TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/25 91/03/0026

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Veröffentlicht am 25.03.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §16 Abs1 litc;
StVO 1960 §97 Abs5;
VStG §25 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dipl. Ing. Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. Dezember 1990, Zl. 11-75 Sa 9-90, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. Dezember 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 19. Februar 1989 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der B 146 in Fahrtrichtung Salzburg gelenkt und 1) um 16.40 Uhr bei Pruggern, Strkm. 33,5, das von einem Organ der Straßenaufsicht mit der Hand deutlich sichtbar gegebene Haltezeichen mißachtet, 2) um ca. 17.00 Uhr in Gleiming bei Strkm. 11,0 das von einem Organ der Straßenaufsicht mit einem rotlichtausstrahlenden Anhaltestab sichtbar gegebene Haltezeichen mißachtet und 3) um 17.05 Uhr bei Mandling bei Strkm. 9,6 einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw überholt, obwohl er nicht einwandfrei habe erkennen können, daß er sein Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen können würde, ohne dabei andere Straßenbenützer zu gefährden oder zu behindern, wodurch der Lenker des überholten Fahrzeuges zu einer Notbremsung gezwungen worden sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach zu 1) und 2) § 97 Abs. 5 StVO und zu 3) § 16 Abs. 1 lit. c StVO begangen, weshalb über ihn Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden. Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, die vom Beschwerdeführer gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis eingebrachte Berufung stütze sich im wesentlichen darauf, daß zwei namentlich genannte Zeugen im erstinstanzlichen Verfahren nicht einvernommen worden seien bzw. eine solche Einvernahme dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Weiters wird darin dargelegt, es habe die Behörde erster Instanz zu Recht in der Begründung ihres Bescheides dargelegt, daß auf Grund der einvernommenen Zeugen ohne Bedenken der dieser Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt als erwiesen angenommen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt, daß die von ihm beantragten Beweise - nämlich die Durchführung eines Ortsaugenscheines und die Einvernahme der beiden in seinem Fahrzeug mitfahrenden Zeugen - nicht aufgenommen wurden. Er habe den Ortsaugenschein zum Beweise dafür angeboten, daß der Meldungsleger keine Sichtweite von 900 m in westlicher Richtung habe haben können, da sich dort eine Fahrkuppe befinde. Die Aussagen der beiden mitfahrenden Zeugen hätten in Ansehung aller drei ihm zur Last gelegten Übertretungen wesentlich zur Klärung des Sachverhaltes beitragen können.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 25 Abs. 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

Weder die Erstinstanz noch die belangte Behörde haben sich mit den vom Beschwerdeführer zu seiner Entlastung angebotenen Beweisen auseinandergesetzt. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift dazu meint, daß die beantragten Zeugeneinvernahmen schon deshalb hätten entfallen können, weil sich die belangte Behörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente habe machen können, ist ihr zu entgegnen, daß - abgesehen davon, daß eine fehlende Begründung nicht in der Gegenschrift nachgeholt werden kann - die Behörde nicht - wie im Beschwerdefall - ausschließlich Belastungszeugen vernehmen und dann erklären darf, angesichts dieser Zeugenaussagen sei jede weitere Beweisaufnahme unerheblich. Vielmehr sind Belastungs- und Entlastungszeugen in gleicher Weise zu hören, soweit dies für die Klarstellung des Sachverhaltes erforderlich ist. Im Verwaltungsstrafverfahren darf von weiteren Erhebungen nur dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt soweit geklärt ist, daß die belangte Behörde auch dann zu keinem anderen Ergebnis in der Hauptsache gelangen könnte, wenn die beantragten Beweismittel das bestätigen würden, was der Beschuldigte unter Beweis stellt. Ein derartiger Sachverhalt liegt jedoch im Beschwerdefall nicht vor.

Durch die unterlassene Aufnahme der beantragten Beweise und die fehlende Begründung für ihre Ablehnung blieb nicht nur der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkte ergänzungsbedürftig, sondern wurden auch Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wobei sich eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen erübrigte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030026.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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