TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/24 89/07/0004

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Veröffentlicht am 24.03.1992
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Index

L66504 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
Flurbereinigung Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §1460;
ABGB §1488;
ABGB §1500;
ABGB §309;
ABGB §316;
ABGB §326;
ABGB §480;
ABGB §492;
ABGB §523;
AVG §56;
FlVfGG §34 Abs3;
FlVfGG §34 Abs4;
FlVfGG §34 Abs5;
FlVfLG OÖ 1979 §102 Abs1;
FlVfLG OÖ 1979 §102 Abs2 lita;
VwGG §48 Abs1 Z1;
VwGG §49 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und den Senatspräsidenten Dr. Salcher sowie die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde des J und der H in R, beide vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Oktober 1988, Zl. Bod-4119/5-1988, betreffend Dienstbarkeitsstreit (mitbeteiligte Parteien: M und P in R), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- und den beiden mitbeteiligten Parteien zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.570,-- jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Verordnung der Agrarbezirksbehörde X (ABB) vom 3. Juli 1981 war das Zusammenlegungsverfahren R eingeleitet worden.

Mit Bescheid vom 28. Jänner 1988 wies dieselbe Behörde den Antrag der Beschwerdeführer auf Feststellung, daß den nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Parteien hinsichtlich der Liegenschaft EZ 41, Grundstück 116, KG R kein Fahrtrecht zustehe, ab und stellte zugleich fest, daß zugunsten der Liegenschaft EZ 42 KG R im Eigentum der Mitbeteiligten auf dem bestehenden Weg auf Grundstück 116 KG R ein Geh- und Fahrtrecht mit solchen Fahrzeugen bestehe, die zur Bewirtschaftung und Erhaltung im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes üblicherweise verwendet würden; die ABB stützte sich dabei auf § 102 des

O.ö. Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 (O.ö. FLG 1979), LGBl. Nr. 73, § 1 AgrVG 1950, §§ 56 ff AVG 1950 sowie §§ 523 und 480 in Verbindung mit §§ 1460, 309, 316 und 326 ABGB.

Mit Erkenntnis des Landesagrarsenates beim Amt der Oberösterreichischen Landesregierung vom 13. Oktober 1988 wurde die Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 1 AgrVG 1950, § 66 Abs. 4 AVG 1950 sowie §§ 11 und 102 O.ö. FlG 1979 in Verbindung mit §§ 309, 316, 326, 480, 523 und 1460 ABGB abgewiesen. Begründend wurde nach Darlegung des bisherigen Verwaltungsgeschehens und Hinweis auf einen im Berufungsverfahren durchgeführten Ortsaugenschein ausgeführt:

Im vorliegenden Berufungsfall liege ein ausdrücklicher Parteienantrag (der Beschwerdeführer) auf bescheidmäßige Feststellung vor, daß den Antragsgegnern (den Mitbeteiligten) kein Fahrtrecht zustehe. Im erstinstanzlichen Verfahren hätten die Antragsgegner nachdrücklich die Ansicht vertreten, daß ihnen sehr wohl ein Fahrtrecht zustehe, und zwar auf Grund einer ersessenen Grunddienstbarkeit. Einen ausdrücklichen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung dieser Grunddienstbarkeit hätten sie allerdings nicht gestellt. Ob ein konkludent gestellter Feststellungsantrag die Erlassung eines Feststellungsbescheides rechtfertige, könne dahingestellt bleiben. Der Antrag der Beschwerdeführer, das Nichtbestehen eines Fahrtrechts festzustellen, sei mit dem Bescheid der ABB abgewiesen worden. Damit habe sich zwangsläufig die wichtige Frage nach dem Umfang des von der Behörde als existent beurteilten Fahrtrechts ergeben. Jedenfalls nehme der Landesagrarsenat - ebenso wie die ABB - ein substanzielles Feststellungsinteresse beider Seiten (Antragsteller und Antragsgegner) im Sinne einer rechtserheblichen Klärung der Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines Fahrtrechtes und darüber hinaus auch ein öffentliches Interesse an, da es sich um eine strittige Frage handle, die in einem anhängigen Zusammenlegungsverfahren aufgetreten sei und den Fortgang dieses Verfahrens beeinflusse. Würde die Frage des Rechtsbestandes und gegebenenfalls des Rechtsumfanges weiterhin strittig bleiben, wäre eine erhebliche Störung des Zusammenlegungsverfahrens zu befürchten. An dieser Stelle sei auch auf das mit Bescheid der ABB vom 11. Juni 1987 abgeschlossene Besitzstörungsverfahren hinzuweisen, in dem eine das strittige Fahrtrecht betreffende Besitzstörung durch die Beschwerdeführer rechtskräftig festgestellt worden sei. Laut Mitteilung der ABB sei auch bereits ein zweites Besitzstörungsverfahren anhängig gemacht worden. Weitere Besitzstörungsverfahren und damit Verzögerungen der Neuordnung im Zusammenlegungsverfahren seien nicht auszuschließen. Schließlich sei auch auf § 11 FLG 1979 zu verweisen, wonach die Agrarbehörde im ersten Abschnitt eines Zusammenlegungsverfahrens (nämlich bei der Erhebung des Besitzstandes) nicht nur die gegebenen Eigentumsverhältnisse an den einbezogenen Grundstücken zu erheben, sondern hiebei auch die Rechte dritter Personen zu berücksichtigen habe. Seien solche Rechte strittig, lägen nach Ansicht des Landesagrarsenates - und entgegen jener der Beschwerdeführer - die Voraussetzungen für die Erlassung eines entsprechenden Feststellungsbescheides bereits vor der Erlassung des Besitzstandsausweises und Bewertungsplans vor. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der eingeschrittenen ABB sei einwandfrei gegeben und werde auch von keiner Seite bestritten.

