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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §184 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der V in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat V, vom 31. Mai 1990, GZ. 6/1-1432/87-08, betreffend Feststellung von Einkünften für die Jahre 1985 und 1986, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin war Kommanditistin der Firma K. & Co KG in Wien. Der unter anderem die Gewinnverteilung zwischen den Gesellschaftern regelnde § 7 des Gesellschaftsvertrages vom 25. April 1967 lautete:
"§ 7
Bilanz, Verteilung des Gewinnes und Verlustes
(1) Das Geschäftsjahr des Unternehmens ist ein Wirtschaftsjahr, welches mit dem Wirksamkeitsbeginn dieses Vertrages und dem gleichen Tage der darauffolgenden Jahre jeweils beginnt. Die Jahresabschlußrechnung (Bilanz mit Gewinn- und Verlustrechnung) ist jeweils bis längstens 5 (fünf) Monate nach Ende des Geschäftsjahres durch die persönlich haftende Gesellschafterin aufzustellen und allen Gesellschaftern zu übergeben.
(2) Der sich aus der Bilanz ergebende Reingewinn der Gesellschaft wird unter den Gesellschaftern wie folgt verteilt:
(a) Vorerst erhalten die Gesellschafter für ihre Einlagen auf Kapitalkonten eine Verzinsung von fünf (5) Prozent per anno.
(b) Sodann erhalten die Kommanditisten in jedem Geschäftsjahr einen Betrag von je S 120.000,-- (Schilling einhundertzwanzigtausend). Dieser, den Kommanditisten als fixe Beteiligung garantierte Reingewinnanteil wird unter Zugrundelegung des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalte (VPI I) wertgesichert. Er erhöht oder vermindert sich im gleichen Ausmaß, wie sich der für Dezember eines jeden Jahres verlautbarte Index zu jenem verhält, welcher für Juli 1965 mit 128,2 verlautbart wurde.
(c) Der nach Abzug des Gewinnanteiles der Kommanditisten gem. Abs. (b) verbleibende Gewinn fällt der persönlich haftenden Gesellschafterin zur Gänze zu.
(3) Sollte der den Kommanditisten garantierte Gewinnanteil im Jahresgewinn oder mangels eines solchen keine Deckung finden, so wird der fehlende Betrag im internen Verhältnis der Gesellschafter als Verlust der Gesellschaft verrechnet.
(4) An dem Verlust der Gesellschaft nehmen die Kommanditisten mit je 5 (fünf) Prozent, jedoch nur bis zur Höhe ihrer Haftungseinlage teil. Im übrigen werden die Verluste von der Komplementärin allein getragen."
Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 27. April 1987 wurde über das Vermögen der Kommanditgesellschaft der Konkurs eröffnet. Mit Beschluß vom 29. August 1988 wurde der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben.
Die Kommanditgesellschaft unterließ es, für die Jahre 1985 und 1986 Erklärungen über die Einkünfte aus Gewerbebetrieb abzugeben. Die Gewinne der Streitjahre wurden hierauf vom Finanzamt gemäß § 184 BAO im Schätzungsweg ermittelt. Die Einkünfte wurden für 1985 mit S 700.000,-- und für 1986 mit S 630.000,-- festgestellt. Der Anteil der Beschwerdeführerin an diesen Einkünften wurden für beide Jahre mit je S 600.000,-- ermittelt.
In der Berufung gegen diese Bescheide wurde beantragt, den Gewinnanteil der Beschwerdeführerin für 1985 mit S 300.000,-- und für 1986 mit S 0,-- festzustellen. Begründet wurde die Berufung damit, daß der Gewinnanteil für 1985 nur mehr zum Teil und für 1986 überhaupt nicht mehr ausbezahlt worden sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde begründete die Berufungsentscheidung damit, daß der Gesellschafter (einer Handelsgesellschaft) einen Gewinnanteil oder eine Vergütung nicht erst mit dem tatsächlichen Zufließen, sondern bereits mit dem Jahr bezogen hat, mit dem die Gesellschaft seinem Gewinn- bzw. Vergütungsanspruch Rechnung getragen hat.
Gegen diesen Bescheid werden Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Z. 2 EStG 1972 zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb die Gewinnanteile der Gesellschafter von Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind (wie insbesondere offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften) sowie die Vergütungen, die die Gesellschafter für ihre Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft, für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben.
Die belangte Behörde ist zwar im Recht, wenn sie die Auffassung vertritt, daß es im Rahmen der im Beschwerdefall nach den Bestimmungen des § 5 EStG 1972 (durch Schätzung nach § 184 BAO) vorzunehmenden Gewinnermittlung auf das Zufließen (vgl. § 19 EStG 1972) der der Beschwerdeführerin zuzuordnenden Einkünfte (Vorwegbezüge) nicht ankommt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bereits im Abgabenverfahren kann aber verständiger Weise nur so ausgelegt werden, daß es im Hinblick auf die äußerst schlechte Vermögenslage der Kommanditgesellschaft zur Leistung der Vorwegbezüge - teilweise ab dem Wirtschaftsjahr 1985 und vollständig im Jahre 1986 - nicht mehr gekommen ist. Steht aber im Zeitpunkt der Bilanzerstellung - im Beschwerdefall im Zeitpunkt der Bescheiderlassung, da es infolge des Insolvenzverfahrens zu Erstellung von Bilanzen zu den im Beschwerdefall maßgebenden Stichtagen nicht (mehr) gekommen ist - fest, daß die Vorwegbezüge nicht oder nicht in der der Abgabenfestsetzung zugrunde liegenden Höhe geleistet werden können, so kommt - wie hier bei der Ermittlung der Einkünfte im Wege einer Schätzung - der Ansatz der bloß im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Vorwegbezüge nicht in Betracht. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei davon auszugehen war, daß die Umsatzsteuer im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990130166.X00Im RIS seit
25.03.1992