Index
L4 Innere VerwaltungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit des pauschalen Verbots der Ausübung der Prostitution im ganzen Ortsgebiet in der Prostitutionsverordnung der Gemeinde Oberwart mangels gesetzlicher Deckung im Burgenländischen Landes-Polizeistrafgesetz; keine nachvollziehbaren Überlegungen zur konkreten Erforderlichkeit dieses Verbots bei der VerordnungserlassungSpruch
Die Wortfolge "im Stadtgebiet von Oberwart und" in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart, Zl. 1710/1998, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 16. September 1998 bis 2. Oktober 1998, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2007 in Kraft.
Die Burgenländische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland (im Folgenden: UVS) hat aus Anlass einer bei ihm anhängigen Berufung gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 21. März 2006 beim Verfassungsgerichtshof den zu V45/06 protokollierten Antrag gestellt, die Wortfolge "im Stadtgebiet von Oberwart und" in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 |ber das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart, Zl. 1710/1998, als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Schreiben vom 14. März 2005 beantragte M.H. bei der Bezirkshauptmannschaft Oberwart die Erteilung einer Betriebsanlagengenehmigung für einen "Bordellbetrieb" an einem näher bezeichneten Standort in Oberwart. Im Betriebsanlagenverfahren kam hervor, dass die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998, Zl. 1710/1998, ein Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart vorsieht. Die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung wurde von M.H. bereits im Verfahren zur Genehmigung der Betriebsanlage in Zweifel gezogen. Mit Schreiben vom 30. Mai 2005 wurde er von der Bezirkshauptmannschaft Oberwart darauf hingewiesen, dass sie nur für die Genehmigung der Betriebsanlage zuständig sei; im Übrigen sei "für die Ausübung der Prostitution im gegenständlichen Gebäude die Zuständigkeit der Gemeinde Oberwart gegeben". Mit Bescheid vom 28. Juni 2005 wurde die Neuerrichtung einer Betriebsanlage "Nachtlokal und Bordellbetrieb" (unter Erteilung von Auflagen) genehmigt.
Beim UVS ist nunmehr die Berufung des M.H. gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 21. März 2006, Zl. 300-4465-2005, anhängig, mit dem der Berufungswerber schuldig erkannt wurde, es als handelsrechtlicher Geschäftsführer (und somit als zur Vertretung nach außen befugtes Organ) der "T. GmbH", die im Zeitraum vom 15. Juli 2005 bis 23. September 2005 Verfügungsberechtigte über ein näher bezeichnetes Gebäude in Oberwart war, zugelassen zu haben, dass in diesem Gebäude die Prostitution ausgeübt wurde, obwohl dies im Stadtgebiet von Oberwart aufgrund der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart verboten sei.
Im verfahrensgegenständlichen Gebäude, das sich im Stadtgebiet von Oberwart befinde, hätten im genannten Zeitraum mehrere (namentlich genannte) Frauen die Prostitution ausgeübt. Über den Berufungswerber wurde wegen der Verwaltungsübertretung nach §13 Abs1 Z5 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz (im Folgenden: Bgld. PolStG) iVm §1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart gemäß §13 Abs1 und Abs2 Z3 erster Satz Bgld. PolStG eine Geldstrafe von 360 Euro (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden) verhängt.
3.1. Zu seiner Antragslegitimation führt der UVS im Wesentlichen Folgendes aus:
"Der Berufungswerber war zur Tatzeit handelsrechtlicher Geschäftsführer der 'T. GmbH', die ihrerseits über das Gebäude 7400 Oberwart, ..., verfügungsberechtigt war. Bei der Beurteilung, ob der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung gemäß §13 Abs1 Z. 5 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz begangen hat und dafür nach dem Strafsatz des §13 Abs2 Z. 3 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz mit einer Geldstrafe bis zu 7.300 Euro bestraft werden kann, hat der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland die Verordnung der Stadtgemeinde Oberwart vom 15.09.1998 anzuwenden.