Westlich der Hofstelle der Beschwerdeführer verlaufe ein ca. 60 m langer und ca. 2,5 m breiter nicht-öffentlicher, unbefestigter Fahrweg (mit deutlich sichtbaren Fahrspuren), der ausgehend vom asphaltierten öffentlichen Weg 1351 (im Süden und Osten dieser Hofstelle) in Richtung Norden eine Verbindung zur Liegenschaft R 3 (der Mitbeteiligten) herstelle. Dieser Fahrweg führe über einen rund 40 m2 großen (dreiecksförmigen) Teil des Grundstücks 116 der Beschwerdeführer, ferner über einen ebenfalls 40 m2 großen (dreiecksförmigen) Teil des Grundstücks 117/3 (Eigentümer: Ü) und über einen ca. 80 m2 großen Teil des Grundstücks 118/2 (Eigentümer: H). In diesem Bereich stimmten die Grundgrenzen laut Katastermappe nicht mit den tatsächlichen und unstrittigen Grundgrenzen überein. Zugunsten des Grundstücks 118/2 (H) existiere ein nicht verbüchertes und für die Bewirtschaftung unerläßliches Geh- und Fahrtrecht bezüglich des über die Grundstücke 116 und 117/3 führenden Wegteils. Die Beschwerdeführer bestritten das Bestehen eines Fahrtrechts bezüglich des über Grundstück 116 führenden Wegteils zugunsten der Liegenschaft R 3 (Grundstücke 109/1, 109/2 und 111) und argumentierten, daß diese seit jeher ausschließlich durch den öffentlichen Weg 1349/1 (im Osten dieser Liegenschaft) erschlossen sei. Sie räumten lediglich ein, daß die Eigentümer der Liegenschaft R 3 früher fallweise den vorbeschriebenen nicht-öffentlichen Weg befahren hätten, dies aber jedesmal nach vorherigem Fragen und unter Erbringung einer Gegenleistung.

Bis zur Vergrößerung der Liegenschaft R 3 durch Grunderwerb mit Kaufvertrag vom 25. Mai 1957 sei die Zufahrt zu und die Abfahrt vom Wirtschaftstrakt dieser Liegenschaft mit mehrspurigen Fahrzeugen nur unter Inanspruchnahme des beschriebenen nicht-öffentlichen Fahrweges möglich gewesen. Dies ergebe sich vor allem aus den planlichen Darstellungen der alten Katastermappe und aus den Geländeverhältnissen sowie Gebäudestandorten. Die Liegenschaft R 3 liege zwar unmittelbar westlich des seit Jahrzehnten bestehenden öffentlichen Weges 1349/1, doch sei es auf Grund der Situierung des Hofgebäudes, der Geländeverhältnisse (Steilböschung in Richtung Weg) und der beengten Verhältnisse zwischen dem Hofgebäude und der nördlichen Grundgrenze (welche ebenfalls entlang einer Steilböschung verlaufen sei) technisch unmöglich gewesen, mit Wirtschaftsfuhren (insbesondere mit Erntefuhren von den außerhalb des Hofkomplexes gelegenen Grundstücken) vom Weg 1349/1 zum Wirtschaftstrakt des Hofes (welcher stets im Westen des Anwesens gelegen sei) zu gelangen. Da die Liegenschaft R 3 bereits im Jahr 1900 eine Gesamtfläche von

