TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/24 91/05/0222

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Veröffentlicht am 24.03.1992
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
L82109 Kleingarten Wien;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO Wr §71;
BauRallg;
B-VG Art130 Abs2;
KlGG Wr 1979 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 3. Oktober 1991, Zl. MD-VfR-B XI-12 und 13/91, betreffend die Versagung einer nachträglichen Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bringt der Beschwerdeführer vor, daß auf der von ihm benützten Grundfläche ein vor Jahrzehnten errichtetes Kleingartenhaus bestehe, für welches er vom Wiener Magistrat einen Abtragungsauftrag erhalten habe. Er habe eine Fristerstreckung beantragt und am 22. Juli 1990 um eine nachträgliche Baubewilligung angesucht. Nach der Aktenlage langte allerdings ein mit 23. Juni 1989 datiertes Schreiben des Beschwerdeführers um Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung beim Wiener Magistrat erst am 27. März 1990 ein, wobei zu bemerken ist, daß dieses Ansuchen offensichtlich zunächst an die Streckenleitung Wien-Ost der Österreichischen Bundesbahnen gerichtet worden ist. Tatsächlich langte dieses Schreiben des Beschwerdeführers bei der zuständigen Abteilung des Wiener Magistrats am 22. Juni 1990 ein. In einer Stellungnahme der Planungsabteilung des Wiener Magistrats (MA 21) vom 28. Februar 1991 wurde darauf verwiesen, daß der bisher gültige Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Widmung Grünland-ländliches Gebiet mit der besonderen Bestimmung "von jeder Bebauung freizuhalten" vorsehe. Bis zum 9. April 1991 sei über dieses Gebiet eine Bausperre verhängt und derzeit würden Trassen für den Ausbau einer zweigleisigen Bahnverbindung diskutiert, von denen die gegenständlichen Grundflächen unmittelbar betroffen sein könnten. Im Hinblick auf die angestrebte rechtliche Sanierung des Gebäudebestandes bestehe seitens der MA 21 kein Einwand gegen die Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung gegen jederzeitigen Widerruf. Die Bewilligungswerber sollten aber auf die Verkehrsplanungen und die sich daraus eventuell ergebenden Konsequenzen hingewiesen werden.

Bei den Verwaltungsakten erliegt ferner ein nicht datierter Aktenvermerk über eine Besprechung vom 13. November 1990 zwischen dem Bezirksvorsteher und Beamten des Wiener Magistrats, wonach für bestehende Gebäude in diesem Bereich ohne Bezugnahme auf das Wiener Kleingartengesetz Bewilligungen gemäß § 71 der Bauordnung erteilt werden könnten, wenn eine bebaute Fläche von 25 m2 und eine Gebäudehöhe von 3 m nicht überschritten werde.

Nach Durchführung einer Bauverhandlung am 4. April 1991 versagte der Wiener Magistrat mit Bescheid vom 15. April 1991 die nachträgliche Baubewilligung gemäß §§ 70 und 71 der Bauordnung für Wien (BO). Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Grundfläche in einem Gebiet liege, für das der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Widmung Grünland-ländliches Gebiet vorsehe, und zwar mit der besonderen Bestimmung, daß diese Flächen von jeder Bebauung freizuhalten seien. Die Flächen würden jedoch seit vielen Jahren einer kleingärtnerischen Nutzung unterliegen, sodaß das Wiener Kleingartengesetz anwendbar sei. Eine Bewilligung nach § 70 BO komme keinesfalls in Betracht. Gemäß § 8 Abs. 1 des Wiener Kleingartengesetzes könne für Gebäude auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Grundflächen eine Bewilligung gemäß § 71 BO auf Widerruf erteilt werden, wenn das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als 15 v.H. der Fläche des Kleingartens, jedoch keinesfalls mehr als 16 m2 und die Gebäudehöhe nach Abs. 2 des zitierten Gesetzes maximal 2,20 m betrage. Da das auf den Bauplänen dargestellte Kleingartenhaus im Ausmaß von 5,00 m x 4,20 m weder dem ausgeführten Kleingartenhaus (5,27 m x 4,43 m) noch den im Kleingartengesetz normierten Abmessungen entspreche, hätte die nachträgliche Baubewilligung auch gemäß § 71 BO versagt werden müssen.

In seiner dagegen eingebrachten Berufung führte der Beschwerdeführer lediglich aus, daß von der Baubehörde in der Kleingartenanlage ÖBB-Fuchsbodengasse Sonderbewilligungen für maximal 25 m2 verbauter Fläche sowie eine Gebäudehöhe von "3 m festgesetzt" worden seien. Diese Gebäudehöhe werde durch sein Objekt nur um 50 cm überschritten. Aus diesem Grunde ersuche auch er um eine Sonderbewilligung.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die Bauoberbehörde für Wien die Berufung als unbegründet ab. Im wesentlichen wurde ausgeführt, daß das Haus auf einer Grundfläche errichtet worden sei, für die der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Widmung Grünland-ländliches Gebiet vorsehe, und zwar mit der besonderen Bestimmung, daß diese Flächen von jeder Bebauung freizuhalten seien. Obwohl die Grundfläche tatsächlich bereits jahrelang kleingärtnerisch genutzt werde, liege kein Beschluß der örtlich zuständigen Bezirksvertretung über die Zulässigkeit einer vorübergehenden kleingärtnerischen Nutzung vor. Selbst bei einer beschlossenen vorübergehenden kleingärtnerischen Nutzung wäre die Bewilligung zu versagen gewesen, da gemäß § 8 Abs. 1 des Wiener Kleingartengesetzes für vorübergehend kleingärtnerisch genutzte Grundflächen eine Bewilligung gemäß § 71 BO auf Widerruf nur dann erteilt werden könne, wenn das Ausmaß der bebauten Fläche nicht mehr als 15 v.H. der Fläche des Kleingartens, jedoch keinesfalls mehr als 16 m2 und die Gebäudehöhe nach Abs. 2 lit. c leg. cit. maximal 2,20 m betrage. Da es sich um kein vorübergehend genutztes Kleingartengebiet handle, bleibe einfach die Bauordnung anwendbar. Es scheine unsachlich und hätte negative Beispielswirkungen, wenn in Vollziehung der Bauordnung und außerhalb des Geltungsbereiches des Kleingartengesetzes nach § 71 BO mehr bewilligt würde, als selbst bei Beschluß der Bezirksvertretung über die vorübergehende Kleingartennutzung zulässig wäre.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten sowohl auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 71 der Bauordnung als auch auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften verletzt. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 71 der Bauordnung für Wien (BO) kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen.

