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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des JW in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 16. Februar 1987, Zl. 6/3-3473/86, betreffend gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1977, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In einer Selbstanzeige vom 28. Dezember 1981 teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt mit, daß er für die Vermittlung des Geschäftes "A-ÖBB" im Jahre 1977 sfr 200.000,-- erhalten habe. Davon seien sfr 50.000,-- in seiner Steuererklärung 1977 enthalten, den Rest habe er bisher nicht erklärt. (Die A ist eine Schweizer Aktiengesellschaft, die in der Folge als AG bezeichnet wird.)
Die Selbstanzeige wurde zum Anlaß für die Durchführung einer Betriebsprüfung genommen. Der Prüfer stellte fest, daß es sich bei dem Geschäft um die Mitwirkung an einem Waggongeschäft gehandelt habe, bei dem letztlich 50 Waggons der Deutschen Bundesbahn von den ÖBB gekauft worden waren. Die AG sei aus Finanzierungsgründen zwischengeschaltet worden. Der insgesamt bei dem Geschäft erzielte Gewinn betrage S 9,438.908,--, davon entfalle auf den Beschwerdeführer ein geschätzter Anteil von S 5,400.000,--. Die Schätzung sei erforderlich gewesen, weil keine schriftlichen Vereinbarungen und Empfangsbestätigungen vorgelegt worden seien.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1977. Der Bescheid war an die Firma "JW (= Beschwerdeführer) und Mitgesellschafter" gerichtet und rechnete sämtliche Einkünfte dem Beschwerdeführer allein zu.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte im Berufungsverfahren folgendes vor:
An dem Geschäft sei auch Gabriel V. beteiligt gewesen. Dieser sei Gesellschafter der A-GmbH gewesen und jahrelang als deren Geschäftsführer aufgetreten. Die A-GmbH habe eine Option für den Ankauf der Waggons besessen. Der Beschwerdeführer sei von Gabriel V. als Partner "geholt" worden und sei damals ein "völliger Neuling im Eisenbahngeschäft" gewesen. V. habe die Absicht gehabt, keine Steuern zu bezahlen, und habe auch dem Beschwerdeführer "ein Steuerbekenntnis strikt untersagt". Zu diesem Zeitpunkt habe V. bereits hohe Steuerschulden gehabt. Als Beweis werde die Zeugenaussage der Dr. Herta W. (= Ehegattin des Beschwerdeführers) angeboten. Ursprünglich habe eine schriftliche Vereinbarung mit der AG bestanden, in der eine 3 %-ige Provision vom Umsatz vorgesehen war. Daneben habe es eine mündliche Abrede gegeben, daß der Gewinn nach Abzug der Spesen der AG zwischen der AG, dem Beschwerdeführer und V. gedrittelt werden sollte. Im Jahr 1977 sei es zum Streit zwischen V. und dem Beschwerdeführer gekommen. Der Beschwerdeführer habe froh sein müssen, wenigstens mit sfr 200.000,-- abgefunden zu werden. Zugeflossen sei ihm dieser Betrag in folgender Weise:
Nach massiven Vorhaltungen und oftmaligen Vorstellungen sei
V. endlich bereit gewesen, sich mit dem Beschwerdeführer bei der AG zu treffen. Dort hätten sie beide vom "Geschäftsführer" der AG einen Scheck über sfr 400.000,-- erhalten. Der Scheck sei von ihnen gemeinsam bei einer Bank eingelöst worden. Das Bargeld hätten sie "zu je sfr 200.000,--" geteilt.
V. behaupte nun, vom Beschwerdeführer "ausgetrickst" worden zu sein. Dies treffe nicht zu. Vielmehr habe V. versucht, den Beschwerdeführer in übler Weise auszubooten, indem er ihn nachweislich 1977 vor die Tür gesetzt habe. Im Frühjahr dieses Jahres seien nämlich die Türschlösser zum gemeinsamen Büro geändert worden, sodaß dem Beschwerdeführer wesentliche Aktenbeweise nicht mehr zugänglich gewesen seien.
V. sei bereits seit 1974 in Verhandlungen betreffend das Waggongeschäft gestanden. Der Beschwerdeführer sei erst Mitte 1975 beigezogen worden. Es sei "unplausibel" und widerspreche der Lebenserfahrung, daß bei einem so großen Geschäft, an dem so viele Personen beteiligt gewesen seien, der Gewinn bloß einem zugeflossen sein sollte. V. (und nicht der Beschwerdeführer) habe über die notwendigen Kontakte zur Direktion der ÖBB verfügt. Es sei daher völlig unwahrscheinlich, daß sich V. vom Beschwerdeführer "aus dem Geschäft hätte drängen lassen". Um die Glaubwürdigkeit einander widersprechender Aussagen zweier Personen zu beurteilen, müsse vom bisherigen objektiven Verhalten der beiden Personen ausgegangen werden. V. sei bereits mit mehreren von ihm gegründeten Firmen insolvent geworden. Er habe keine Bücher geführt und keine Steuererklärungen abgegeben. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer als Einzelkaufmann stets Steuererklärungen abgegeben, führe ein geordnetes Leben und habe durch seine Selbstanzeige zur Wahrheitsfindung beigetragen.