12.234 m2 umfaßt habe, wovon 7.242 m2 außerhalb des Hofkomplexes gelegen seien, stehe für den Landesagrarsenat fest, daß im Zeitraum 1900 bis 1957 die Bringung der im landwirtschaftlichen Betrieb gewonnenen landwirtschaftlichen Erzeugnise und die Heranschaffung der zur Bewirtschaftung erforderlichen Sachen über den nicht-öffentlichen Weg (auf den Grundstücken 116, 117/1 und 118/2) habe erfolgen müssen. Dieser Weg habe gewissermaßen die einzige mit mehrspurigen Fahrzeugen benützbare Zufahrt zum Wirtschaftstrakt der Liegenschaft R 3 dargestellt. Daraus sei denkmöglich zu folgern, daß die Wegbenützung nicht etwa bittweise (prekaristisch) ausgeübt worden sei. Eine bittweise Wegbenützung möge zwar bei einzelnen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken manchmal vorkommen, wäre aber im Fall einer einzigen Zufahrtsmöglichkeit für Wirtschafsfuhren zur Hofstelle unüblich, wenn auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Vermutung spreche jedoch eindeutig gegen eine Bittleihe. Es wäre äußerst ungewöhnlich, daß die Existenz eines Hofes jahrzehntelang vom Gutdünken eines benachbarten Grundeigentümers abhänge. Welche Motive für den Kaufvertrag vom 25. Mai 1957 ausschlaggebend gewesen seien, erscheine von sekundärer Bedeutung. Die Beschwerdeführer meinten, daß dieser Zukauf deshalb erfolgt sei, weil die damaligen Eigentümer der Liegenschaft R 3 genau gewußt hätten, daß sie kein Fahrtrecht auf der streitgegenständlichen Fahrt gehabt hätten. Der Landesagrarsenat teile nicht diese Ansicht. Es entspreche allgemeiner Erfahrung, daß viele Landwirte daran interessiert seien, den Manipulationsraum um die Hofstelle zu vergrößern und damit die Bewirtschaftungsverhältnisse zu verbessern. Auch bei Zusammenlegungsverfahren äußerten zahlreiche Landwirte anläßlich der Wunschaufnahme das Begehren, ihre Hofstelle möge im Zuge der Neuordnung vergrößert werden. Der Landesagrarsenat teile ferner die Beurteilung der ABB, daß der gesamte Transportbedarf des landwirtschaftlichen Betriebes R 3 zumindest seit dem Jahr 1900 über den nicht-öffentlichen Weg abgewickelt worden und hiebei eine durchschnittliche Benützungsintensität von ca. 25 bis 40 landwirtschaftlichen Fahrten im Jahr gegeben gewesen sei. Die erforderliche Ersitzungszeit sei nach Ansicht des Landesagrarsenates zumindest bereits im Jahr 1930 vollendet gewesen. Die Aussagen der sechs Zeugen bestätigten nach Ansicht des Landesagrarsenates, daß auch in der Zeit nach 1930 das bereits ersessene Fahrtrecht weiterhin ausgeübt worden sei. Die ABB hat der Aussage des Zeugen H - aus der sich eine regelmäßige Ausübung der fraglichen Dienstbarkeit ergebe - zu Recht eine besondere Bedeutung beigemessen, da das Grundstück 118/2 (H) durch die der Liegenschaft R 3 zustehende Grunddienstbarkeit belastet sei; der Weg führe nämlich in einer Länge von ca. 30 m über den östlichen Rand des Grundstücks 118/2. H könne daher nach Meinung des Landesagrarsenates keinerlei Interesse daran haben, eine Aussage zu machen, womit er indirekt auch die Belastung des Grundstücks 118/2 durch ein Fahrtrecht anerkenne. Auch die Ausssage des Altbürgermeisters S - im gleichen Sinn - erweise sich objektiv gesehen als schlüssig, widerspruchsfrei und von hohem Beweiswert. Zur Aussage der Zeugin F am 27. Juni 1986 vor dem Bezirksgericht I sei zu bemerken, daß sich diese Aussage auf einen 60 bis 65 Jahre zurückliegenden (bloßen) 3-Jahres-Zeitraum beziehe und das Erinnerungsvermögen an einen so lange zurückliegenden Sachverhalt im allgemeinen als gering zu beurteilen sei. Es erscheine auch nicht ausgeschlossen, daß F, St, W, L und T vor ihren Aussagen mit den Beschwerdeführern Kontakt aufgenommen hätten. Jedenfalls sei den Aussagen von Personen, die sich vor etlichen Jahren vorübergehend und teilweise nur kurzfristig in R aufgehalten hätten, ein geringerer Beweiswert beizumessen als den Aussagen der Zeugen S (geboren 1912) und H (geboren 1913), welche seit ihrer Geburt in unmittelbarer Nähe der Liegenschaften der Streitparteien wohnten und dadurch die örtlichen Verhältnisse über Jahrzehnte hindurch gut kennen müßten. Der von der ABB einvernommene Zeuge Ü (geboren 1941) sei ebenso wie der Zeuge H durch das streitgegenständliche Fahrtrecht belastet (und zwar als Eigentümer des Grundstücks 117/3); seine Zeugenaussage sei aber nicht widerspruchsfrei. Er habe zunächst ausgesagt: "Wenn die Fahrt von der Familie E (Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten) doch benützt wurde, so wurde bei uns nicht um Erlaubnis gefragt." Wenig später habe er hingegen geäußert:

"Wenn gefahren wurde, wurde aber auch bei meinem Vater um Erlaubnis gefragt." Schon dieser Widerspruch mache diese Zeugenaussage fragwürdig. Andererseits habe selbst Ü erklärt, daß bis zum Jahr 1957 ein Herumfahren um das Haus R 3 im Norden nicht möglich gewesen sei, und damit indirekt angegeben, daß für die Liegenschaft R 3 bis zum Jahr 1957 keine andere Fahrmöglichkeit für Wirtschaftsfuhren gegeben gewesen sei als über den nicht-öffentlichen Weg. Es sei zwar einzuräumen, daß die Wahrheitsfindung im vorliegenden Fall schwierig gewesen sei, weil es einander widersprechende Zeugenaussagen gegeben habe, doch zeige eine zusammenfassende Würdigung aller Beweisergebnisse, daß die Erstbehörde das Bestehen eines ersessenen Fahrtrechtes zu Recht bejaht habe.

Die in der Berufung als Beweis beantragten Fahrversuche im Norden der Liegenschaft R 3 erschienen nicht zielführend, weshalb der Landesagrarsenat davon Abstand genommen habe. Es sei nämlich erwiesen, daß bis zum Jahr 1957 der Abstand zwischen dem Wohngebäude R 3 und der nördlichen Grundgrenze so gering gewesen sei, daß kein mehrspuriges Fahrzeug diese Stelle habe passieren können. Vor allem habe dort eine steile Böschung bestanden, welche erst nach dem Grundzukauf beseitigt worden sei. Seither betrage der Abstand zwischen dem Hofgebäude und der nördlichen Grundgrenze 6,5 m; diese Breite reiche zweifellos aus, um dort mit mehrspurigen Fahrzeugen zu fahren. Für diese Feststellung habe es keiner Fahrprobe bedurft. In der Berufung werde weiters vorgebracht, daß der Hof R 2 der Beschwerdeführer im Jahr 1955 erheblich verkleinert worden und es zuvor wegen der damaligen Platzverhältnisse unmöglich gewesen sei, die gegenständliche Fahrt regelmäßig zu benützen. Diese Behauptung stehe selbst mit den Aussagen der von den Beschwerdeführern namhaft gemachten Zeugen im Widerspruch, die durchwegs von einer Wegbenützung durch Fahrzeuge auch vor dem Jahr 1955 ausgingen. Auch das Grundstück 118/2 (Eigentümer: H) könne und habe nicht anders als durch Zu- und Abfahren über den streitgegenständlichen Weg ordnungsgemäß bewirtschaftet werden können. Die von den Beschwerdeführern in diesem Zusammenhang beantragte Beischaffung eines Plans der Landwirtschaftskammer und die beantragte Freilegung der Fundamente eines abgerissenen Gebäudes würden somit als untaugliche Beweismittel beurteilt. Die Beschwerdeführer bestritten die Ersitzung eines Fahrtrechts auch mit dem Argument, daß während des zweiten Weltkrieges und in den darauffolgenden Jahren die angebliche Dienstbarkeit gar nicht habe ausgeübt werden können. Sie bezögen sich damit offenbar auf den Umstand, daß die Eigentümer der Liegenschaft R 3 in dieser Zeit keine eigenen Transportmittel für Wirtschaftsfuhren gehabt hätten. Aus mehreren unbedenklichen Zeugenaussagen ergebe sich aber, daß im fraglichen Zeitraum die Fuhrwerke anderer Landwirte von R für die Bewirtschaftung der Liegenschaft R 3 verwendet worden seien. Daß eine Bewirtschaftung 30 Jahre hindurch gänzlich unterblieben sei (woraus eine Freiheitsersitzung resultieren würde), hätten aber nicht einmal die Beschwerdeführer behauptet.