Da ohne die Geltung dieser Verordnung keine Strafbarkeit des Berufungswerbers vorliegen würde, erweist sich die hier in Prüfung gezogene Verordnung als präjudiziell.
Zum Anfechtungsumfang wird ausgeführt, dass für das beim Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland lediglich das in der Verordnung angeführte Ortsgebiet von Oberwart, nicht aber jenes von St. Martin an der Wart, Relevanz erlangen kann, weshalb sich die Anfechtung auf jene Teile der Verordnung beschränkt, die das Ortsgebiet von Oberwart betreffen."
3.2. Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit der Wortfolge "im Stadtgebiet von Oberwart und" in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart führt der antragstellende UVS insbesondere aus, dass die Bestimmung keine gesetzliche Deckung in §6 Abs1 Bgld. PolStG finde. Wörtlich wird dazu Folgendes vorgebracht (Hervorhebungen im Original):
"Die Stadtgemeinde Oberwart stützt das von ihr mit der Verordnung vom 15.09.1998 erlassene Verbot auf §6 Abs1 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz.
Nach §6 Abs1 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz hat die Gemeinde mit Verordnung die Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten zu verbieten, wenn dies zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung oder aus öffentlichen Interessen, besonders wegen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes erforderlich ist.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hegt nun das Bedenken, dass die von der Stadtgemeinde Oberwart erlassene Verordnung hinsichtlich des Ortsgebietes von Oberwart nicht den Voraussetzungen des §6 Abs1 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz entspricht und daher gesetzwidrig ist.
Aus der Bestimmung des §6 Abs1 Bgld.
Landes-Polizeistrafgesetz geht hervor, dass die Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution nur unter bestimmten dort genannten Voraussetzungen an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten zu verbieten ist.
Dass die Ausübung und/oder Anbahnung der Prostitution grundsätzlich im Burgenland oder in bestimmten Ortschaften verboten wäre, hat der burgenländische Landesgesetzgeber im Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz nicht festgelegt. §6 Abs1 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz ermöglicht es nach seinem Wortlaut zwar auch, ganze Ortsgebiete zu umfassen, dennoch müssen für ein solches Verbot die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen (dann für das gesamte Ortsgebiet) vorliegen.
Die Stadtgemeinde Oberwart hat mit der hier in Prüfung gezogenen Verordnung angeordnet, dass die Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution im gesamten Stadtgebiet von Oberwart verboten ist. Eine nähere Begründung, weshalb es zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung oder aus öffentlichen Interessen, besonders wegen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes erforderlich war, die Anbahnung und Ausübung der Prostitution im gesamten Stadtgebiet von Oberwart zu verbieten, kann dem von der Stadtgemeinde Oberwart übermittelten Verordnungsakt (der lediglich aus einem Auszug aus dem Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung von 15.09.1998 sowie der ausgefertigten Verordnung und einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Oberwart, wonach die Verordnung zur Kenntnis genommen wurde, besteht) nicht entnommen werden. Es wird lediglich im Auszug aus dem Sitzungsprotokoll zur Gemeinderatssitzung von 15.09.1998 darauf hingewiesen, dass die aufdringliche Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution und die aufdringliche äußere Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution ausgeübt wird, erfahrungsgemäß von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung als Belästigung empfunden wird und Anlass für eine Vielzahl von Beschwerden bildet. Weiters soll nach den Ausführungen in diesem Sitzungsprotokoll auch die Kontaktaufnahme zwischen Prostituierten einerseits und Kindern und Jugendlichen andererseits möglichst erschwert werden. Darüber hinaus ist dem Verordnungsakt zu entnehmen, dass mit der in Prüfung gezogenen Verordnung - im Gegensatz zu einer früheren Verordnung - nicht nur die 'Straßenprostitution', sondern auch die Prostitution in Gebäuden erfasst werden soll.
