TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/25 91/03/0155

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Veröffentlicht am 25.03.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §46;
VStG §25 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):91/03/0163

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des C in N, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in N, gegen die in einer gemeinsamen Ausfertigung ergangenen Bescheide 1) der Slbg LReg vom 30. April 1991, Zl. 9/01-34.046/1-1991, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung, und 2) des Landeshauptmannes von Salzburg vom 30. April 1991, Zl. 9/01-34.046/1-1991, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden, soweit damit der Beschwerdeführer Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung und dem Kraftfahrgesetz schuldig erkannt und bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.355,-- und der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.595,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 20. April 1990 wurden über den Beschwerdeführer u.a. (soweit es für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist) wegen als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws am 16. Februar 1990 gegen 1,35 Uhr in Salzburg auf der Strecke Griesgasse, Staatsbrücke, Schwarzstraße, Theatergasse und Makartplatz begangener Verwaltungsübertretungen nach a) § 99 Abs. 1 KFG, d) § 11 Abs. 2 StVO, h) § 53 Abs. 1 Z. 24 StVO,

j)

§ 36 lit. e KFG, k) § 102 Abs. 1 KFG (iVm § 4 Abs. 4 KDV),

l)

§ 64 Abs. 1 KFG und m) § 5 Abs. 1 StVO Geldstrafen von zu a)

S 400,-, d) S 300,--, h) S 400,--, j) S 500,--, k) S 200,--,

              l)              S 2.000,-- und zu m) eine Freiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt.

Am 25. Mai 1990 langte bei der Erstbehörde eine rechtzeitig erhobene Berufung des Beschwerdeführers ein.

Mit den nunmehr angefochtenen, in einer gemeinsamen Ausfertigung ergangenen Bescheiden der Salzburger Landesregierung (in Ansehung der in ihren Vollzugsbereich fallenden Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung) und des Landeshauptmannes von Salzburg (in Ansehung der in seinen Vollzugsbereich fallenden Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz) wurde der Berufung hinsichtlich dieser genannten Übertretungen nicht Folge gegeben, jedoch im Hinblick auf vorgenommene Modifizierungen die Absprüche zu den unter

d) (auf Seite 3 des angefochtenen Bescheides einmal unzutreffend mit a) bezeichnet), k) und m) genannten Übertretungen neu gefaßt, darunter zu Punkt d) eine - unter Anwendung derselben Strafdrohung wie im Straferkenntnis erster Instanz - eine Geldstrafe von S 400,-- (gegenüber S 300,-- im Straferkenntnis erster Instanz) verhängt. Hinsichtlich der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht bedeutsamen Übertretungen zu b), c), e), f), g) und i) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde der Berufung Folge gegeben und das Verfahren eingestellt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer bestreite, das Fahrzeug gelenkt zu haben. Er habe es schon 10 Tage vorher an einer anderen Stelle abgestellt und die Schlüssel einem Bekannten übergeben, da er keine Lenkerberechtigung mehr besessen habe, um das Fahrzeug abzumelden. Er habe sich bis ca. 1 Uhr im Lokal P. aufgehalten und sei dann zu Fuß ins Lokal M. in der Steingasse gegangen, was seine Schwester Daniela Z. bezeugen könne. Es werde den Angaben (der auch als Zeugen vernommenen) beiden Polizeibeamten gefolgt, die das Fahrzeug zunächst anzuhalten versucht hätten. Sie hätten es zwar bei der Verfolgung aus den Augen verloren, aber später vor dem Haus Makartplatz 8 abgestellt gefunden. Um ca. 2,45 Uhr sei der Beschwerdeführer von den Polizeibeamten als Fußgänger im Bereich der Staatsbrücke auf Grund seines Aussehens als vermutlicher Lenker des Fahrzeuges zur Tatzeit (1,35 Uhr) aufgegriffen worden. Deshalb und da der Beschwerdeführer der Zulassungsbesitzer sei, er habe sich auch der Alkomatuntersuchung (die positiv verlaufen sei) unterzogen und diese nicht etwa unter Hinweis auf seine mangelnde Lenkereigenschaft verweigert, sei von seiner Lenkereigenschaft zur Tatzeit auszugehen, zumal auch die Schwester (als Zeugin) nicht auszuschließen vermocht habe, daß der Beschwerdeführer anläßlich des Lokalwechsels mit seinem Auto unterwegs gewesen sei. Die mit Eingabe vom 23. April 1991 beantragte Vernehmung der Zeugen Hubertus M. und Stefan J. sei im Hinblick auf die Frist des § 51 Abs. 5 VStG zu spät erfolgt. Es habe auch keiner näheren Prüfung, ob sich Andreas W. tatsächlich im Besitz des Fahrzeugschlüssels befunden habe, bedurft, da damit der Besitz eines zweiten Schlüssels nicht ausgeschlossen gewesen sei und Andreas W. nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers ihm gegenüber das Lenken zur Tatzeit nicht zugegeben habe. Es folgen Ausführungen zu den einzelnen Delikten, wobei u.a. auf drei einschlägige Vorstrafen wegen § 5 Abs. 1 StVO verwiesen wurde.