Der Erstmitbeteiligte habe bei der Berufungsverhandlung sinngemäß vorgebracht, daß der in Rede stehende nicht-öffentliche Weg bis zum Jahr 1970 gar nicht über das Grundstück 116 geführt habe; erst durch die im Jahr 1970 erfolgte Auflassung eines früher bestandenen öffentlichen Gutes und eine damit verbundene Änderung von Grundgrenzen sei ein Teil des Weges - bei unveränderter Trassenführung - auf eine kleine Teilfläche des Grundstücks 116 zu liegen gekommen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer habe hierauf verlangt, auch zu diesem - neuen - Vorbringen ein Beweisverfahren durchzuführen und gegebenenfalls zu prüfen, ob die Beschwerdeführer den fraglichen Grundstücksteil mit dem Wissen um das angeblich bestehende Fahrtrecht erworben hätten. Nach Ansicht des Landesagrarsenates handle es sich jedoch hiebei um keine entscheidungswesentlichen Fragen; sollte nämlich das Vorbringen des Erstmitbeteiligten tatsächlich zutreffen, könnten sich die Berufungswerber nicht auf den aus §§ 443 und 1500 ABGB resultierenden Grundsatz vom Vertrauen auf das Grundbuch berufen, weil der in der Natur bereits im Jahr 1970 unzweifelhaft vorhanden gewesene Weg (mit Fahrspuren) auf ein offenkundiges Fahrtrecht hingedeutet und somit gutgläubigen Erwerb ausgeschlossen habe. Sollte hingegen das Vorbringen des Erstmitbeteiligten nur eine unzutreffende Vermutung sein, gelte uneingeschränkt das bereits oben Gesagte. Daher halte es der Landesagrarsenat für entbehrlich, das erwähnte Vorbringen des Erstmitbeteiligten einem Beweisverfahren zu unterziehen.

Soweit im vorstehenden keine andere Beurteilung zum Ausdruck komme, schließe sich der Landesagrarsenat der ausführlichen Begründung des Bescheides der ABB an. Für die Wahrheitsfindung sei es nicht notwendig gewesen, das erstinstanzliche Beweisverfahren zu wiederholen und etwa die bereits einvernommenen Zeugen neuerlich zu vernehmen.

Lediglich zur Information der Parteien werde noch bemerkt, daß zufolge § 24 Abs. 1 O.ö. FLG 1979 in einem Zusammenlegungsverfahren auch ersessene Grunddienstbarkeiten ohne Entschädigung erlöschen würden und nur dann aufrechtzuerhalten (oder neu zu begründen) seien, wenn sie im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig wären, diese Gesetzesstelle aber erst im Verfahrensabschnitt betreffend den Zusammenlegungsplan, nicht schon in der Verfahrensstufe vor der Erlassung des Besitzstandsausweises anzuwenden sei, weshalb die vorliegende Berufungsentscheidung nichts darüber aussage, ob die streitgegenständliche Grunddienstbarkeit aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sei bzw. nach der umfassenden Neuordnung des Zusammenlegungsgebietes noch notwendig sein werde.

