Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1) und
2) des H und der S, 3) der M, 4) und 5) des J und der F, alle in B, alle vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 15. Dezember 1988, Zl. 411.078/01-I4/88, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Österreichische Bundesbahnen - Generaldirektion), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.290,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 17. Juni 1988 erteilte der Landeshauptmann von Oberösterreich als Wasserrechtsbehörde erster Instanz der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei auf deren Ansuchen gemäß §§ 38, 99, 105, 111 und 121 WRG 1959 nach Maßgabe der bei der wasserrechtlichen Verhandlung am 17. November 1987 vorgelegenen und als solche gekennzeichneten Projektsunterlagen bzw. der in der dem Bescheid beigeschlossenen Verhandlungsschrift festgelegten Beschreibung die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die bereits erfolgte Errichtung der Trockensteinschlichtung von Bahn-km 6.380 bis Bahn-km 6.595 der Bahnstrecke X im Hochwasserabflußbereich des I-Baches.
Der Berufung der Beschwerdeführer gab der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 15. Dezember 1988 gemäß § 66 AVG 1950 nicht Folge. In der Begründung wurde im Rahmen der Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens darauf hingewiesen, daß im erstinstanzlichen Verfahren auf sachkundiger Grundlage festgestellt worden sei, es werde durch die Verbreiterung bzw. geringfügige Erhöhung des Bahndammes zu keiner merk- und meßbaren Verschlechterung der Hochwasserverhältnisse der westlich der Bahnstrecke liegenden Grundstücke kommen, während die Beschwerdeführer in der Berufung eine Verschlechterung der Situation im Hochwasserabflußbereich behaupteten und das erstattete Gutachten als falsch, nicht nachvollziehbar und unschlüssig bezeichneten. Sodann wurde auf die §§ 38 Abs. 1, 121 Abs. 1 sowie 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 Bezug genommen und dazu bemerkt, in der Bewilligungs- und Kollaudierungsverhandlung vom 17. November 1987 hätten der Erst- und Viertbeschwerdeführer lediglich erklärt, die Hochwassersituation habe sich nicht verbessert, obwohl sie seinerzeit der mitbeteiligten Partei Teile ihrer Liegenschaften abgetreten hätten; die beiden Genannten hätten sich hierauf mit dem Bemerken entfernt, daß sie nicht mehr bereit seien, Äußerungen abzugeben, und sich weitere Schritte im Rechtsmittelweg vorbehalten; eine Verletzung subjektiver Rechte hätten sie im Verfahren nicht behauptet. Der Bundesminister bezog sich sodann auf § 42 Abs. 1 AVG 1950 und stellte fest, Einwendungen der Beschwerdeführer gegen das bewilligte Projekt seien erst im Berufungsverfahren erhoben worden, weshalb das in der Verhandlung abgegebene Amtssachverständigengutachten nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg bekämpft werden könne. Im übrigen seien die Beschwerdeführer den gutachtlichen Äußerungen nicht auf gleicher Ebene entgegengetreten; die unbewiesenen Behauptungen von Laien könnten aber das schlüssige Gutachten eines Sachverständigen nicht entkräften.
Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, wobei sich die Beschwerdeführer nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf meritorische Entscheidung über ihre Einwendungen durch die zuständige Behörde verletzt erachten.
Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer vertreten die Ansicht, im Beschwerdefall wäre gemäß § 127 WRG 1959 die Eisenbahnbehörde zur Entscheidung zuständig gewesen; die bewilligte Trockensteinschlichtung stelle nämlich eine Maßnahme bzw. Eisenbahnanlage im Sinne des § 127 lit. b WRG 1959 dar.
Gemäß § 127 Abs. 1 WRG 1959 gelten für Eisenbahnbauten und Bauten auf Bahngrund, die nach den eisenbahnrechtlichen Vorschriften einer eisenbahnbaubehördlichen Bewilligung bedürfen und durch die öffentliche Gewässer oder obertägige Privatgewässer berührt werden, in Ansehung des Verfahrens und der Zuständigkeit nachstehende Grundsätze:
a) sind diese Bauten mit einer Wasserentnahme aus einem derartigen Gewässer oder mit einer Einleitung in ein solches verbunden oder bezwecken sie die Ausnutzung der motorischen Kraft des Wassers, so bedürfen sie im vollen Umfang der Wasserbenutzung einer besonderen wasserrechtlichen Bewilligung nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes;
b) in allen übrigen Fällen sind im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren auch die materiellrechtlichen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden. Zu diesem Zweck ist dem eisenbahnbehördlichen Ermittlungsverfahren (der politischen Begehung) ein Vertreter der Wasserrechtsbehörde als Kommissionsmitglied beizuziehen. Findet sich die Eisenbahnbehörde nicht in der Lage, der Stellungnahme dieses Kommissionsmitgliedes Rechnung zu tragen, so hat sie bei der Entscheidung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft vorzugehen.
Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist somit unter anderem, daß es sich bei dem betroffenen Vorhaben um einen Eisenbahnbau oder einen Bau auf Bahngrund handelt, der nach den eisenbahnrechtlichen Vorschriften einer eisenbahnbaubehördlichen Bewilligung bedarf. Diese Frage wurde im Verwaltungsverfahren durch eine Stellungnahme des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 31. März 1987 mit der Begründung verneint, daß im Beschwerdefall ein eisenbahnrechtliches Bauverfahren nicht anhängig sei und der damals noch projektierte Hochwasserschutzdamm - für den gleichfalls ein Ansuchen von der mitbeteiligten Partei gestellt, in der Folge aber zurückgezogen worden war - keiner eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung bedürfe. Diese Erklärung war ihrem rechtlichen Charakter nach und zudem in bezug auf die darin nicht genannte Trockensteinschlichtung für die Wasserrechtsbehörden nicht bindend.
