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66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;Norm
ASVG §35 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der R-GmbH in B, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. April 1989, Zl. SV-677/11-1989, betreffend Beitragsnachverrechnung und Dienstgebereigenschaft (mitbeteiligte Partei: Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4010 Linz, Gruberstraße 77), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 10. Oktober 1988 sprach die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, daß die beschwerdeführende Partei Dienstgeber sei und gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 58 Abs. 2 ASVG verpflichtet sei, für sechs namentlich genannte Dienstnehmer für die in der Beitragsrechnung vom 6. Juli 1988 angeführten Zeiträume (1. März bis 31. März 1988 bzw. 1. März bis 31. Mai 1988) allgemeine Beiträge in der Höhe von S 83.258,90 zu entrichten.
Nach der Begründung sei anläßlich der am 13. Juni 1988 vorgenommenen Beitragsprüfung festgestellt worden, daß die genannten Dienstnehmer während der in der angeschlossenen Beitragsrechnung angeführten Zeiträume nicht zur Sozialversicherung gemeldet gewesen seien. Die Eigentümerin des Hotels S, Z, habe in einer Niederschrift vom 30. März 1988 angegeben, ihren Betrieb an die Firma H-Aktiengesellschaft (in der Folge: H-AG) verpachtet zu haben. Sämtliche Dienstnehmer seien mit allen Rechten und Pflichten übernommen worden. Ab 1. März 1988 sei der Betrieb an die beschwerdeführende Gesellschaft weiterverpachtet worden. Z sei sowohl vom Pächter (H-AG) als auch vom Subpächter (beschwerdeführende Gesellschaft) als Geschäftsführer bestellt worden.
In einer Niederschrift vom 30. Mai 1988 hätten die Dienstnehmer im wesentlichen angegeben, daß sie ab 1. Jänner 1988 in einem Dienstverhältnis mit der H-AG und ab 1. März 1988 mit der beschwerdeführenden Gesellschaft stünden. Seitens der Pächter sei nie der ganze Lohn, sondern seien nur a conto-Zahlungen geleistet worden.
In mehreren, vom Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft, Dipl.Ing. Dr. B, unterzeichneten Stellungnahmen sei die Auffassung vertreten worden, daß die Pachtverträge nur aufschiebend bedingt geschlossen worden seien. Den vorliegenden Pachtverträgen vom 29. Dezember 1987 und vom 29. Februar 1988 sei jedoch zu entnehmen, daß diese Verträge unbedingt geschlossen worden seien und das Pachtverhältnis mit der H-AG am 1. Jänner 1988 und das Unterpachtverhältnis mit der beschwerdeführenden Gesellschaft am 1. März 1988 begonnen habe. Aus einer von Dipl.Ing. B verfaßten Strafanzeige vom 15. Juni 1988 gehe auch hervor, daß das Pachtverhältnis tatsächlich ausgeübt worden sei, was die Gültigkeit der Pachtverträge bestätige. Aus diesem Umstand und aufgrund der Aussagen der Dienstnehmer gehe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse davon aus, daß das Hotel S für Rechnung der beschwerdeführenden Gesellschaft geführt worden sei, womit deren Dienstgebereigenschaft gemäß § 35 ASVG begründet werde.
Die beschwerdeführende Partei erhob Einspruch.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der Gebietskrankenkasse bestätigt.
Nach der Begründung habe die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Einspruch lediglich die Rechtswirksamkeit der Pachtverträge bestritten. In einer Stellungnahme vom 13. Dezember 1988 habe sie angegeben, es sei ihre Absicht gewesen, das Hotel S zu pachten und zu führen. Dies sei ihr jedoch von der Verpächterin Z verwehrt worden. Es sei kein einziges Rechtsgeschäft auf Rechnung der beschwerdeführenden Gesellschaft geführt worden. Auch das Konto bei der Creditanstalt habe auf "Hotel S" gelautet. Die Dienstnehmer seien von der Beschwerdeführerin stets darauf hingewiesen worden, daß sie bei Z beschäftigt seien. In diesem Sinne hätten auch alle Dienstnehmer ihre Forderungen beim Insolvenzausgleichsfond angemeldet.
Über das Vermögen der Z sei mit Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 3. Mai 1988 der Konkurs eröffnet worden. Der Masseverwalter habe der Gebietskrankenkasse bekanntgegeben, daß während der kurzen Dauer dieses Verfahrens (3. Mai bis 22. Juni 1988) das Hotel überhaupt nicht betrieben worden, sondern stillgelegt gewesen sei.
