Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla, Dr. Kratschmer und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der H in K, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. Dezember 1991, Zl. III/1-27.661/145-91, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Punkt III. insoweit, als mit ihm der Beschwerdeführerin Kosten auferlegt wurden, und im Punkt IV., soweit damit der erstinstanzliche Bescheid bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt K (BM) vom 12. April 1989 wurde die Beschwerdeführerin zur ungeteilten Hand mit zwei weiteren Unternehmen gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 verpflichtet, in sieben Spruchpunkten näher angeführte Maßnahmen bis Ende Mai 1989 zu veranlassen. Einer Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Weiters wurde der Beschwerdeführerin zur ungeteilten Hand mit den übrigen Verpflichteten gemäß §§ 76 ff AVG aufgetragen, Kommissionsgebühren und Barauslagen in der Höhe von insgesamt S 7.750,-- binnen eines Monates zu bezahlen.
Auf Grund der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung änderte die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. Dezember 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß die Verpflichtung zur Veranlassung der in dessen Punkten 1. und 2. angeführten Maßnahmen (Abtragung von Sohlplatten, Auskoffern und Entsorgung ölverunreinigten Materials) ersatzlos aufgehoben wurde. Gleichzeitig wurde die Kostenentscheidung von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung ausgenommen und dahin abgeändert, daß die Beschwerdeführerin zur Bezahlung der Hälfte des angeführten Betrages verpflichtet wurde. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die in den Punkten 1. und 2. des erstinstanzlichen Bescheides angeordneten Maßnahmen stellten lediglich eine Präzisierung von bereits mit ihren Berufungsbescheiden vom 16. Oktober 1989 bzw. vom 25. Jänner 1991 erteilten Aufträgen dar, weshalb diese Spruchpunkte ersatzlos aufzuheben gewesen seien. Die Verpflichtung zur Veranlassung der übrigen aufgetragenen Maßnahmen treffe die Beschwerdeführerin deshalb, weil ihr als Liegenschaftseigentümerin die darauf befindlichen Anlagen, von denen die festgestellten Verunreinigungen ausgingen, zuzurechnen seien. Die Aufteilung der zu ersetzenden Verfahrenskosten sei gemäß § 76 Abs. 3 AVG vorzunehmen gewesen.
Diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin im nachstehenden Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten:
"Den Punkt II. insoferne, als die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird; den Punkt III. voll; den Punkt IV. nur hinsichtlich des Ausspruches, daß "im übrigen der angefochtene Bescheid bestätigt" wird.
Die Punkte I., II. (hinsichtlich des Vorbehaltes der Kostenentscheidung) und IV., 1. Absatz, bleiben unbekämpft."
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Rechten dadurch verletzt, daß sie als "bloße Liegenschaftseigentümerin zur Haftung herangezogen" worden sei, obwohl die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 3 WRG 1959 nicht erfüllt seien, und daß ihr ohne Verschulden Kosten auferlegt würden. Insbesondere habe die belangte Behörde die durch die Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 hinsichtlich der Heranziehung des Grundeigentümers zu Maßnahmen bzw. Kostenersätzen neu geschaffene Rechtslage unberücksichtigt gelassen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt. Die Beschwerdeführerin hat eine weitere Stellungnahme abgegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Rechtsgrundlage des erstinstanzlichen Bescheides war § 31 WRG 1959 in der Fassung vor der Wasserrechtsgesetz-Novelle BGBl. Nr. 252/1990. Gemäß Abs. 1 dieses Paragraphen hat jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 ABGB gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.
Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, so hat gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen.
Wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, hat gemäß Abs. 3 desselben Paragraphen die Wasserrechtsbehörde die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Wenn wegen Gefahr im Verzug eine Anordnung der Wasserrechtsbehörde nicht abgewartet werden kann, ist der Bürgermeister befugt, die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Gefahr im Verzug ist jedenfalls gegeben, wenn eine Wasserversorgung gefährdet ist.
Während der Anhängigkeit des Verfahrens über die gegen den erstinstanzlichen Bescheid von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung trat mit 1. Juli 1990 die angeführte Wasserrechtsgesetz-Novelle in Kraft. Durch diese Novelle wurde § 31 WRG 1959 in seinen Absätzen 1 bis 3 nicht verändert, doch wurde diese Gesetzesstelle durch Anfügung der Absätze 4 bis 6 wie folgt ergänzt:
(4) Kann der nach Abs. 1 Verpflichtete nicht gemäß Abs. 3 beauftragt oder zum Kostenersatz herangezogen werden, dann kann an seiner Stelle dem Liegenschaftseigentümer der Auftrag erteilt oder der Kostenersatz auferlegt werden, wenn er den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von den Anlagen oder Maßnahmen, von denen die Gefahr ausgeht, Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mußten.