Gemäß § 14 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes 1957 bedarf es bei Erweiterungs- und Erneuerungsbauten geringeren Umfanges sowie bei Abtragungen keiner eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung und keiner Betriebsbewilligung, wenn das Eisenbahnunternehmen diese Bauten unter der Leitung einer gemäß § 15 verzeichneten Person ausführt und Rechte oder Interessen Dritter durch das Bauvorhaben nicht berührt werden. Daß die nachträglich bewilligten Bauten nicht unter Leitung einer nach § 15 leg. cit. durch Fachkunde und praktische Betätigung im Eisenbahndienst ausgewiesenen Person durchgeführt woren wären, behaupten die Beschwerdeführer selbst nicht. Sie beziehen sich aber auf zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (VwSlg. 4178 sowie 4597) und leiten aus diesen den Charakter der Trockensteinschlichtung als einer Eisenbahnanlage
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offenbar meinen sie zugleich, keiner solchen "geringeren Umfanges" - ab. Abgesehen aber davon, daß beide genannten Erkenntnisse nicht zum Eisenbahngesetz 1957 ergangen sind, betraf das erstere einen bahneigenen Graben, also ein andersartiges Vorhaben, und ließe sich auch aus dem letzteren
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in dem der Charakter einer Eisenbahnanlage für die Ablagerungen von Gleisbettrückständen verneint wurde - nicht der Schluß ziehen, es könnte sich bei dem in Rede stehenden Bau nicht um einen solchen gemäß § 14 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes 1957 handeln.
Der Verhandlungsschrift vom 17. November 1987 zufolge wurden als von den durchgeführten Maßnahmen, nämlich der "Trockensteinschlichtung beiderseits des Bahnkörpers", betroffene Grundanrainer nur die Beschwerdeführer und eine weitere Partei (K.L., an deren Stelle K. und P.L.) angeführt. Diese Qualifikation ist unter dem Gesichtspunkt wasserrechtlicher Bestimmungen zu verstehen. Jene "Dritten", deren "Rechte oder Interessen" bei Anwendung des § 14 Abs. 3 des Eisenbahngesetzes 1957 "nicht berührt werden" dürfen, sind die in § 34 Abs. 4 dieses Gesetzes genannten, Parteistellung besitzenden Personen; außer dem Bauwerber werden dort die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften, die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasser- und die Bergwerksberechtigten aufgezählt, wobei als betroffene Liegenschaften nicht nur jene verstanden werden, die der Bau selbst in Anspruch nimmt, sondern auch solche, die in den Bauverbotsbereich (§ 38) oder in den Feuerbereich (§ 40) zu liegen kommen, ferner die, welche wegen ihrer Lage im Gefährdungsbereich (§ 39) Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen werden müssen. Zu diesen Personen zählen die Beschwerdeführer als Eigentümer von Liegenschaften, welche demgegenüber auch nach ihrem eigenen Vorbringen nur in anderer Hinsicht, nämlich von durch die Trockensteinschlichtung mitbeeinflußten Hochwässern berührt werden könnten, offensichtlich nicht. Daß die erwähnte weitere Partei (K.L.) der Art einer möglichen Berührung in ihren Rechten oder Interessen nach anders zu beurteilen wäre, ist nicht ersichtlich. Auch die angegebene Größenordnung der Wiederherstellungsarbeiten am Bahndamm lassen diese, für sich betrachtet, durchaus als solche geringeren Umfanges erscheinen.
Damit ist im Beschwerdefall nicht hervorgekommen, daß eine Zuständigkeit der Eisenbahnbehörde zu Unrecht für nicht gegeben angesehen worden wäre. Daraus folgt, daß sich im Gegenstand die Wasserrechtsbehörden als zur Entscheidung berufen betrachten konnten.
Worauf allerdings im Beschwerdefall die Zuständigkeit des Landeshauptmannes (§ 99 Abs. 1 WRG 1959) - statt der Bezirksverwaltungsbehörde (§ 98 Abs. 1 WRG 1959) - gestützt werden durfte, ist nicht erkennbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesen Umstand zum Anlaß einer Anfrage an die Parteien des Beschwerdeverfahrens gemäß § 41 Abs. 1 VwGG genommen, die von den Beschwerdeführern durch die Bezugnahme auf die von ihnen in der Beschwerde vertretene Rechtsansicht, von der belangten Behörde im Sinn einer Bejahung der Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde und von der mitbeteiligten Partei nicht beantwortet wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof gelangt bei den gegebenen tatsächlichen und rechtlichen Umständen zu dem Ergebnis, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Rechtslage insofern verkannt hat, als sie es unterließ, den erstinstanzlichen, unzuständigerweise vom Landeshauptmann erlassenen Bescheid aufzuheben, womit sie ihren eigenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat (siehe die Rechtsprechung bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 576 und 581 f.).
Der angefochtene Bescheid war deshalb, ohne daß auf das sonstige Beschwerdevorbringen eingegangen werden konnte, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2; Stempelgebühren für zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Gleichschriften konnten nicht vergütet werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989070028.X00Im RIS seit
12.11.2001