Berichte über konkrete Erhebungen, worauf die von der Gemeinde Oberwart angeführten 'erfahrungsgemäß' als Belästigung anzusehenden Empfindungen der Bevölkerung (wer mit Bevölkerung gemeint ist, legt die Stadtgemeinde Oberwart auch nicht dar) und die 'erfahrungsgemäße' Vielzahl von Beschwerden zurückzuführen sind und auf welche 'Erfahrungen' sie sich stützt, finden sich im Verordnungsakt nicht. Vielmehr drängt sich durch die Verwendung des Wortes 'erfahrungsgemäß' der Verdacht auf, dass die Gemeinde Oberwart überhaupt keine Erhebungen zur sachverhaltsmäßigen Feststellung, ob die Voraussetzungen des §6 Abs1 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz vorliegen, tätigte. Darüber hinaus wird im Verordnungsakt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die aufdringliche Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution 'erfahrungsgemäß' als Belästigung empfunden wird; dass dies auch im Falle der nicht aufdringlichen Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution so wäre, finden sich keine Ausführungen. Eine Anfrage des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland zur Aufklärung der hervorgekommenen Bedenken wurde von der Stadtgemeinde Oberwart nicht beantwortet.
Anlässlich eines Ortsaugenscheines wurde durch den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland festgestellt, dass im Stadtgebiet von Oberwart (im Bereich zwischen den nach der StVO kundgemachten Ortstafeln) nicht nur ausschließlich eine Bebauung mit Wohnobjekten vorliegt, sondern unter anderem auch Einkaufszentren ('Industriegebiete') existieren, in deren örtlichen Nahebereich sich weder Wohnobjekte noch Objekte, die vermehrt von Kindern und Jugendlichen (wie etwa Schulen oder Kindergärten) frequentiert werden würden, befinden. Auch ist die Bebauungsdichte in Oberwart nicht überall gleich hoch (im Stadtzentrum höhere Bebauungsdichte als am Stadtrand).
Nun unterscheidet die in Prüfung gezogene Verordnung infolge dessen, dass die Prostitutionsanbahnung und Ausübung im gesamten Stadtgebiet von Oberwart verboten wurde, nicht hinsichtlich der verschiedenen Stadtteile von Oberwart. Für den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland ist es nun nicht ersichtlich, weshalb es erforderlich war, jegliche Anbahnung und Ausübung der Prostitution im gesamten Ortsgebiet von Oberwart zu verbieten, obwohl zum einen lediglich die aufdringliche Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution sowie die aufdringliche äußere Kennzeichnung von Gebäuden als Belästigung empfunden wird und andererseits in manchen Ortsteilen von Oberwart infolge Fehlens von Wohnobjekten und Objekten, die vermehrt von Kindern und Jugendlichen frequentiert werden, weder eine Belästigung der Nachbarschaft anzunehmen ist noch zum Schutz öffentlicher Interessen, insbesondere wegen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes die Erforderlichkeit des Verbots vorliegt. Da die von der Stadtgemeinde Oberwart erlassene Verordnung nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland nicht den Vorgaben des §6 Abs1 Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz entspricht, stellt sie sich - zumindest bezogen auf den hier präjudiziellen Teil des Stadtgebietes von Oberwart - als gesetzwidrig dar."
4. Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart hat die auf die angefochtene Verordnung bezughabenden Akten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der Folgendes ausgeführt wird:
"Entsprechend der Aufforderung gemäß §58 Abs2 VfGG wird berichtet, dass der Gemeinderat der Stadtgemeinde Oberwart bereits am 06.10.1988 eine Verordnung über das Verbot der Prostitution an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten erlassen hat.
Der §1 der in Rede stehenden Verordnung normiert, dass zum Schutze der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung und aus öffentlichem Interesse, insbesonders wegen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes die Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution in den Straßenzügen
Steinamangererstraße, Augasse und Linkes Pinkaufer
der Stadtgemeinde Oberwart verboten ist.