Mit Bescheid vom 5. November 1984 hob die belangte Behörde den genannten Bescheid des Finanzamtes ersatzlos auf. Eine einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften im Sinn des § 188 BAO setze das Vorliegen einer Mitunternehmerschaft voraus. Eine solche habe jedoch nicht bestanden. Der Beschwerdeführer und V. seien nach außen hin als Vertreter der A-GmbH tätig geworden. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der der Beschwerdeführer und die A-GmbH beteiligt gewesen wären, sei nie in Erscheinung getreten.
In der Folge fand eine neuerliche Betriebsprüfung statt, bei der dem Beschwerdeführer der zwischenzeitig festgestellte Gewinn aus dem Waggongeschäft im Ausmaß von sfr 400.000,-- (= öS 2,900.000,--) zur Gänze zugerechnet wurde. Die vom Beschwerdeführer behauptete Aufteilung des Betrages je zur Hälfte an ihn und V. sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und erließ einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1977, der vom Beschwerdeführer abermals mit Berufung bekämpft wurde. Durch die Zurechnung des vollen Betrages von sfr 400.000,-- werde der Betrag von sfr 50.000,--, den der Beschwerdeführer laut seiner Selbstanzeige schon seinerzeit erklärt habe, ein zweites Mal steuerlich erfaßt. Abgesehen davon treffe es nicht zu, daß der Gewinn zur Gänze dem Beschwerdeführer zugeflossen sei. Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers habe bereits dokumentiert, daß auch V. am Geschäft beteiligt gewesen sei. Auf die Eingaben vom 16. März 1983 bzw. vom 14. September 1983 werde verwiesen. Die Abgabenbehörde habe die dort genannten Personen, die als Zeugen angeboten worden seien, nie einvernommen. Auch sonst seien "die vorgelegten Beweismaterialien" nur ungenügend gewürdigt worden.
In der mündlichen Berufungsverhandlung verwies der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers auf dessen Glaubwürdigkeit und auf den Umstand, daß V. das Waggongeschäft entriert habe.
Die belangte Behörde gab der Berufung teilweise Folge, indem sie den Gewinn aus dem Waggongeschäft um den bereits ursprünglich erklärten Betrag von sfr 50.000,-- minderte. Im übrigen rechnete sie aber den gesamten Gewinn dem Beschwerdeführer zu.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Streit besteht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausschließlich darüber, ob der von der AG stammende Betrag von sfr 400.000,-- dem Beschwerdeführer und V. je zur Hälfte oder dem Beschwerdeführer allein zuzurechnen ist.
Diesbezüglich rügt der Beschwerdeführer zunächst als Verfahrensmangel, daß es die belangte Behörde in Verletzung ihrer Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsfindung unterlassen habe, den "Streitverhandlungsakt" 18 Cg 110/77 beizuschaffen. Dort wäre sie auf die Aussage des V. gestoßen, der bestätigt habe, daß die A-GmbH im Zusammenhang mit dem Waggongeschäft Provisionen erhalten habe.
Der Beschwerdeführer übersieht, daß V. nie bestritten hat, eine mit 3 % bezifferte Provision erhalten zu haben. Dieser Umstand wurde auch von der belangten Behörde nie bezweifelt. Er ist jedoch ohne erkennbare Relevanz für die Frage, ob der Betrag von sfr 400.000,--, der losgelöst von der 3 %-igen Provision zu betrachten war und von der AG unbestritten mittels Scheck ausbezahlt wurde, zu gleichen Teilen dem Beschwerdeführer und V. oder zur Gänze dem Beschwerdeführer zugeflossen ist. Abgesehen davon ist die Verfahrensrüge auch deswegen unberechtigt, weil die belangte Behörde sehr wohl in den zitierten Gerichtsakt Einsicht genommen hat. Umfangreiche Teile davon wurden kopiert und erliegen in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten. Sie geben aber keinen Aufschluß darüber, wer schließlich den Betrag von sfr 400.000,-- erhalten hat. Daß auch V. an Verhandlungen betreffend das Waggongeschäft beteiligt war, blieb unbestritten. Daher konnte auch die diesbezügliche Auskunft des Verwaltungsrates der AG, Dkfm. Max B., auf die der Beschwerdeführer bezug nimmt, nichts zur Wahrheitsfindung beitragen.
