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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des JS und der MS in A, beide vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der NÖ LReg vom 22.3.1988, Zl. VI/3-AO-263/6, betreffend Zusammenlegung S, vorläufige Übernahme der Grundabfindungen (mitbeteiligte Partei: Errichtungsgesellschaft M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer als Bescheid bezeichneten Erledigung vom 5. November 1987 ordnete die Niederösterreichische Agrarbezirksbehörde (ABB) unter Abschnitt A auf der Grundlage der §§ 22 Abs. 1 und 20 Abs. 1 des Niederösterreichischen Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975, LGBl. 6650-3, (FLG) im Zusammenlegungsverfahren S die vorläufige Übernahme an, die mit 20. November 1987 in Kraft treten sollte, erließ dazu unter Abschnitt B gemäß § 113 Abs. 7 FLG einige Überleitungsbestimmungen und schloß unter Abschnitt C nach § 64 Abs. 2 AVG 1950 die aufschiebende Wirkung einer Berufung aus.
Der Berufung der Beschwerdeführer gab der Landesagrarsenat beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Erkenntnis vom 22. März 1988 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 (§ 1 AgrVG 1950) sowie § 22 Abs. 1 FLG teilweise insofern Folge, als in den Abschnitt A der bezeichneten Bekanntgabe der ABB folgender Text eingefügt werden sollte:
"Den Parteien JS und MS werden je zur Hälfte nachstehende
Abfindungsgrundstücke vorläufig übergeben:
Grundstücksnummer: Katastralgemeinde: Flächenausmaß:
415 S 3,3659 ha
416 S 4,8474 ha"
Begründend wurde unter anderem in Erwiderung auf das Berufungsvorbringen, der erstinstanzliche Bescheid sei nichtig, weil der Bescheidadressat im Bescheid nicht aufscheine, erwidert, es sei im AVG 1950 nicht angeordnet, daß auf der Bescheidausfertigung auch der Name und die Anschrift des Bescheidempfängers aufscheinen müßten.
Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich die Beschwerdeführer nach ihrem ganzen Vorbringen primär in dem Recht verletzt erachten, daß ein Nichtbescheid der ABB nicht im Instanzenzug aufrechterhalten werde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift vorgelegt, in der zu verschiedenen vom Beschwerdeführer behandelten Fragen betreffend das Zusammenlegungsverfahren S Stellung genommen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Den Begriff "Bescheid" verwendet das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz in der Weise, daß er nicht definiert, sondern bereits vorausgesetzt wird. Ein Bescheid richtet sich jedenfalls im Unterschied zur Verordnung an individuell bestimmte Personen. Diesen gegenüber ist er zu erlassen. Daher wird zu jenen Merkmalen, deren Fehlen einen Bescheid gar nicht erst entstehen lassen, unter anderem die Nennung eines Adressaten gezählt (siehe dazu Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, 1991, Rz 440; Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 1986, S. 527). Die mit dem angefochtenen Erkenntnis abgeänderte und im übrigen bestätigte Erledigung der ABB enthält keinen solchen; der Name, ebenso wie die Anschrift der Beschwerdeführer kommt in dem bezeichneten Schriftstück der ABB nicht vor, auch der Name einer anderen Verfahrenspartei ist darin nicht enthalten. Daß die Erledigung ihrem Inhalt nach etwa offenkundig an die Beschwerdeführer gerichtet gewesen wäre, geht aus ihr nicht hervor. Besagtes Schreiben wurde dem damaligen Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zweifach je mit Rückschein am 13. November 1987 zugestellt. Wenn dabei der Name des Erstbeschwerdeführers auf dem einen und jener der Zweitbeschwerdeführerin auf dem anderen Rückschein angeführt wurde, ist dies für den Charakter des Schriftstückes, weil der Zustellnachweis keinen Bestandteil eines Bescheides bildet, rechtsunerheblich.
Da sich die Berufung der Beschwerdeführer daher jedenfalls aus diesem Grund gegen eine Erledigung richtete, welche nicht als Bescheid im Rechtssinn existent wurde, hätte die belangte Behörde die Berufung richtigerweise (ausdrücklich deswegen) als unzulässig zurückweisen müssen (siehe dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1990, S. 512 und die Rechtsprechung S. 530 f., ferner Walter-Mayer, a. a.O., Rz 447).
Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidcharakter Bescheidbegriff Abgrenzung zur Verordnung Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1988070072.X00Im RIS seit
11.07.2001