In den Folgejahren - vor allem in den Jahren 1996 und 1997 - wurde von Organwaltern festgestellt, dass auch in anderen Bereichen des Ortsgebietes und zwar in Privathäusern eine Anbahnung bzw Ausübung der Prostitution erfolgte. Diese Tatsache wurde auch von der Ortsbevölkerung registriert und die Stadtgemeinde Oberwart hievon in Kenntnis gesetzt.
In diesem Zusammenhang sei erlaubt auf die vorgelegten Untersagungsbescheide und Schreiben von Institutionen sowie Privatpersonen zu verweisen aus denen ummissverständlich hervorgeht, dass das Geschäft mit dem menschlichen Körper in der Stadt Oberwart abgelehnt wird.
Im Hinblick darauf erfolgten Beratungen über die bestehende Verordnung und ist man seitens der Aufsichtsbehörde (BH Oberwart) zur Rechtsansicht gelangt, dass sich diese Verordnung lediglich auf die Straßenprostitution und zwar in der Steinamangererstraße, Augasse und Linkes Pinkaufer bezieht.
Aufgrund dieser Tatsache erfolgte eine neuerliche Beschlussfassung und zwar am 15.09.1998, die für das gesamte Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil St. Martin/Wart Geltung haben soll."
5. Auch die Burgenländische Landesregierung hat die auf die angefochtene Verordnung bezughabenden Akten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung jedoch abgesehen.
II. 1. Die §§4 bis 6 und 13 des Gesetzes vom 12. März 1986, mit dem verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen erlassen werden (Bgld. Landes-Polizeistrafgesetz - Bgld. PolStG), LGBl. Nr. 35/1986, lauten:
"II. Abschnitt
Verbot der Prostitution
§4. (1) Personen, die das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen nicht vermögen, ist die Anbahnung und Ausübung der Prostitution untersagt.
(2) Unter Prostitution ist die gewerbsmäßige Duldung sexueller Handlungen am eigenen Körper oder gewerbsmäßige Vornahme sexueller Handlungen zu verstehen. Unter Gewerbsmäßigkeit ist die wiederkehrende Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution zu dem Zwecke, sich eine, wenn auch nicht regelmäßige Einnahme zu verschaffen, zu verstehen.
(3) Die Prostitution darf weder angebahnt noch ausgeübt werden
1.
in für unbeteiligte Personen aufdringlicher Weise oder in Gebäuden, deren äußere Kennzeichnung aufdringlich ist;
2.
in
-
Gebäuden, die religiösen Zwecken gewidmet sind,
-
Amtsgebäuden,
-
Schulen,
-
Heimen für Kinder oder Jugendliche,
-
Jugendzentren,
-
Sportstätten,
-
Kinder- und Jugendspielplätzen,
-
Krankenhäusern,
-
Alten-, Pflege- und Erholungsheimen,
-
Kasernen,
-
Bahnhöfen und Stationen öffentlicher Verkehrsmittel,
-
einem Umkreis von 200 Metern aller dieser Einrichtungen, wobei diese Entfernung in der Luftlinie von der dem beabsichtigten Standort nächstgelegenen Grundstücksgrenze an zu messen ist;
3.
in Gebäuden mit Wohnungen, die nicht alle zur Ausübung der Prostitution benützt werden, oder die mit solchen Gebäuden einen gemeinsamen Zugang haben. Von diesem Verbot ausgenommen sind die Wohnungen jener Personen, die die Dienste von Prostituierten ausschließlich für sich in Anspruch nehmen ('Hausbesuche');
4.
in Wohnungen, die auch von Kindern und/oder Jugendlichen bewohnt werden;
5.
in Mobilheimen, Wohnwägen u.dgl.;
6.
an Orten oder zu Zeiten, für welche die Gemeinde mit Verordnung ein Verbot erlassen hat (§6 Abs1)."
