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44 ZivildienstNorm
B-VG Art144 Abs1 / SachentscheidungLeitsatz
Keine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung; keine Glaubhaftmachung des geltend gemachten Gewissensgrundes; vorsätzliches Fernbleiben des Beschwerdeführers von der mündlichen Verhandlung vor der ZivildienstoberkommissionSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Zur Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles verweist der Verfassungsgerichtshof auf die Entscheidungsgründe seines Erkenntnisses B673/85 vom 13. Dezember 1986 (VfSlg. 11200/1986), mit welchem der im ersten Rechtsgang erlassene Berufungsbescheid der Zivildienstoberkommission beim Bundesministerium für Inneres (ZDOK) wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung aufgehoben wurde. Die ZDOK, welche sohin über die ihr vorliegende Berufung neuerlich zu entscheiden hatte, beraumte für den 7. April 1987 eine mündliche Verhandlung an, zu welcher der Beschwerdeführer als Partei geladen wurde. Der Beschwerdeführer lehnte es jedoch ab, vor dem Senat zu erscheinen. Er begründete seine Weigerung in einem an die Kommission gerichteten Schreiben vom 23. März 1987, in dem er zunächst - aus seiner Sicht - das bisherige Verwaltungsgeschehen und den Inhalt des aufgrund seiner Verfassungsgerichtshofbeschwerde gefällten Erkenntnisses darlegte und sodann ausführte:
"Leider wurde meinen Gewissensgründen, obgleich auch in den Verhandlungen sehr wohl geäußert, erläutert und protokolliert, in den Bescheiden der ZDK und der ZDOK keineswegs angemessen Rechnung getragen, wiewohl ich mehrfach verschiedentlich zum Ausdruck gebracht habe, daß für mich die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens über allen anderen Dingen stehen müsse.
Am 13.3.1987 erhielt ich neuerlich eine Einladung, diesmal 7.4.d.J. vor der ZDOK zu erscheinen.
Da ich in zwei Verfahren in belegbar unobjektiver, meine Gewissensgründe unbeachtend lassender bzw. negierender Art und Weise behandelt worden bin und somit auf Grund meiner bisherigen Erfahrungen annehmen muß, auch in einer weiteren Verhandlung eine ebenfalls einseitige, mich persönlich herabsetzende, keinesfalls jedoch faire Behandlung zu erfahren, sehe ich rückblickend und unter den oben angeführten Aspekten weder die Notwendigkeit einer neuerlichen Verhandlung, noch die Veranlassung, einer solchen beizuwohnen."
Der Senat der ZDOK führte sodann die Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durch; der Akteninhalt sowie das zitierte Schreiben des Beschwerdeführers wurden verlesen.
2. Mit dem Bescheid vom 7. April 1987 gab die ZDOK der Berufung neuerlich keine Folge. Sie begründete ihre Entscheidung - nach dem Hinweis, daß sie wegen der Abwesenheit des Beschwerdeführers aufgrund der Aktenlage entschieden habe - folgendermaßen:
"Da die bisherigen schriftlichen und mündlichen Darlegungen des Antragstellers Bestandteil des Aktes sind, erübrigt es sich, sie in extenso (nochmals) wiederzugeben.
Zusammenfassend kann in Ansehung der darin behaupteten, einer Wehrdienstleistung entgegenstehenden Gewissensgründe dem Berufungswerber zugebilligt werden, daß er solche, den Voraussetzungen des §2 Abs1 ZDG entsprechende Gründe jedenfalls damit behauptete, daß er seine große Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben - und damit dessen besondere Hochschätzung - betonte, seine generelle Ablehnung innerer und äußerer Gewalt, seine Negierung jedweden Rechtes, fremdes Leben zu vernichten oder aufs Spiel zu setzen (Antrag vom 16.01.1985) zum Ausdruck brachte und er erklärte, es sei für ihn als Menschen unter Mitmenschen unvorstellbar, gegen einen seiner Nächsten Gewalt anzuwenden, auch wenn es aus militärischen Überlegungen noch so gerechtfertigt sei (Verhandlung vor der Zivildienstkommission am 20.03.1985), er sei unter keinen Umständen im Stande, Leben zu vernichten und es sei ihm absolut unmöglich, Gewalt gegen andere anzuwenden (Berufungsschrift) sowie daß er in der Berufungsverhandlung vom 04.06.1985 betonte, seiner Überzeugung nach habe kein Mensch das Recht, das Leben eines anderen zu gefährden oder einen anderen Menschen gar zu töten, woraus sich für ihn die Unmöglichkeit der Wehrdienstleistung mit der Waffe ergebe, da auch der Soldat eines fremden Heeres ein Recht auf Leben und Freiheit habe.
Mit der Behauptung schwerwiegender Gewissensgründe im Sinne des §2 Abs1 ZDG ist aber erst der erste Schritt zur Anerkennung als Zivildienstpflichtiger getan. Denn das Zivildienstgesetz (§6 Abs2) verpflichtet jeden Zivildienstwerber, die von ihm behaupteten Gründe auch glaubhaft, das heißt objektiv verständlich zu machen.
