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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §58 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des A in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. Juli 1991, Zl. Ib-182/92/91, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, als mit ihm der Beschwerdeführer einer Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 für schuldig erkannt, über ihn deswegen eine Verwaltungsstrafe verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben worden ist; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.560,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem näher genannten Ort ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt, obwohl er "sich nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befunden" habe, in der er "ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken bestehenden Rechtsvorschriften einzuhalten vermocht" hätte, indem er während der Fahrt eingeschlafen sei, und nach einem Verkehrsunfall, an welchem er ursächlich beteiligt gewesen sei, die zur Vermeidung einer Sachbeschädigung erforderlichen Maßnahmen nicht getroffen habe, indem er "die Reinigung der Fahrbahn durch auslaufendes Getriebeöl nicht veranlaßt" habe. Dadurch habe er Übertretungen nach § 58 Abs. 1 und nach § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen (Ersatzarreststrafen) verhängt.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Gerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 58 Abs. 1 StVO 1960 darf unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs. 1 ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag.
Die belangte Behörde nahm auf Grund der Verantwortung des Beschwerdeführers als erwiesen an, daß er während der Fahrt vor dem Verkehrsunfall eingenickt (= eingeschlafen) ist. Anhaltspunkte dafür, daß dabei auch ein vorangegangener Alkoholkonsum des Beschwerdeführers eine Rolle gespielt hätte, bestehen nicht. Die Anwendung des § 58 Abs. 1 StVO 1960 erfolgte unter diesem Aspekt zu Recht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1985, Zl. 85/18/0207).
Wenn ein Fahrzeuglenker während der Fahrt einschläft, steht damit auch fest, daß er sich beim Lenken des Fahrzeuges in einem im § 58 Abs. 1 StVO 1960 genannten Zustand befunden hat. Eine zum Einschlafen gegen den Willen des Betreffenden führende Müdigkeit kommt nämlich nicht so schnell, daß der Betreffende nicht seine Fahrt unterbrechen kann, um dem Gesetz Genüge zu tun. Eine Übertretung nach § 58 Abs. 1 StVO 1960 liegt auch dann vor, wenn die Müdigkeit erst während der Fahrt eingetreten ist bzw. ein Ausmaß angenommen hat, das zum Einschlafen gegen den Willen des Betreffenden führen kann, und der Fahrer dessenungeachtet seine Fahrt fortsetzte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1988, Zl. 88/11/0120).
Es kommt daher nicht darauf an, wie sich der Beschwerdeführer bei Antritt seiner Fahrt gefühlt hat. Seine Bestrafung nach § 58 Abs. 1 StVO 1960 erfolgte zu Recht.
2. Gemäß § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Unbestritten ist, daß an der Unfallstelle größere Verschmutzungen durch aus dem vom Beschwerdeführer gelenkten Pkw ausgetretenes Getriebeöl entstanden sind und daß der Beschwerdeführer nichts veranlaßt hat, um diese Gefahrenquelle für andere Straßenbenützer zu beseitigen.
Er hat sich damit verantwortet, daß er die Abschleppung seines beschädigten Fahrzeuges veranlaßt und die Unfallstelle von Glassplittern und Scherben gereinigt habe; ausgetretenes Öl habe er keines bemerkt.
Die belangte Behörde vertritt dagegen die Auffassung, daß der Beschwerdeführer beim Wegräumen der Splitter und Scherben auch das ausgetretene Öl hätte bemerken und erkennen müssen, daß sich dieses Öl auf Grund der Fahrbahnneigung über eine größere Fläche verteilen würde.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag die Schlüssigkeit dieser Annahme nicht zu beurteilen; dafür ist der Sachverhalt nicht genügend erhoben worden. Es fehlen konkrete Feststellungen darüber, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer den Unfallort endgültig verlassen hat, die Verschmutzung durch Öl erkennbar war. Dazu hätte es Ermittlungen bedurft, wann das genau war, wieviel Öl zwischen dem Unfall (um 4.30 Uhr) und diesem Zeitpunkt ausgetreten ist, in welcher Geschwindigkeit sich dieses Öl auf eine größere Fläche verteilen konnte, sodaß um 7.00 Uhr die Anzeige erstattet wurde, die Fahrbahn sei an der Unfallstelle stark verschmutzt, und wie die Lichtverhältnisse zu diesem in Rede stehenden Zeitpunkt waren. In diesem Zusammenhang verdient Beachtung, daß ein kraftfahrzeugtechnischer Sachverständiger in dem gegen den Beschwerdeführer durchgeführten Verfahren betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung zu dem Schluß gekommen ist, daß der Nachweis nicht eindeutig zu erbringen sei, daß der Ölaustritt für den Beschwerdeführer erkennbar war. Wieso daraus keine Schlüsse gezogen werden könnten, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift meint, ist nicht ersichtlich, konnte der Sachverständige doch die Erkennbarkeit des Ölaustrittes für den Beschwerdeführer weder bejahen noch verneinen. Entgegen der Argumentation in der Gegenschrift hat der Beschwerdeführer auch nie zugegeben, daß ihm bewußt war, damit rechnen zu müssen, daß Öl aus seinem Fahrzeug ausrinnen werde.
Daraus, daß die Unfallstelle um 7.00 Uhr stark verschmutzt war, daß der Beschwerdeführer ortskundig ist und daß er in der Lage war, Scherben und Splitter zu erkennen und von der Fahrbahn zu entfernen, läßt sich noch nicht schlüssig ableiten, daß dem Beschwerdeführer die Möglichkeit dieser Verschmutzung bekannt war oder bekannt sein mußte
Da der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf, war die Bestrafung des Beschwerdeführers nach § 4 Abs. 1 lit. b StVO 1960 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, im Rahmen des gestellten Begehrens. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen war und die Vorlage des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente; die für die überflüssig vorgelegten Unterlagen entrichteten Stempelgebühren konnten daher nicht ersetzt werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992020044.X00Im RIS seit
12.06.2001