Hinsichtlich der Ausnützbarkeit von Kleingärten bestimmt § 8 Abs. 1 des Wiener Kleingartengesetzes, daß das Ausmaß der bebauten Fläche gemäß § 80 Abs. 1 BO nicht mehr als 15 v.H. der Fläche des Kleingartens, jedoch keinesfalls mehr als 35 m2, auf vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Grundflächen nicht mehr als 16 m2 betragen dürfe. In die bebaute Fläche seien Nebengebäude (Werkzeughütten, Kleintierstallungen und dgl.) einzurechnen. Nebengebäude sind an das Kleingartenhaus anzubauen. Sind in den Bebauungsplänen Bestimmungen über die bauliche Ausnützbarkeit der Kleingärten enthalten, darf das Ausmaß der bebauten Fläche die in den Bebauungsplänen festgesetzten Ausmaße nicht überschreiten. § 69 der Bauordnung für Wien ist nicht anzuwenden.

Der Beschwerdeführer behauptet nun, daß er durch den angefochtenen Bescheid in seinem subjektiv-öffentlichen Recht auf gesetzeskonforme Anwendung des Ermessens verletzt worden sei. Da das Grundstück nach dem Flächenwidmungsplan nicht als Kleingartengebiet gemäß dem Wiener Kleingartengesetz gewidmet sei, sei das Kleingartengesetz unanwendbar. Tatsächlich habe die zuständige Baupolizeiabteilung des Wiener Magistrats zur Errichtung eines Holzhauses im Ausmaß von 25 m2 in dieser Kleingartenanlage eine Bewilligung erteilt. Die zuständige Behörde wisse seit über 30 Jahren, daß eine Kleingartenanlage auf diesem Grundstück existiere. Sie habe gegen diese Kleingartenanlage nie rechtliche Schritte unternommen und durch die jahrzehntelange Untätigkeit konkludent den Bestand der bestehenden Gebäude akzeptiert. Dadurch, daß die Baubehörde das Ansuchen eines (namentlich genannten) anderen Bauwerbers "ermessenskonform" bewilligt habe, beim Beschwerdeführer hingegen das Ermessen rechtswidrig zu seinen Ungunsten angewendet habe, sei er in seinen öffentlichen Rechten verletzt worden.

Der Beschwerdeführer hat zutreffend darauf verwiesen, daß eine Entscheidung nach § 71 BO nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Ermessensübung bedeutet (vgl. etwa das Erkenntnis vom 27. Oktober 1981, Zl. 81/05/0007). Die belangte Behörde hat nun den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß das Ausmaß der nach dem Kleingartengesetz maximal zulässigen Nutzung wesentlich überschritten worden sei und es negative Beispielswirkungen hätte, wenn in Vollziehung der Bauordnung und außerhalb des Geltungsbereiches des Kleingartengesetzes nach § 71 BO mehr bewilligt würde, als selbst bei Beschluß der Bezirksvertretung über die vorübergehende Kleingartennutzung zulässig wäre. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß diese Gründe für eine negative Ermessensübung nicht sachgerecht sind und somit die Ermessensentscheidung rechtswidrig erscheinen ließen. Ein tatsächlicher Bestand, auch durch Jahrzehnte, vermag aber nicht zu bewirken, daß das Ermessen stets positiv zu handhaben wäre, unabhängig von der gegebenen Rechtslage und vom jeweils vorliegenden Sachverhalt. Im Beschwerdefall ist Gegenstand des Bauansuchens ein 5 m langes und 4,20 m breites sowie 3,50 m hohes Gebäude mit einer Firsthöhe von 1,50 m, welches ein auf einer vorübergehend kleingärtnerisch genutzten Grundfläche zulässiges Gebäude sohin wesentlich überschreitet, sodaß auch dann, wenn von der tatsächlichen Nutzung der Grundfläche ausgegangen und diese mit einer zulässig erklärten Nutzung verglichen wird, das Maß der dann nach dem Kleingartengesetz zulässigen Nutzung wesentlich überschritten wäre. Ein solcher Vergleich ist im Hinblick auf die tatsächliche kleingärtnerische Nutzung keineswegs gesetzwidrig und vermag die Versagung der Baubewilligung mitzubegründen.

Soweit der Beschwerdeführer eine rechtswidrige Ermessensübung darin erblickt, daß einem anderen Bauwerber in der faktisch gegebenen Kleingartenanlage eine Baubewilligung erteilt worden ist, übersieht er, daß eine allenfalls rechtswidrige Ermessensübung in einem anderen Fall nicht bedeuten kann, daß auch im vorliegenden Fall das Ermessen rechtswidrig geübt werden müßte. Im übrigen hat er in seiner Berufung auf diesen Umstand nicht verwiesen, sodaß es sich hiebei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 VwGG) handelt.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die sohin unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991050222.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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