TE Vfgh Beschluss 1989/9/26 V35/89

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Veröffentlicht am 26.09.1989
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
47. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 11. Juni 1979. Zl 470/79 (Gebührenordnung für Vermessungswesen)
IngenieurkammerG §31

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung der 47. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 11. Juni 1979, Zl. 470/79, mit der die Gebührenordnung für Vermessungswesen erlassen und für verbindlich erklärt wurde wegen fehlender Legitimation; Disziplinarverfahren anhängig; Ausschöpfung des Instanzenzuges und Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zumutbar

Spruch

Der Verordnungsprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. In seinem Antrag vom 3. Juli 1989 begehrt der Einschreiter, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art139 B-VG die

47. Verordnung der Bundes-Ingenieurkammer vom 11. Juni 1979, Zl. 470/79, mit der die Gebührenordnung für Vermessungswesen erlassen und für verbindlich erklärt wurde, zur Gänze als gesetzwidrig aufheben, in eventu gemäß Art140 B-VG den zweiten Satz des Abs1 sowie die Absätze 2 und 3 des §31 IKG 1969 als verfassungswidrig aufheben. Er beantragt gleichzeitig, seinem Antrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

2. Der Antragsteller bringt vor, durch die angefochtene Verordnung werde in seine Rechtssphäre deshalb tatsächlich eingegriffen, weil mit Beschluß des Disziplinarsenates der Sektion Ingenieurkonsulenten der Ingenieurkammer für Steiermark und Kärnten vom 24. April 1987, DV 80/1983, gegen den Antragsteller gemäß §55 IKG das Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei, da der Verdacht bestehe, er habe bei der Verrechnung von Leistungen die (antragsgegenständliche) Gebührenordnung für Vermessungswesen erheblich unterschritten.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Zulässigkeit des gemäß Art139 B-VG gestellten Verordnungsprüfungsantrages erwogen:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985).

2. Ein solcher zumutbarer Weg besteht grundsätzlich dann, wenn ein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren bereits anhängig ist, das dem von der generellen Rechtsnorm Betroffenen letztlich Gelegenheit bietet, die Einleitung eines amtswegigen Normprüfungsverfahrens durch den Verfassungsgerichtshof anzuregen. Eine Ausnahme besteht nur für den Fall, daß besondere, außergewöhnliche Umstände vorliegen, um der Partei des gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahrens trotz der ihr dort offenstehenden Möglichkeiten das Recht auf Einbringung eines Normprüfungsantrages einzuräumen (vgl. zB VfSlg. 8312/1978, 8552/1979, 10251/1984). Zwar ist es dem Rechtsunterworfenen unzumutbar, eine von der Rechtsordnung verbotene Handlung zu setzen und damit ein Strafverfahren zu provozieren, um solcherart Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Normprüfungsverfahren zu initiieren (vgl. zB VfSlg. 8396/1978, 8464/1978). Ist ein Strafverfahren aber ohnehin bereits anhängig, so ist es dem Beschuldigten durchaus zumutbar, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen und sodann beim Verfassungsgerichtshof Beschwerde nach Art144 B-VG zu erheben und darin seine Bedenken gegen die generelle Norm vorzubringen (vgl. VfGH 5.10.1987 V18/87, 13.6.1988 V89,90/87 und 14.3.1989 V196/88). Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, daß das Gleiche hinsichtlich eines Disziplinarverfahrens gilt.

3. Wie aus den Ausführungen im Antrag hervorgeht (siehe Punkt I.2.), wurde mit Beschluß des Disziplinarsenates der Sektion Ingenieurkonsulenten der Ingenieurkammer für Steiermark und Kärnten vom 24. April 1987, DV 80/1983, gegen den Antragsteller - wegen Verletzung von Bestimmungen der von ihm bekämpften Verordnung - ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Daraus ergibt sich, daß der Antragsteller die Möglichkeit hat, den administrativen Instanzenzug auszuschöpfen, nach Abschluß des Disziplinarverfahrens eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu erheben und im Rahmen dieses Verfahrens seine Bedenken gegen die bekämpfte Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Der Verfassungsgerichtshof wäre verpflichtet, wenn er gegen die - im Beschwerdeverfahren präjudizielle - Verordnung Bedenken wegen ihrer Gesetzmäßigkeit hätte, ein amtswegiges Verordnungsprüfungsverfahren einzuleiten.

Da sohin ein anderer zumutbarer Weg gegeben ist, die gegen die angefochtene Verordnung sprechenden Bedenken geltend zu machen, ist der Verordnungsprüfungsantrag mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen (siehe dazu VfGH 14.3.1989 V196/88).

III. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf den in eventu gestellten Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes des Abs1 sowie der Absätze 2 und 3 des §31 IKG 1969 näher einzugehen.

IV. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

1. Keine Bestimmung des VerfGG 1953 räumt dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis ein, Anträgen gemäß Art139 B-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (vgl. VfGH 28.9.1987 V49/87).

2. Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen (siehe dazu VfGH 11.10.1988 V178,179/88).

V. Diese Beschlüsse konnten gemäß §19 Abs3 Z2 lita und e VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Disziplinarrecht, Ziviltechniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:V35.1989

Dokumentnummer

JFT_10109074_89V00035_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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