"Anzeigepflicht
§5. (1) Wer die Prostitution ausüben will, muß dies vorher der Gemeinde des Ortes der Ausübung persönlich anzeigen und unter Vorlage geeigneter Nachweise sowie des Lichtbildausweises über das Freisein von Geschlechtskrankheiten folgende Angaben machen:
-
Vor- und Familiennamen
-
Geburtsdatum und Geburtsort
-
Wohnadresse
-
genaue Ortsangaben, wo die Prostitution ausgeübt werden soll sowie Vor- und Familienname sowie die Wohnadresse des Verfügungsberechtigten über Gebäude oder Gebäudeteile, in denen die Prostitution ausgeübt werden soll.
(2) Weiters müssen binnen einer Woche angezeigt werden
-
die Änderung der Wohnadresse,
-
die Änderung des Ortes der Ausübung der Prostitution,
-
die Beendigung der Prostitution sowie
-
die Änderung in der Person des Verfügungsberechtigten."
"Aufgaben der Gemeinde
§6. (1) Die Gemeinde hat mit Verordnung
-
die Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution
-
die Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird,
an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten zu verbieten, wenn dies zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung oder aus öffentlichen Interessen, besonders wegen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes, erforderlich ist.
(2) Die Gemeinde hat Anzeigen nach §5 der Bezirksverwaltungsbehörde unverzüglich mitzuteilen."
"Strafbestimmungen
§13. (1) Wenn hinsichtlich der §§1, 2 und 3 die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach einer anderen Verwaltungsstrafbestimmung mit einer strengeren Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich der Bundespolizeidirektion Eisenstadt hinsichtlich der Verwaltungsübertretungen gemäß der §§1, 2, 3, 4, 5 und 6 von dieser zu bestrafen, wer
1.
...
2.
...
3.
entgegen §4 die Prostitution anbahnt oder ausübt;
4.
entgegen §5 der Anzeigepflicht nicht oder nicht vollständig nachkommt;
5.
es als Eigentümer (Miteigentümer) oder Verfügungsberechtigter über Gebäude oder Gebäudeteile zuläßt, daß dort die Prostitution ausgeübt wird, obwohl dies dort aufgrund von Bestimmungen dieses Gesetzes oder einer Verordnung nach §6 verboten ist;
6.
...
7.
...
8.
...
9.
...
(2) Die Strafe ist für Verwaltungsübertretungen
1.
...
2.
...
3.
nach Abs1 Z3, 4 und 5 Geldstrafe bis zu
7.300 Euro; im Falle der Uneinbringlichkeit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, bei Wiederholung Geldstrafe bis 14.500 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit Freiheitsstrafe bis zu acht Wochen.
(3) ...
(4) Die Strafgelder fließen der Gemeinde zu, in der die Verwaltungsübertretung begangen wurde."
2. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart, Zl. 1710/1998, wurde gemäß §11 Bgld. PolStG im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde erlassen. Sie lautet wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist fett gedruckt):
"V E R O R D N U N G
des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15.09.1998
über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart.
Auf Grund des §6, Absatz 1, des Bgld.
Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 35/1986, wird verordnet:
§1
Zum Schutze der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung und aus öffentlichem Interesse, insbesonders wegen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes, ist die Anbahnung und/oder Ausübung der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart verboten:
§2
Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung bilden eine Verwaltungsübertretung und werden gemäß ArtVII EGVG 1991 mit Geldstrafen bis zu S 3.000,-- oder Arrest bis zu zwei Wochen bestraft.
§3
Diese Verordnung tritt mit Ablauf der zweiwöchigen Kundmachungsfrist in Kraft."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über den Antrag erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung den antragstellenden UVS an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieser Behörde in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden UVS im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 14.464/1996, 15.293/1998, 16.632/2002, 16.925/2003).
Da der UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung die angefochtene Wortfolge in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart anzuwenden hat und auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg. 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung der Anträge dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg. 15.644/1999, 17.222/2004).
Der antragstellende UVS hegt im Kern das Bedenken, dass die Wortfolge "im Stadtgebiet von Oberwart und" in §1 der angefochtenen Verordnung nicht den Voraussetzungen des §6 Abs1 Bgld. PolStG entspricht. Eine nähere Begründung, weshalb es zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung oder aus öffentlichen Interessen erforderlich war, die Anbahnung und Ausübung der Prostitution im gesamten Stadtgebiet von Oberwart zu verbieten, könne nämlich weder der Verordnung selbst noch dem von der Stadtgemeinde Oberwart übermittelten Verordnungsakt entnommen werden.