(5) Maßnahmen, die Gegenstand einer behördlichen Anordnung oder eines behördlichen Auftrages gemäß Abs. 3 oder 4 sind, bedürfen keiner wasserrechtlichen Bewilligung. Soweit durch solche Maßnahmen Rechte Dritter berührt werden, findet § 72 Anwendung.
(6) Abs. 4 ist auf Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen, die vor dem 1. Juli 1990 entstanden sind oder gesetzt wurden, mit der Maßgabe anzuwenden, daß der Liegenschaftseigentümer nur zu Leistungen nach Abs. 3 herangezogen werden kann, wenn er die Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen, welche die Gewässerverunreinigung verursachen, auf eigenem Boden ausdrücklich gestattet und daraus in Form einer Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums einen Vorteil gezogen hat. Seine Leistungspflicht ist jedoch auf den Wert des Vorteils begrenzt, der die übliche Vergütung für die Inanspruchnahme seines Eigentums überstieg. Läßt sich die übliche Vergütung nicht vergleichsweise feststellen, ist sie nach dem Wert des verursachten Nutzungsentganges und der verursachten sonstigen Nachteile - ausgenommen die Leistungspflicht nach Abs. 4 - zu bemessen.
Da die Rechtsmittelbehörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht - es sei denn, Übergangsbestimmungen sähen anderes vor, oder es wäre darüber abzusprechen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder -raum Rechtens war (keines von beiden trifft hier zu) - anzuwenden hat (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. NF 9315/A), war die belangte Behörde verpflichtet, dem angefochtenen Bescheid § 31 WRG 1959 in der Fassung der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 zugrunde zu legen.
Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin lediglich deshalb als Adressatin des auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 gestützten Auftrages herangezogen wurde, weil sie Eigentümerin des Grundstückes ist, auf dem sich die eine Gewässerverunreinigung verursachenden (von Dritten), errichteten und betriebenen Anlagen befinden. Nach der Rechtslage vor der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 hatte die aus der festen Verbindung von Anlagen mit dem Grund und Boden resultierende Zurechnung solcher Anlagen an den Grundeigentümer (vgl. das die Beschwerdeführerin betreffende hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zl. 89/07/0186) zur Folge, daß dieser in gleicher Weise wie der Betreiber solcher Anlagen, von denen eine Gewässerverunreinigung bzw. die Gefahr einer solchen ausging, und somit als eigentlicher Verursacher unmittelbar zur Durchführung von Maßnahmen bzw. zum Kostenersatz gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 herangezogen werden konnte. Demgegenüber ergibt sich nunmehr aus der dargestellten Neufassung des § 31 WRG 1959, daß eine auf dessen Abs. 3 gestützte Heranziehung des Grundeigentümers gemäß Abs. 4 grundsätzlich nur mehr subsidiär und nur unter den dort angeführten Voraussetzungen Platz greifen kann. Im Beschwerdefall hat darüber hinaus, da es sich um einen vor dem 1. Juli 1990 verwirklichten Sachverhalt handelt, Abs. 6 dieses Paragraphen mit den dort genannten Einschränkungen Anwendung zu finden.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die neue Rechtslage weder erwähnt noch berücksichtigt. Dies ergibt sich schon allein daraus, daß sie die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur ungeteilten Hand mit dem als Verursacher der Verunreinigung angesehenen Unternehmen - und somit nach der neuen Rechtslage als primär heranzuziehenden Verpflichteten - aufrecht gelassen hat. Ebensowenig finden sich im angefochtenen Bescheid Ausführungen zu der Frage, ob bzw. in welchem Ausmaß die Verpflichtung der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung der Regelung des § 31 Abs. 6 WRG 1959 gerechtfertigt ist. Diese - in offenbarer Verkennung der Rechtslage erfolgte - Außerachtlassung der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Rechtslage belastet diesen Bescheid - auch hinsichtlich des Kostenausspruches, der das Schicksal des Abspruches über die Beschwerde im spruchmäßig angegebenen Umfang teilen muß - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Soweit die Beschwerdeführerin die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung in ihre Beschwerde miteinbezogen hat, ist sie der hiefür von der belangten Behörde gebotenen schlüssigen Begründung mit keinerlei Gegenargumenten entgegengetreten, sodaß diese nicht als entkräftet angesehen werden kann. Insoweit erweist sich die Beschwerde daher als nicht gerechtfertigt.
Der angefochtene Bescheid mußte sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG im Umfang der Anfechtung mit Ausnahme der bekämpften Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung aufgehoben werden. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil ein Ersatz von Stempelgebühren nur in dem Ausmaß, in dem diese gesetzlich vorgeschrieben sind, zuerkannt werden kann.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992070029.X00Im RIS seit
12.11.2001