Dieses Erkenntnis wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten, wobei sich die Beschwerdeführer nach ihrem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Unterbleiben einer Feststellung des Bestehens der bezeichneten Dienstbarkeit verletzt erachten.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligten Parteien haben Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerde beantragten. Die Beschwerdeführer haben in einer ergänzenden Stellungnahme auf das Vorbringen der Mitbeteiligten erwidert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer bemängeln zunächst, daß über die Abweisung des von ihnen gestellten Antrages auf Feststellung des Nichtbestehens eines Fahrtrechtes zugunsten der Mitbeteiligten hinaus ohne einen dahin gehenden Antrag von den Agrarbehörden eine bescheidmäßige Feststellung über das Bestehen einer derartigen, nämlich der näher bezeichneten Dienstbarkeit getroffen worden sei. Die Beschwerdeführer stellen dabei zu Recht nicht in Abrede, daß es sich bei der Entscheidung - denn dies gilt bereits für den abweislichen Spruchteil - um eine solche im Rahmen der konzentrierten Zuständigkeit der Agrarbehörden nach § 102 Abs. 1 O.ö. FLG 1979 gehandelt habe. Es kann dabei aber auch nicht darüber hinweggesehen werden, daß der Antrag der Beschwerdeführer zu einem streitigen Verhältnis gegenüber den Mitbeteiligten geführt hat, welche das Eigentumsfreiheitsbegehren der Beschwerdeführer mit konkretem Vorbringen ihrer Rechtsposition bestritten haben. Verwaltungsbehördliche Feststellungsbescheide dürfen nun jedenfalls dann erlassen werden, wenn sie das Gesetz selbst vorsieht. Die im Beschwerdefall (im Zusammenhang mit dem Antrag der Beschwerdeführer) entstandene Streitigkeit über das Eigentum an in das Verfahren einbezogenen Grundstücken ist aber gerade einer der Fälle, der gemäß § 102 Abs. 2 lit. a O.ö. FLG 1979 (in Übereinstimmung mit dem Flurverfassungs-Grundsatzgesetz) die Zuständigkeit der Agrarbehörde zur Entscheidung begründet. Schon aus diesem Grund haftet der getroffenen Feststellung - die infolge Bejahung einer Dienstbarkeit auch deren Konkretisierung erforderte - die behauptete Rechtswidrigkeit nicht an.

Die Beschwerdeführer meinen des weiteren, die belangte Behörde habe zu Unrecht eine Ersitzung der in Rede stehenden Dienstbarkeit durch die Mitbeteiligten angenommen. Die Beschwerdeführer bekämpfen in diesem Zusammenhang jedoch die behördliche Beweiswürdigung, deren Überprüfung dem Verwaltungsgerichtshof nur in dem Umfang zugänglich ist, als jene unschlüssig oder die Sachverhaltsermittlung mangelhaft wäre (siehe die Rechtsprechung bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I, 1987, S. 406). Derartige Verstöße sind aber in der Beschwerde nicht aufgezeigt worden. Daß sich die belangte Behörde bei der hervorgekommenen Vielfalt widersprechender Aussagen vor allem auf jene Zeugen gestützt hat, die zu keiner der beiden Streitparteien in einem verwandtschaftlichen Verhältnis standen und seit ihrer Geburt in unmittelbarer Nähe der betroffenen Liegenschaften lebten, wobei einer Aussage wegen ihrer Widersprüchlichkeit minderes Gewicht beigemessen wurde, begegnet keinen Bedenken in der zuvor angegebenen Hinsicht. Der Vorwurf einer (bewußt) wahrheitswidrigen Aussage bestimmter Zeugen wurde - entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer - im angefochtenen Erkenntnis nicht erhoben; was dort mit dem Hinweis auf eine - vorsichtig formulierte - Möglichkeit ("erscheint auch nicht ausgeschlossen") einer Kontaktaufnahme gemeint wurde, ist offengeblieben, war aber, wie die gleich anschließenden Ausführungen deutlich machen, jedenfalls nicht für ausschlaggebend angesehen worden. Warum die belangte Behörde eine bloß prekaristische Wegbenützung für unwahrscheinlich gehalten und daher im Ergebnis ausgeschlossen hat, wurde ausreichend begründet. Auch der Zukauf eines Grundstreifens durch die Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten mußte sachverhaltsbezogen keineswegs, wie die Beschwerdeführer meinen, schon als - von der belangten Behörde (in unschlüssiger Weise) vernachlässigter - "Beweis" für die Annahme eines bloß prekaristischen Verhältnisses gelten.

