TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/6 92/18/0017

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Veröffentlicht am 06.04.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §11;
AAV §16 Abs2;
AAV §16;
AAV §17;
AAV §18;
AAV §20 Abs2;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §47 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden VizepräsidentDr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. November 1991, Zl. Ge-49.733/7-1991/Sch/Th, betreffend Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (mitbeteiligte Partei: J in X, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 10.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenersatzbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbrach vom 18. Jänner 1991 wurde der Mitbeteiligte wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 16 Abs. 2 AAV bestraft, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft am 11. Juli 1989 unterlassen habe, "durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß im Schotterwerk N am ständigen Arbeitsplatz im Bereich des Vorbrechers, die "Maximale Arbeitsplatzkonzentration" für "Quarz- und Feinstaub" überschritten wurde. Im Arbeitsbereich Vorbrecher traten Quarzschwebestaub-Konzentrationen von 0,84 mg/m3 (Tages-Mittel) auf."

Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufungen des Mitbeteiligten und des Arbeitsinspektorates Linz wurde mit dem angefochtenen Bescheid dahin entschieden, daß das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG eingestellt wurde. Nach der Begründung sei es der Berufungsbehörde "auf Grund der zwingenden Bestimmungen des § 40 Abs. 2 VStG. verwehrt, den unbestimmt gehaltenen Tatvorwurf in seinen wesentlichen Elementen zu konkretisieren, d.h. jene konkreten Maßnahmen vorzuschreiben - anstelle der Erstbehörde -, die eine gravierende Senkung der Quarzstaubkonzentrationen mit sich brächten. Es ist daher das gegenständliche Straferkenntnis zu beheben und das gegenständliche, auf den 11. Juli 1989 (Tag der Messung) bezogene Verwaltungsstrafverfahren einzustellen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 gestützte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Meinung des Beschwerdeführers bestehe der Tatbestand der dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 16 Abs. 2 AAV darin, daß entgegen § 20 Abs. 2 AAV nicht für Maßnahmen im Sinne des § 16 Abs. 2 leg. cit. Sorge getragen worden sei, sodaß die zulässige Maximale Arbeitsplatzkonzentration überschritten worden sei.

§ 20 Abs. 2 leg. cit. sage nichts darüber aus, welche Maßnahmen vom Arbeitgeber genau zu treffen seien. Welche Maßnahmen getroffen würden, stehe dem Arbeitgeber frei. Der Tatvorwurf der Behörde erster Instanz, daß der Mitbeteiligte es unterlassen habe, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß an einem bestimmten Arbeitsplatz die Maximale Arbeitsplatzkonzentration überschritten worden sei, sei daher nach Ansicht des Beschwerdeführers hinsichtlich der übertretenen Rechtsvorschrift im Sinne des § 44a VStG ausreichend konkretisiert. Da dieser Tatvorwurf dem Mitbeteiligten das erste Mal mit Schreiben der erstinstanzlichen Behörde vom 18. September 1989 (Aufforderung zur Rechtfertigung) zur Kenntnis gebracht worden sei, sei eine ausreichend konkretisierte Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist gesetzt worden und daher Verfolgungsverjährung im Sinne des § 31 Abs. 2 VStG nicht eingetreten.

Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizutreten. Die hier maßgebenden Bestimmungen der §§ 20 Abs. 2 und 16 Abs. 2 AAV lauten:

§ 20 Abs. 2:

"Arbeitsstellen im Freien müssen derart beschaffen sein oder es müssen solche Vorkehrungen getroffen sein, daß die Arbeitsbedingungen den Erfordernissen des Arbeitnehmerschutzes entsprechen; insbesondere sind solche Arbeitsstellen bei Bedarf den Arbeiten entsprechend ausreichend zu beleuchten. Weiters ist zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß für Maßnahmen im Sinne der §§ 11 und 16 bis 18 zu sorgen."

§ 16 Abs. 2:

"Bei Arbeiten in Betriebsräumen, bei denen sich die Entwicklung von Gasen, Dämpfen oder Schwebstoffen gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht vermeiden läßt, ist die mit diesen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft durch geräuscharm arbeitende Absaugeanlagen möglichst an der Entstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen. Eine Konzentration im Sinne des ersten Satzes liegt jedenfalls dann vor, wenn die in den Amtlichen Nachrichten des Bundesministerium für soziale Verwaltung und des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz verlautbarten Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen und Technischen Richtkonzentrationen von Arbeitsstoffen überschritten sind. Absaugeanlagen und Raumlüftung (§ 13) müssen so gestaltet und wirksam sein, daß sich Gase, Dämpfe oder Schwebstoffe gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht ansammeln und inbesondere nicht in den Bereich der Atmungsorgane gelangen können; hiebei ist anzustreben, daß insbesondere die Technischen Richtkonzentrationen, tunlichst aber auch die Maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen so weit wie möglich unterschritten sind."

Aufgrund der im zweiten Satz des § 20 Abs. 2 AAV erfolgten Verknüpfung der genannten Bestimmungen ergibt sich das Gebot an den Arbeitgeber, bei Arbeiten an Arbeitsstellen im Freien, bei denen sich die Entwicklung von - u.a. - Schwebstoffen gesundheitsgefährdender Arbeitsstoffe in einer gefährlichen oder in anderer Weise für die Gesundheit nachteiligen Konzentration nicht vermeiden läßt, zumindest im unumgänglich notwendigen Ausmaß die mit diesen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft durch geräuscharm arbeitende Absaugeanlagen möglichst an der Enstehungs- oder Austrittsstelle abzuführen.

Zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung nach § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 16 Abs. 2 AAV gehört es daher insbesondere, daß es der Arbeitgeber unterlassen hat, die mit näher umschriebenen Arbeitsstoffen verunreinigte Luft auf die bezeichnete Weise mit den angeführten Absaugeanlagen abzuführen.

Da sich eine die Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 1 VStG ausschließende Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG nach ständiger Rechtsprechung (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 887 f, zitierte Judikatur) auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente beziehen muß, hätte der Beschwerdeführer nur dann wegen der gegenständlichen Verwaltungsübertretung bestraft werden dürfen, wenn auch das oben genannte Sachverhaltselement von einer innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG vorgenommenen Verfolgungshandlung umfaßt worden wäre.

Dies ist jedoch nach der Aktenlage nicht der Fall gewesen, sodaß die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht die Einstellung des Strafverfahrens gegen den Mitbeteiligten verfügt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht im Rahmen des vom Mitbeteiligten gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Die Abweisung des Kostenersatzbegehrens der belangten Behörde gründet sich auf § 47 Abs. 4 VwGG, in welche Regelung mitbeteiligte Parteien jedoch nicht einzubeziehen sind (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 677, zitierte Judikatur).

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180017.X00

Im RIS seit

06.04.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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