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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelbLeitsatz
Festnahme des Beschwerdeführers wegen Verdachts des Ladendiebstahls, Durchsuchung seines PKW sowie Beschlagnahme von Gegenständen, die im PKW und der Wohnung des Beschwerdeführers gefunden wurden; Zulässigkeit der Beschwerde bis zur Erlassung einer richterlichen Verfügung; keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit; keine Verletzung des Eigentumsrechts; Unzulässigkeit der gegen die Art der Anhaltung gerichteten Beschwerde wegen fehlender Erweislichkeit der VorgängeSpruch
Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß er am 14. März 1986, ungefähr 10,40 Uhr, von Organen der Bundespolizeidirektion Wien festgenommen und bis 15. März 1986, ungefähr 11,50 Uhr, angehalten wurde, sowie dadurch, daß Organe der Bundespolizeidirektion Wien am 14. März 1986 seinen Pkw durchsuchten und Gegenstände beschlagnahmten, welche sich im Pkw und in seiner Wohnung befanden, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit 10.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde wendet sich der Einschreiter gegen die später im einzelnen angeführten Amtshandlungen von Sicherheitswachebeamten der Bundespolizeidirektion Wien, in denen er der Bundespolizeidirektion zuzurechnende Akte verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erblickt. Der Beschwerdeführer stellt das Begehren,
"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, daß ich durch die Inhaftnahme in der Zeit vom 14. bis 17.3.1986 durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien, insbesondere durch Art und Dauer der Inhaftierung, sowie durch die ohne richterlichen Befehl erfolgte Hausdurchsuchung und Beschlagnahme vom 14.3.1986 in meinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit, Unverletzlichkeit des Hausrechtes, sowie des Rechtes auf Brief- und Schriftengeheimnis verletzt wurde."
2. Namens der belangten Bundespolizeidirektion Wien legte die Finanzprokuratur die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1.a) Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit erachtet sich der Beschwerdeführer deshalb verletzt, weil er am 14. März 1986 von Sicherheitswachebeamten in der Filiale der Fa. L in Wien 16 wegen des Verdachtes verhaftet wurde, Videokassetten und Magnetophonbänder gestohlen zu haben, sowie weil er länger als 48 Stunden in polizeilicher Verwahrungshaft angehalten worden sei, ohne dem zuständigen Gericht vorgeführt zu werden.
b) Wie aufgrund des im wesentlichen übereinstimmenden Parteienvorbringens im Zusammenhalt mit dem Inhalt der Verwaltungsakten sowie des vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Aktes AZ 5a Vr 3436/86-Hv 4826/86 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien feststeht, wurde der Beschwerdeführer am 14. März 1986 gegen 10.00 Uhr in der Filiale der Firma L in Wien 16 von einem Privatdetektiv beobachtet, als er sich 12 Videokassetten sowie 18 Magnetophonbänder (im Gesamtwert von rd. 1.800 S) in der Weise zueignete, daß er die Kassetten in Waschmitteltrommeln verbarg und an der Kasse bloß die Waschmittel bezahlte. Der Privatdetektiv (welcher gegen den Beschwerdeführer bereits anläßlich früherer Einkäufe den Verdacht auf Diebstähle hegte, damals jedoch keine Nachweismöglichkeit annahm) hielt den Beschwerdeführer an und veranlaßte die Verständigung der Polizei. Die etwa um 10,35 Uhr einschreitenden Sicherheitswachebeamten nahmen den Beschwerdeführer um etwa 10,40 Uhr wegen Betretung auf frischer Tat sowie wegen Verdunkelungsgefahr fest und überstellten ihn in das Wachzimmer und sodann in den Arrest des Bezirkspolizeikommissariates Ottakring.
c) Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer (welcher mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. Juli 1986 - ua. im Hinblick auf den erwähnten Diebstahl - wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde) bereits früher begangener Diebstähle verdächtigt wurde, erscheint nach der Lage des Falles die Annahme der einschreitenden Sicherheitswachebeamten nicht unvertretbar, daß der Beschwerdeführer des gewerbsmäßigen Diebstahls verdächtig war. Da er rund eine halbe Stunde, also unmittelbar nach Begehung der Tat, glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt und mit den vom Diebstahl herrührenden Kassetten betreten wurde, lag der Festnehmungsgrund des §175 Abs1 Z1 iVm §177 (§10 Z1) StPO vor.
d) Wie aus dem schon bezogenen Akt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien hervorgeht, erließ der Untersuchungsrichter dieses Gerichtes am 15. März 1986 gegen den Beschwerdeführer einen Haftbefehl, der dem Bezirkspolizeikommissariat um ungefähr 11,50 Uhr fernmündlich bekanntgegeben wurde. In Ansehung dieses Haftbefehls ist die über den genannten Zeitpunkt hinausgehende Anhaltung des Beschwerdeführers nicht mehr der belangten Behörde zuzurechnen, weil sie auf einer gerichtlichen Verfügung beruht.
e) Die Beschwerdebehauptung, der Beschwerdeführer sei länger als 48 Stunden in polizeilichem Gewahrsam angehalten worden, trifft nicht zu; aus dem Akt des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ergibt sich vielmehr, daß er am 16. März 1986 um 9.00 Uhr in das Gefangenenhaus des Landesgerichtes für Strafsachen Wien eingeliefert wurde.
f) Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Verhaftung des Beschwerdeführers und seine darauffolgende (insbesondere durch weitere Erhebungen sowie eine Hausdurchsuchung und eine Durchsuchung seines Pkws bedingte) Anhaltung bis zur Erlassung des richterlichen Haftbefehls richtet, als zulässig, aber nicht als gerechtfertigt erweist. Im übrigen, nämlich soweit mit ihr die Anhaltung nach Erlassung des richterlichen Haftbefehls sowie die angeblich verspätete Einlieferung an das zuständige Gericht bekämpft wird, erweist sich die Beschwerde als unzulässig.