Nach mehrmaliger Urgenz habe die beschwerdeführende Gesellschaft die Ablichtung eines Schreibens der H-AG an Z, datiert mit 29. Dezember 1987, sowie die Ablichtung von einem als Vertrag zwischen der H-AG und Z bezeichneten Schreiben vom 5. Jänner 1988 vorgelegt. Das Schreiben vom 29. Dezember 1988 enthalte zwar die Worte "aufschiebend bedingt", aber tatsächlich keine aufschiebende Bedingung. Die Rechtswirksamkeit der Pachtverträge vom 29. Dezember 1987 und 29. Februar 1988 werde weder durch das Schreiben vom 29. Dezember 1987 noch durch den Vertrag vom 5. Jänner 1988, mit dem eine Honorarvereinbarung für die Durchführung der Sanierung des Ses vereinbart worden sei, aufgeschoben. Die belangte Behörde habe auch Einsicht in die beim Kreisgericht Steyr als Arbeits- und Sozialgericht aufliegenden, die beschwerdeführende Gesellschaft betreffenden Akten genommen. Diese hätten im wesentlichen gleichlautende Klagen der Dienstnehmer, jedoch keinerlei Beweismittel enthalten. Die Kontobezeichnung "Hotel S" und die Behauptung, daß die Dienstnehmer ihre Forderung beim Insolvenzausgleichsfond angemeldet hätten, schließe eine Betriebsführung durch die Beschwerdeführerin keineswegs aus. Die Pachtverträge vom 29. Dezember 1987 und vom 29. Februar 1988 enthielten weder Bedingungen noch Vorbehalte. Die belangte Behörde gehe deshalb davon aus, daß diese Pachtverträge rechtswirksam gewesen seien und das Hotel S ab 1. März 1988 auf Rechnung der Beschwerdeführerin geführt worden sei.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 35 Abs. 1 ASVG lautet auszugsweise:
"§ 35. (1) Als Dienstgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer (Lehrling) in einem Beschäftigungs(Lehr)verhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist...."
Die Dienstgebereigenschaft im Sinne des § 35 ASVG ist in Abhängigkeit von der Beantwortung der Frage zu beurteilen, wer nach rechtlichen (und nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften berechtigt und verpflichtet wird, wen also demnach das Risiko des Betriebes im Gesamten unmittelbar trifft. Für die Dienstgebereigenschaft einer Person ist entscheidend, ob der betreffenden Person im Falle der Führung des Betriebes durch dritte Personen die rechtliche Möglichkeit einer Einflußnahme auf die Betriebsführung zusteht. Die rechtliche (und nicht faktische) Seite der Betriebsführung ist deshalb ausschlaggebend, weil das ASVG dem Dienstgeber im Sinne des § 35 ASVG vielfältig sanktionierte Pflichten in bezug auf das an ein Beschäftigungsverhältnis anknüpfende Versicherungsverhältnis und Leistungsverhältnis auferlegt, deren Erfüllung zumindest eine rechtliche Einflußnahme auf die Betriebsführung erfordert (vgl. das Erkenntnis vom 12. November 1991, Zl. 89/08/0262, mit Hinweis auf die Vorjudikatur).
Eine Person, die nicht Eigentümer eines Betriebes ist, kann dennoch als Dienstgeber angesehen werden, wenn der Betrieb auf ihre Rechnung und Gefahr geführt wird. Dies gilt etwa sowohl für den Pächter als auch für den Fruchtgenußberechtigten (vgl. das Erkenntnis vom 14. Oktober 1970, Zl. 695/70, VwSlg. 7.879/A).
2.2.1. Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht die Versicherungspflicht der Dienstnehmer und die sich daraus ergebende Beitragspflicht, sondern nur strittig, ob die beschwerdeführende Gesellschaft Beitragsschuldner im Sinne des § 58 ASVG ist. Gemäß § 58 Abs. 2 ASVG schuldet die Beiträge der Dienstgeber, sodaß die Dienstgebereigenschaft der Beschwerdeführerin als letztlich entscheidungswesentliche Vorfrage zu untersuchen ist. Die beschwerdeführende Gesellschaft bestreitet ihre Dienstgebereigenschaft im wesentlichen mit dem Argument, die Pachtverträge seien aufschiebend bedingt, weshalb sie im streitgegenständlichen Zeitraum keine Rechtswirkung entfaltet hätten. Zur Begründung dieser Auffassung wird auf das Schreiben der H-AG vom 29. Dezember 1987 und Punkt III des Pachtvertrages vom 29. Februar 1988 verwiesen. Nach dieser Bestimmung sei die Übernahme der Angestellten erst für den 15. Juni 1988 geplant gewesen.
2.2.2. Weder dem zwischen Z (Verpächter) und der H-AG (Pächter) am 29. Dezember 1987 abgeschlossenen Pachtvertrag noch dem zwischen der H-AG (Verpächter) "im eigenen Namen und in Vollmacht für Z" und der beschwerdeführenden Gesellschaft (Pächter) am 29. Februar 1988 abgeschlossenen Unterpachtvertrag ist eine aufschiebende Bedingung zu entnehmen. Nach Punkt II (Pachtdauer) des Pachtvertrages vom 29. Dezember 1987 beginnt der Pachtvertrag mit 1. Jänner 1988 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Nach Punkt II des Unterpachtvertrages vom 29. Februar 1988 beginnt der ebenfalls auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vertrag am 1. März 1988.