Als weiterer Verfahrensmangel wird vom Beschwerdeführer geltend gemacht, daß die belangte Behörde die Ehegattin des Beschwerdeführers nicht als Zeugin einvernommen hat, obwohl dies mit Schreiben vom 14. September 1983 beantragt worden sei.
Dazu ist zu sagen, daß die Zeugenaussage der Ehegattin des Beschwerdeführers als Beweis dafür angeboten worden war, daß V. keine Steuern bezahlt und dem Beschwerdeführer ein Steuerbekenntnis strikt untersagt habe; weiters dafür, daß V. zu diesem Zeitpunkt bereits hohe Steuerschulden gehabt habe.
Da aus diesen Umständen ebenfalls keine Erkenntnisse zu gewinnen waren, wem der Betrag von sfr 400.000,-- zuzurechnen war, konnte die belangte Behörde unbedenklich von der Einvernahme der Zeugin Abstand nehmen. Die Behauptung, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers "hautnah" am Geschehen beteiligt gewesen sei und daher die Darstellung des Beschwerdeführers vollinhaltlich bestätigen hätte können, wird erstmals in der Beschwerde vorgetragen und fällt daher unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG).
Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, daß nicht er nachzuweisen gehabt hätte, daß ihm nur die Hälfte des Betrages von sfr 400.000,-- zugeflossen sei, sondern die belangte Behörde "positiv" nachzuweisen gehabt hätte, daß er auch die zweite Hälfte des genannten Betrages erhalten habe. Es dürfe dabei nicht übersehen werden, daß der Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen an der Ermittlung des abgabenrechtlich relevanten Sachverhaltes "Grenzen der Zumutbarkeit" gesetzt seien.
Nun stützt die belangte Behörde ihre Entscheidung vornehmlich auf den Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht bekanntgegeben hat, bei welcher Bank der von der AG ausgestellte Scheck angeblich gemeinsam mit V. eingelöst wurde und wann dies der Fall gewesen sein soll. Auch das Fehlen schriftlicher Vereinbarungen betreffend die Gewinnverteilung gab der belangten Behörde Grund für die Annahme, daß eine solche nicht getroffen worden war. Der Gerichtshof kann nicht finden, daß die Grenzen des Zumutbaren überschritten werden, wenn die Abgabenbehörde von einem Abgabepflichtigen, der behauptet, den wirtschaftlichen Erfolg eines Geschäftes mit einer anderen Person geteilt zu haben, diesbezügliche Beweismittel verlangt. Es ist nämlich im Wirtschaftsleben durchaus üblich, empfangenes Geld nur gegen schriftliche Bestätigung an Geschäftspartner weiterzugeben oder die Weitergabe durch andere Urkunden, z.B. Überweisungsbelege, nachweisbar zu machen. Wird auf eine solche Nachweismöglichkeit verzichtet und - wie im Beschwerdefall - die Weitergabe des Geldes vom angeblichen Empfänger bestritten, so hat sich derjenige, der die Weitergabe des Geldes behauptet, schuldhaft durch geschäftsunübliches Verhalten in Beweisnotstand gebracht. Ein solches Verhalten hat nicht zur Folge, daß ein behaupteter, von dritter Seite jedoch bestrittener und letztlich unbewiesen gebliebener Geschehnisablauf von der Abgabenbehörde solange als erwiesen anzunehmen wäre, als ihr nicht selbst der Gegenbeweis gelingt. Vielmehr ist bei Würdigung des Beweisergebnisses, das sich in einem solchen Fall auf die Feststellung beschränkt, welche von zwei einander widersprechenden Aussagen der Wahrheit näher kommt, die Tatsache zu berücksichtigen, daß demjenigen, der die Weitergabe von Geld behauptet, Beweise für sein Vorbringen eher zumutbar sind, als demjenigen, der dies bestreitet.
Schließlich wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Hinweis der belangten Behörde, "die Einvernahme eines im Ausland lebenden Zeugen (Verwaltungsrat B.) sei ihr nicht möglich". Die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer auffordern müssen, den Zeugen stellig zu machen.
Auch dieser Vorwurf ist unberechtigt. Der angefochtene Bescheid enthält keinen derartigen Hinweis. Wohl aber hat die belangte Behörde in der Vorladung zur mündlichen Berufungsverhandlung dem Beschwerdeführer bzw. seinem steuerlichen Vertreter folgendes mitgeteilt:
"Weder im Schreiben vom 15.3.1983 noch im Schreiben vom 14.9.1983 wurden Zeugen genannt. Allfällige Zeugen sind spätestens zur anberaumten Verhandlung mitzunehmen."
Es trifft also nicht zu, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht aufgefordert hätte, allfällige Zeugen stellig zu machen.
Damit erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1987130078.X00Im RIS seit
08.04.1992