2. Mit der vorliegenden Beschwerde wendet sich der Einschreiter weiters gegen die Art der Anhaltung. Er behauptet, daß er von Sicherheitswachebeamten mißhandelt sowie daß während der Anhaltung ihm keine Nahrung verabreicht und ihm das Aufsuchen der Toilette nicht ermöglicht worden sei.
Diese Vorwürfe (ausgenommen die vom Beschwerdeführer vor den Justizbehörden nicht aufgestellte Behauptung, ihm sei während der polizeilichen Anhaltung keine Nahrung verabreicht worden) waren Gegenstand des gegen den Beschwerdeführer vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien durchgeführten, mit dem erwähnten Urteil vom 21. Juli 1986 abgeschlossenen Strafverfahrens. Der Beschwerdeführer wurde mit diesem Urteil vom Anklagevorwurf, durch seine Sachverhaltsdarstellung das Verbrechen der Verleumdung begangen zu haben, im Zweifel freigesprochen. Das Beweisverfahren ermöglichte weder die Entkräftung noch die Verifizierung dieses Vorwurfs. Im Hinblick auf dieses Ergebnis des gerichtlichen Strafverfahrens sieht sich auch der Verfassungsgerichtshof nicht in der Lage, den in Rede stehenden Beschwerdebehauptungen zu folgen, weshalb sich die Beschwerde im erörterten Umfang als unzulässig erweist. Dies gilt im Hinblick auf die gleiche Beweislage auch für die vom Beschwerdeführer ohne irgendein Beweisanbot aufgestellte Behauptung, ihm sei während seiner polizeilichen Anhaltung keine Nahrung verabreicht worden.
3.a) Die Beschwerde richtet sich schließlich dagegen, daß beim Beschwerdeführer - wie er annimmt: ohne richterlichen Befehl - am 14. März 1986 eine Hausdurchsuchung vorgenommen und sein Pkw durchsucht wurde sowie daß dabei Gegenstände beschlagnahmt wurden.
b) Entgegen der Annahme des Beschwerdeführers fand die Durchsuchung seiner Wohnung am 14. März 1986 aufgrund eines vom Untersuchungsrichter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am selben Tag erlassenen Hausdurchsuchungsbefehls statt, welcher allerdings darauf abzielte, einem namentlich genannten Juwelier geraubten Schmuck aufzufinden. Anläßlich dieser Hausdurchsuchung fanden die Beamten rund 100 Stück (originalverpackte) Video- und Tonbandkassetten sowie sieben Stück (neue) Pullover, welche sie beschlagnahmten. Die Beamten durchsuchten auch den Pkw des Beschwerdeführers, in dem sie 10 Stück Videokassetten (von denen sich 6 Stück in Waschmitteltrommeln verborgen befanden) sowie eine Packung Filzstifte (mit demselben Preisetikett wie die Waschmitteltrommeln) vorfanden; sie beschlagnahmten auch diese Gegenstände.
c) Soweit sich die Beschwerde im erörterten Umfang gegen die Hausdurchsuchung richtet, ist sie - weil ihr ein richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl zugrundeliegt - unzulässig; im übrigen ist sie zulässig (zur Durchsuchung des Pkw s. zB VfSlg. 10124/1984), aber nicht berechtigt.
Werden bei einer Hausdurchsuchung Gegenstände gefunden, die auf die Begehung einer anderen als der strafbaren Handlung schließen lassen, derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird, so sind diese Gegenstände (wenn die strafbare Handlung von Amts wegen zu verfolgen ist) §144 StPO zufolge mit Beschlag zu belegen. Im Hinblick auf den gegen den Beschwerdeführer bestehenden Verdacht, in Selbstbedienungsläden Diebstähle, insbesondere von Video- und Tonbandkassetten, verübt zu haben, kann jedenfalls von einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung nicht gesprochen werden, wenn die Beamten die beim Beschwerdeführer vorgefundenen Waren beschlagnahmten. Eine Verletzung des - primär in Betracht kommenden - verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit ebensowenig vor wie ein sonstiger rechtswidriger Grundrechtseingriff.
Grundsätzlich das gleiche gilt mit Rücksicht auf §24 StPO (wonach die Sicherheitsbehörden die keinen Aufschub gestattenden vorbereitenden Anordnungen zu treffen haben, die zur Aufklärung der Sache dienen oder die Beseitigung der Spuren der strafbaren Handlung verhüten können) für die Durchsuchung des Pkw und die hiebei vorgenommene Beschlagnahme von Gegenständen (vgl. dazu VfSlg. 9525/1982).
4. Die Beschwerde war sohin insoweit abzuweisen, als sie sich gegen die Festnahme und die Anhaltung des Beschwerdeführers bis zur Erlassung des richterlichen Haftbefehls sowie gegen die Durchsuchung seines Pkws und die Beschlagnahmen in seiner Wohnung und im Pkw richtet; im restlichen Umfang war sie zurückzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG.
III. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Beschlagnahme, Hausdurchsuchung, VfGH / Zuständigkeit, FestnehmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1989:B390.1986Dokumentnummer
JFT_10109074_86B00390_00