Das Vorbringen in der Beschwerde, wonach gemäß Punkt III des Unterpachtvertrages vom 29. Februar 1988 die Übernahme der Angestellten für den 15. Juni 1988 geplant sei, erweist sich als aktenwidrig: Dieser Punkt - ein gleichlautender Punkt ist auch im Pachtvertrag vom 29. Dezember 1987 enthalten - weist vielmehr folgenden Inhalt auf:
"III
Der Pächter verpflichtet sich, während der Pachtdauer für einen ordnungsgemäßen 3* bis 4* - Hotelbetrieb Sorge zu tragen, den Pachtgegenstand gut zu führen, Reparaturen zu leisten, für die ordnungsgemäße Bezahlung der Angestellten aufzukommen sowie alles zu tun und nichts zu unterlassen, was einen ordnungsgemäßen Kur- und Sporthotelbetrieb ermöglicht."
Das an Z gerichtet Schreiben der H-AG vom 29. Dezember 1987 lautet wie folgt:
"Sehr geehrte Frau Z,
in der Anlage übermitteln wir Ihnen den besprochenen Pachtvertrag, der unter den untenstehenden Voraussetzungen aufschiebend bedingt ist:
1.
Weder die Firma H noch die Firma R-GmbH.
als vorgesehene Unterpächterin
darf eine rückwirkende Haftung gegenüber staatlichen und ähnlichen Stellen und Organisationen treffen (Finanzamt, Gebietskrankenkasse, Energieversorgungsunternehmen, Telefon, Gemeinde).
2.
Wegen dieser aufschiebend bedingten Wirkung der Pachtverträge bleibt das Hotelpersonal bei Ihnen persönlich bis zur saisonbedingten Schließung des Hotels angemeldet; da anzunehmen ist, daß mit Wiedereröffnung Mitte Juni die Haftungsfragen sowie die Finanzierung und damit der Unternehmensfortbestand geklärt sind, soll die Wiedereinstellungsvereinbarung mit dem Personal für die Sommersaison schon über die Residence als Unterpächterin abgeschlossen werden."
2.2.3. Wenn sich die beschwerdeführende Gesellschaft zur Begründung ihrer Auffassung, daß die Pachtverträge aufschiebend bedingt gewesen seien und demnach im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März 1988 bis 31. Mai 1988 keine Rechtswirkungen entfaltet hätten, auf das Schreiben vom 29. Dezember 1987 beruft, so kann ihr dabei nicht gefolgt werden.
Das genannte, im Punkt 2.2.2. wiedergegebene Schreiben wurde Z im Zusammenhang mit dem am 29. Dezember 1987 abgeschlossenen Pachtvertrag übermittelt und besagt im wesentlichen, dieser Pachtvertrag sei unter der Voraussetzung "aufschiebend bedingt", daß weder die Firma H noch die Beschwerdeführerin "als vorgesehene Unterpächterin" eine rückwirkende Haftung gegenüber staatlichen und ähnlichen Stellen und Organisationen treffen dürfe. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß der zwei Monate später am 29. Februar 1988 zwischen H-AG "im eigenen Namen und in Vollmacht für Z" mit der Beschwerdeführerin abgeschlossene "Unterpachtvertrag" - zu dem es kein gleichartiges Begleitschreiben gibt - ebenfalls aufschiebend bedingt ist. Da dieser Vertrag (zwar) von der H-AG (jedoch auch) im Namen der Eigentümerin geschlossen wurde, handelt es sich dabei um einen unmittelbar zwischen der Beschwerdeführerin und Z zustandegekommenen Pachtvertrag, dessen Rechtswirksamkeit vom Bestehen eines ebensolchen Vertrages (vom 29. Dezember 1987) zwischen der H-AG und der Eigentümerin unabhängig ist.
Der Pachtvertrag vom 29. Februar 1988 ist daher mit dem im Vertrag genannten Datum "1. März 1988" rechtsverbindlich.
2.3. Aufgrund dieser Erwägungen kann die Auffassung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig erkannt werden, daß die beschwerdeführende Gesellschaft als Dienstgeber gemäß § 35 Abs. 1 ASVG verpflichtet ist, gemäß § 58 Abs.2 leg. cit. für die im Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse genannten Dienstnehmer für die in der angeschlossenen Beitragsrechnung angeführten Zeiträume (1. März bis 31. März bzw. 1. März bis 31. Mai 1988) allgemeine Beiträge in der Höhe von S 83.258,90 zu entrichten.
2.4. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
2.5. Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1989080168.X00Im RIS seit
24.03.1992