Die Beschwerdeführer weisen ferner auf die Verjährung einer Dienstbarkeit durch Nichtgebrauch (§ 1488 ABGB) hin und halten diese Voraussetzung im Beschwerdefall deswegen für gegeben, weil bereits im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt worden sei, daß sich die Beschwerdeführer 1977 oder 1978 der Ausübung des Fahrtrechtes widersetzt hätten. Dazu ist zu bemerken, daß im Bescheid der ABB lediglich erwähnt wurde, die Mitbeteiligten seien "im Jahr 1977" von den Beschwerdeführern "beanstandet" worden (die Beanstandung im Jahr 1978 wurde dort als nicht die fragliche Fläche betreffend ausgegrenzt). Diese Feststellung geht auf eine Äußerung des Erstbeschwerdeführers am 16. April 1987 zurück, der im selben Zusammenhang weiter angegeben hat, die Rechtsvorgänger der Mitbeteiligten seien mit dem Argument, sie hätten ein ersessenes Recht, "dann auch weiterhin einfach gefahren". Verbote oder Drohungen genügen aber in diesem Zusammenhang nur, sofern sich der Berechtigte fügt, was im Beschwerdefall offensichtlich nicht geschehen ist; auch tritt die Verjährung nach § 1488 ABGB - die voraussetzt, daß "der Berechtigte durch drei aufeinander folgende Jahre sein Recht nicht geltend gemacht hat" -, soweit es auf die Widersetzung des verpflichteten Teils ankommt, nicht ein, wenn diese nicht fortwährend, also durch drei Jahre hindurch geschieht (siehe dazu Schubert in Rummel, Rz 2 zu § 1488). Der diesbezügliche Einwand in der Beschwerde erweist sich daher als ungerechtfertigt. Unter diesem Gesichtspunkt kommt auch der von den Beschwerdeführern bekämpften - keineswegs unbegründeten - Feststellung im angefochtenen Erkenntnis, die Ersitzung sei zumindest bereits im Jahr 1930 vollendet gewesen, bei dem im Beschwerdefall vorliegenden, von der belangten Behörde ohne erkennbare wesentliche Verfahrensmängel angenommenen Sachverhalt, dem zufolge die Ersitzungszeit (§ 1470 ABGB) jedenfalls verstrichen sein mußte, keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Die Beschwerdeführer sind schließlich der Ansicht, daß zu Unrecht nicht geprüft worden sei, ob bei Zutreffen des Vorbringens des Erstmitbeteiligten in der Verhandlung vor der belangten Behörde am 13. Oktober 1988, das für den Servitutsweg beanspruchte Flächenstück sei erst durch eine Änderung der Grundgrenzen im Jahr 1970 in das Eigentum der Beschwerdeführer übergegangen und vorher in Wahrheit öffentliches Gut gewesen, den Beschwerdeführern nicht der in § 1500 ABGB (in negativer Richtung) zum Ausdruck kommende Vertrauensgrundsatz zugute gekommen sei. Mit diesem Vorbringen werden aber einerseits die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis - mit denen einer möglichen Gutgläubigkeit im Hinblick auf die im Jahr 1970 als unzweifelhaft sichtbar bezeichneten Fahrspuren entgegengetreten wurde - nicht entkräftet, andererseits wird nicht berücksichtigt, daß in § 1500 ABGB davon gehandelt wird, daß demjenigen ein aus der Ersitzung erworbenes Recht zu keinem Nachteil gereichen kann, welcher "im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher" noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, die Beschwerdeführer in jenem angenommenen Fall aber gar keinen rechtsgeschäftlichen Erwerb getätigt hätten (vgl. Schubert in Rummel, Rz 1 zu § 1500), der sie - die von der behaupteten Grenzänderung keine Kenntnis hatten - erst dazu veranlassen hätte können, den Vertrauensgrundsatz in Anspruch zu nehmen.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2; StempelÜBERgebühren in der Höhe von S 90,-- sowie Portokosten konnten zugunsten der Mitbeteiligten als im Gesetz nicht begründet nicht zum Ersatz vorgeschrieben werden.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Schriftsatzaufwand Verhandlungsaufwand des Beschwerdeführers und der mitbeteiligten Partei Inhalt und Umfang des Pauschbetrages Stempelgebühren Kommissionsgebühren Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes Unrichtige Höhe der Stempelgebühren Erstattung bzw Notionierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989070004.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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