TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/24 91/05/0158

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Veröffentlicht am 24.03.1992
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art119a Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der N in X, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen die Niederösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht infolge Nichterledigung einer Vorstellung gegen einen Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Neunkirchen in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in Verbindung mit § 62 Abs. 2 VwGG und § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1976 wird der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Neunkirchen vom 19. November 1990, Zl. III/141-d/1989, keine Folge gegeben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 6.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Neunkirchen vom 9. Oktober 1989 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin "um Zuerkennung der Parteienstellung beim Bauverfahren, betreffend Abbruch von hofseitigen Nebengebäuden auf der Liegenschaft H, sowie Abbruch der ehemaligen Y-Betriebsstätte auf der Liegenschaft Z," unter Berufung auf § 118 der NÖ Bauordnung 1976 abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der erwähnten Gemeinde vom 13. Dezember 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 6. Juli 1990 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1976 Folge gegeben, dieser Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde Neunkirchen verwiesen.

Die Aufsichtsbehörde wies in der Begründung ihres Bescheides darauf hin, daß am 12. Juli 1989 auf Grund eines Antrages um Erteilung der Genehmigung zum Abbruch der ehemaligen Y-Betriebsstätte auf der Liegenschaft Z eine Bauverhandlung durchgeführt worden sei, zu welcher die Beschwerdeführerin nicht persönlich geladen worden sei, da ihr Grundstück nicht unmittelbar an die erwähnte Liegenschaft angrenze. Die Beschwerdeführerin sei von der Bauverhandlung durch Anschlag an der Amtstafel verständigt worden, zur Verhandlung jedoch nicht erschienen und habe gegen das erwähnte Vorhaben bis zu dem Tag vor Beginn der Verhandlung keine schriftlichen Einwendungen erhoben. Auf Grund der durchgeführten Bauverhandlung sei die Baubewilligung für den Abbruch der ehemaligen Y-Betriebsstätte mit Bescheid vom 20. Juli 1989 erteilt worden. Mit Schreiben vom 24. August 1989 habe die Beschwerdeführerin daraufhin eine Berufung gegen die Erteilung der Abbruchbewilligung erhoben. In der weiteren Begründung ihres Bescheides vertrat die Aufsichtsbehörde die Auffassung, daß nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein Feststellungsverfahren dann unzulässig sei, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen, gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahrens entschieden werden könne. Da im Berufungsverfahren gegen den erwähnten Bescheid vom 20. Juli 1989 über die fragliche Parteistellung abzusprechen sei, sei ein gesondertes Verfahren zur Feststellung der Parteistellung der Beschwerdeführerin nicht zulässig. Es hätte daher der Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung richtigerweise vom Bürgermeister als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Eine Sachentscheidung beeinträchtige im vorliegenden Fall die Rechte der Beschwerdeführerin insofern, als dadurch im Verfahren über die Abbruchbewilligung nicht mehr über die Parteistellung abgesprochen werden könne. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Neunkirchen müsse daher der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 9. Oktober 1989 Folge geben und diesen dahingehend ändern, daß der Antrag auf Feststellung der Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen werde.

Mit dem daraufhin ergangenen Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Neunkirchen vom 19. November 1990, Zl. III/141-d/1989, wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters der erwähnten Gemeinde vom 9. Oktober 1989 Folge gegeben und "der Bescheid dahingehend abgeändert, daß der Antrag auf Feststellung der Parteienstellung als unzulässig zurückgewiesen wird".

Die Berufungsbehörde ging - offensichtlich im Hinblick auf die Begründung des aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 6. Juli 1990 - davon aus, daß ein Feststellungsverfahren dann unzulässig sei, wenn die strittige Rechtsfrage im Rahmen eines anderen, gesetzlich vorgesehenen Verwaltungsverfahrens entschieden werden könne. Die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführerin sei bereits in jenem Verfahren behandelt worden, in welchem die Berufungsentscheidung des Gemeinderates vom 15. Oktober 1990 hinsichtlich der baubehördlichen Bewilligung zum Abbruch der erwähnten Y-Betriebsstätte ergangen sei.

Gegen diesen Berufungsbescheid hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30. November 1990 die Vorstellung eingebracht, welche bei der NÖ Landesregierung am 3. Dezember 1990 eingelangt ist.

In der am 31. Juli 1991 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die belangte Behörde bisher über die gegen den erwähnten Berufungsbescheid eingebrachte Vorstellung nicht entschieden habe, weshalb der Verwaltungsgerichtshof in der Sache entscheiden wolle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Da die Frist des § 27 VwGG im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Säumnisbeschwerde abgelaufen war, die belangte Behörde auch innerhalb der gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Frist den versäumten Bescheid nicht nachgeholt hat und auch die sonstigen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde gegeben sind, hat der Verwaltungsgerichtshof an Stelle der belangten Behörde über die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen jenen Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Neunkirchen zu entscheiden, welcher als Ersatzbescheid nach dem aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheid vom 6. Juli 1990 erlassen worden ist.

Der Umstand, daß dieser aufsichtsbehördliche Bescheid nach der Aktenlage bei keinem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpft worden ist, hat zur Folge, daß dessen tragende Aufhebungsgründe für das weitere Verfahren, also sowohl für die Berufungsbehörde, die Aufsichtsbehörde selbst, als auch den auf Grund der vorliegenden Säumnisbeschwerde an deren Stelle getretenen Verwaltungsgerichtshof verbindlich sind (vgl. zur bindenden Wirkung aufsichtsbehördlicher Bescheide: Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 2. Auflage, PRUGG-Verlag Eisenstadt, Seite 111 f.) Demgemäß hat auch der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Vorstellung davon auszugehen, daß ein gesondertes Verfahren zur Feststellung der Parteistellung der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf nicht zulässig ist, daß die Frage der Parteistellung der Beschwerdeführerin - bereits - Gegenstand jenes Verfahrens war, in welchem über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid vom 20. Juli 1989 zu entscheiden war. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich demnach auf die Prüfung zu beschränken, ob die Berufungsbehörde der im Bescheid vom 6. Juli 1990 geäußerten Rechtsansicht der Aufsichtbehörde entsprochen und demgemäß den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung ihrer Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen hat. Wie dem bereits in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung wörtlich wiedergegebenen Spruch des von der Beschwerdeführerin mittels Vorstellung bekämpften und entsprechend dem Vorbringen in der Beschwerde den alleinigen Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Berufungsbescheides zu entnehmen ist, wurde der Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Neunkirchen vom 9. Oktober 1989 "dahingehend abgeändert, daß der Antrag auf Feststellung der Parteienstellung als unzulässig zurückgewiesen wird". Mit dieser Entscheidung hat die Berufungsbehörde der Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde entsprochen, weshalb die Beschwerdeführerin durch diesen Berufungsbescheid nicht in ihren Rechten im Sinne des § 61 Abs. 4 der NÖ Gemeindeordnung 1973 verletzt worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hatte daher anstelle der säumig gewordenen belangten Behörde auszusprechen, daß der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den in Rede stehenden Berufungsbescheid keine Folge gegeben wird.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz im Rahmen des gestellten Antrages gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991050158.X00

Im RIS seit

24.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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