt wurde, hat sich der Verfassungsgerichtshof auf den Ausspruch zu beschränken, dass die in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmungen gesetzwidrig waren.
2.3. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.
2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Volksgruppen, Minderheiten, Ortstafeln, Straßenpolizei, Straßenverkehrszeichen, Verwaltungsstrafrecht, Bescheiderlassung (Zeitpunkt maßgeblich für Rechtslage)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:V47.2006Dokumentnummer
JFT_09938796_06V00047_00