Da nun nach ständiger Judikatur der Zivildienstoberkommission die Beurteilung der Frage, ob dem betreffenden Antragsteller die Glaubhaftmachung der von ihm behaupteten Gründe gelungen ist, grundsätzlich nicht ohne Anhörung des Kandidaten erfolgen kann, zumal es die vorhandene Literatur im Zusammenhalt mit den veröffentlichten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes jedermann ermöglichen, eine dem Gesetz Genüge tuende Begründung eines Befreiungsantrages zu verfassen, mußte vorliegend der Berufung (abermals) ein Erfolg versagt bleiben, weil der Antragsteller - siehe oben - darauf verzichtete, die von ihm behaupteten Gründe durch seine Parteienaussage glaubhaft zu machen. Entgegen der von ihm im oben erwähnten Schreiben zum Ausdruck gebrachten Meinung kann nämlich anhand der bloßen Verlesung seiner Schriftsätze und der mit ihm aufgenommenen Protokolle durch den Senat die Frage, ob die von ihm angeführten Gewissensgründe einer gefestigten inneren Einstellung im Sinne einer in der Person verwurzelten echten Überzeugung entspringen, nicht beantwortet werden."
3. Gegen den im zweiten Rechtsgang erlassenen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung geltend macht und die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt.
II. Die Beschwerde ist nicht gerechtfertigt.
1. Der Verfassungsgerichtshof hat seine ständige Rechtsprechung zu dem durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht schon im eingangs angeführten Erkenntnis dargelegt, weshalb auch insoweit auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird.
Allerdings mißversteht der Beschwerdeführer die Entscheidungsgründe, wenn er annimmt, daß seine Angelegenheit schon zufolge des vom Verfassungsgerichtshof gefällten Erkenntnisses zu seinen Gunsten entschieden sei. Der Gerichtshof hat sich nämlich weder zur Eignung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe als Gewissensgründe noch zur Frage geäußert, ob die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gründe als glaubhaft gemacht anzusehen seien; die Aufhebung des ersten Berufungsbescheides ist vielmehr ausschließlich auf den Umstand zurückzuführen, daß der ZDOK schwerwiegende, in die Verfassungssphäre reichende Verfahrensfehler unterliefen.
Wenn der Beschwerdeführer der ZDOK anlastet, daß sie eine materiell-rechtlich unrichtige Entscheidung getroffen habe, so mißversteht er dagegen die Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides. Die Kommission nahm im Gegensatz zum Beschwerdevorwurf durchaus an, daß - im Sinne des Antragsvorbringens - ein an sich tauglicher, dh. im Fall der Glaubhaftmachung zur Wehrpflichtbefreiung führender Gewissensgrund vorliegt. Der Sache nach verneinte die ZDOK jedoch, daß der geltend gemachte Gewissensgrund glaubhaft gemacht sei, und bezog sich hiebei einerseits auf die in dieser Richtung bestehende, aus §6 Abs2 ZDG (- im übrigen schon unmittelbar aus §2 Abs1 ZDG -) erfließende Verpflichtung des Zivildienstwerbers und andererseits darauf, daß der Beschwerdeführer eine Beweiserhebung (hier im Sinne der Erhebung eines Bescheinigungsmittels verstanden) durch Vernehmung seiner Person als Partei infolge seines vorsätzlichen Fernbleibens von der Senatsverhandlung vereitelte. Dieser Auffassung der ZDOK kann der Verfassungsgerichtshof jedoch nicht entgegentreten; der Kommission ist (- wenn überhaupt eine Gesetzesverletzung -) jedenfalls kein gravierender Gesetzesverstoß im verfahrensrechtlichen Bereich anzulasten. Hat der Antragsteller nämlich von Gesetzes wegen das Vorliegen einer bestimmten subjektiven Überzeugung zu bescheinigen, so ist seine Vernehmung als Partei nahezu ausnahmslos das ausschlaggebende Mittel zur Feststellung, ob die behauptete innere Einstellung tatsächlich vorhanden ist; in der Weigerung, einen derartigen Beweis erheben zu lassen, liegt daher eine geradezu gezielte Verletzung der Pflicht zur Glaubhaftmachung. Die Ansicht des Beschwerdeführers, seine bisherigen Darlegungen im Verfahren enthöben ihn von der Pflicht einer weiteren Mitwirkung in diesem Sinn, ist verfehlt, weil die im Instanzenzug angerufene ZDOK eine eigenständige Sachentscheidung zu treffen, also sich selbst ein Bild davon zu machen hatte, ob die vorgebrachten Gewissensgründe glaubhaft sind. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, seine Vernehmung als Partei sei deshalb entbehrlich, weil der Senat der Kommission - bis auf zwei Mitglieder - mit jenem Senat personsgleich sei, welcher die erste Berufungsentscheidung gefällt hat, so ist dies schon deshalb unzutreffend, weil eine Beurteilung der in Rede stehenden Art notwendig voraussetzt, daß sämtliche Senatsmitglieder den erforderlichen persönlichen Eindruck vom Antragsteller gewinnen (s. hiezu zB VfSlg. 10587/1985).
Die übrigen Beschwerdevorwürfe gehen an dem eben dargestellten, hier maßgeblichen Umstand vorbei oder kritisieren den angefochtenen Bescheid überhaupt unter Zugrundelegung eines Inhaltes, den diese Entscheidung nicht hat. Nicht von Belang ist auch, daß der Beschwerdeführer seiner Beschwerde eine längere handschriftliche Darlegung seiner Gewissenshaltung beischloß; der Verfassungsgerichtshof hat nicht etwa eine Entscheidung in der Verwaltungssache nach Art einer Rechtsmittelinstanz zu treffen, sondern ausschließlich die Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides unter dem Aspekt verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie der Anwendung verfassungsmäßiger genereller Normen zu prüfen.
Die behauptete Verletzung des verfassunsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung hat somit nicht stattgefunden.
2. Das Beschwerdeverfahren ergab auch keinen Anhaltspunkt für die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Rechtsverletzung infolge der Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.
Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
III. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Aufhebung Wirkung, Verwaltungsverfahren, Beweise, Parteienvernehmung, ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B613.1987Dokumentnummer
JFT_10109074_87B00613_00