Gegen diese Bescheide, und zwar soweit damit der Beschwerdeführer schuldig erkannt und bestraft wurde, richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangten Behörden haben die Akten der Verwaltungsstrafverfahren vorgelegt und in der von ihnen gemeinsam erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft mit seinem Vorbringen im wesentlichen die Feststellung der belangten Behörden, er sei der Lenker des Fahrzeuges zur Tatzeit gewesen, indem er deren Beweiswürdigung rügt und in diesem Zusammenhang die Unterlassung der Aufnahme weiterer beantragter Beweise geltend macht.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers kommt Berechtigung zu.

Unter Bezugnahme auf das gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichtete Beschwerdevorbringen ist zu bemerken, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d.h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0034).

Die belangten Behörden haben die maßgebende Feststellung, daß der Beschwerdeführer das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt hat (im wesentlichen) auf die Aussagen der beiden einschreitenden Polizeibeamten gestützt. Den belangten Behörden ist zwar zuzubilligen, daß schwerwiegende Verdachtsmomente für eine Täterschaft des Beschwerdeführers bestehen. Der Beschwerdeführer hat jedoch von allem Anfang an, auch schon gegenüber den einschreitenden Beamten, bestritten, der Lenker gewesen zu sein und in der Berufung verschiedene Entlastungsbeweise angeboten. Es wurde jedoch lediglich seine Schwester als Zeugin vernommen, die zwar dem Beschwerdeführer kein eindeutiges Alibi gab, aber jedenfalls die Richtigkeit eines Teiles seiner Verantwortung bestätigte. Die vom Beschwerdeführer in der (nach Gewährung von Parteiengehör rechtzeitig erstatteten) schriftlichen Stellungnahme vom 23. April 1991 - nunmehr unter Anführung von Namen und Adressen - genannten Entlastungszeugen wurden von den belangten Behörden unter Hinweis auf den bevorstehenden Ablauf der Jahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG (als verspätet eingebrachter Beweisantrag) nicht mehr gehört. Dem vermag jedoch der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Da der Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 23. April 1991 am 25. April 1991 bei den belangten Behörden einlangte und die Jahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG erst am 25. Mai 1991 endete, wäre es durchaus möglich und damit auch Aufgabe der belangten Behörden gewesen, alle drei namhaft gemachten Zeugen (mit Anschriften in der Stadt Salzburg) kurzfristig zu befragen. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß die belangten Behörden, obwohl die Berufung des Beschwerdeführers bereits am 25. Mai 1990 bei der Behörde erster Instanz einlangte, beinahe ein halbes Jahr lang untätig blieben und erst mit Schreiben vom 6. November 1990 die Erstbehörde um weitere Ermittlungen ersuchten, wobei unterlassen wurde, den Beschwerdeführer aufzufordern, sogleich die von ihm in Aussicht genommenen Entlastungszeugen näher zu bezeichnen, wie er dies dann im Schriftsatz vom 23. April 1991 getan hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1972, Zl. 2153/71, wiedergegeben in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., E 17 zu § 25 Abs. 2 VStG, S. 849). Auch wäre die am 28. März 1991 dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs eingeräumte Frist von vier Wochen wegen der Frist des § 51 Abs. 5 VStG kürzer zu bemessen gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Ansicht der belangten Behörden nicht zu teilen, es spreche insbesondere auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer sich nach seiner über eine Stunde nach der Tatzeit erfolgten Betretung nicht geweigert habe, die Alkomatuntersuchung durchzuführen, für seine Täterschaft, zumal er ja schon den Beamten gegenüber erklärte, nicht der Lenker gewesen zu sein. Die Ausführungen der belangten Behörde, warum es der Vernehmung jener Person, der der Beschwerdeführer die Autoschlüssel schon Tage vor der Tatzeit übergeben haben will, nicht bedurfte, beinhaltet im übrigen eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung. Des weiteren läßt, was vom Beschwerdeführer mit Recht gerügt wird, die Zeugenvernehmung der beiden Polizeibeamten nähere Aussagen darüber, auf Grund welcher konkreter Merkmale sie zur Überzeugung gelangten, daß es sich bei dem rund eine Stunde nach der Tat aufgegriffenen Beschwerdeführer um den Fahrzeuglenker gehandelt habe, vermissen, wozu noch kommt, daß es in einem solchen Fall angezeigt ist, die Zeugen getrennt zu befragen.

Da somit der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Aufklärung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangten Behörden zu einem anderen Bescheid hätten kommen können, waren daher die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Es erübrigte sich daher ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Des weiteren hat die Salzburger Landesregierung ihren angefochtenen Bescheid in Ansehung des Strafausspruches betreffend Übertretung wegen § 11 Abs. 2 StVO (Punkt d) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) insofern mit Rechtswidrigkeit belastet, als sie bei der Modifizierung des diesbezüglichen Abspruches über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 400,-- verhängte, während der Ausspruch der Behörde erster Instanz auf S 300,-- lautete (Verstoß gegen den Grundsatz des Verbotes der reformatio in peius).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, beschränkt durch die vom Beschwerdeführer beantragte Höhe.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Beweismittel ZeugenVerfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragVerfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030155.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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