3. Die vom UVS vorgebrachten Bedenken haben sich als begründet erwiesen:
3.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die in §6 Abs1 Bgld. PolStG normierte Zuständigkeit der Gemeinden, die Anbahnung und Ausübung der Prostitution sowie die Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeübt wird, zu verbieten, ausdrücklich dahingehend eingeschränkt ist, dass sich das jeweilige Verbot auf bestimmte Orte oder bestimmte Zeiten zu beziehen hat, "wenn dies zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung oder aus öffentlichen Interessen, besonders wegen der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes, erforderlich ist".
Es ist daher zu prüfen, ob das in §1 der angefochtenen Verordnung enthaltene Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart (und im Ortsteil von St. Martin in der Wart) als "erforderlich" iSd §6 Abs1 Bgld. PolStG anzusehen ist.
Vorauszuschicken ist, dass das Gemeindegebiet von Oberwart aus dem Stadtgebiet von Oberwart und dem Ortsteil von St. Martin in der Wart besteht.
3.2. In den Erläuterungen zum Bgld. PolStG wird im Allgemeinen Teil u.a. Folgendes ausgeführt (vgl. RV 167, XIV. GP, 2 ff.):
"... Der vorliegende Gesetzesentwurf beschränkt sich nicht auf die Regelung von Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei. Er bezieht, indem er Vorschriften über die Prostitution trifft (§4 bis 6), auch Angelegenheiten der Sittlichkeitspolizei in den Kreis seiner Regelungen ein. Auf dem Gebiet der Sittlichkeitspolizei bestanden im Burgenland bisher keine gesetzlichen Regelungen. ...
Die Prostitution stellte in früheren Jahren im Burgenland kein Problem dar, da sie praktisch überhaupt nicht existent war. Erst in den letzten Jahren hat sich hiebei eine Änderung vollzogen, wobei sich bis dahin praktisch unbekannte Erscheinungsformen der Prostitution, nämlich die sogenannte 'Wohnungsprostitution' und die Prostitution im Rahmen sogenannter 'Clubs', ausgebreitet haben. Vielfach mieten Prostituierte oder ihre Zuhälter Einfamilienhäuser in reinen Wohngegenden an oder es gehen Prostituierte ihrem Beruf in gemieteten Wohnungen nach. Dies hat jedoch in der Vergangenheit in einem solchen Umfang zu Belästigungen Unbeteiligter, zu Störungen des örtlichen Gemeinwesens und zur Verletzung öffentlicher Interessen, insbesondere der Interessen des Jugendschutzes und der Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie des öffentlichen Anstandes geführt, daß ein Tätigwerden des Gesetzgebers unumgänglich erscheint.
... Mag ein allgemeines Verbot der Prostitution aus verschiedenen Gründen auch wünschenswert sein, so wurde aus rechtspolitischen Erwägungen darauf verzichtet, da ein absolutes Prostitutionsverbot nur die Geheimprostitution mit all ihren weitaus gravierenden gesellschaftlichen Mißständen fördern würde. Überdies erscheint auch fraglich, ob ein gänzliches Verbot der Prostitution von der Kompetenz zur Regelung der Sittlichkeitspolizei überhaupt noch gedeckt wäre, vgl. dazu Pernthaler, aaO, 291."
Zu §6 Abs1 Bgld. PolStG wird im Besonderen Teil weiters Folgendes ausgeführt (vgl. RV 167, XIV. GP, 8):
"... Durch diese Bestimmung soll eine Möglichkeit geschaffen werden, zur Abwehr oder Beseitigung von Mißständen die Prostitution an bestimmten Orten, etwa in Häusern, die zur Gänze von Prostituierten bewohnt werden, oder zu bestimmten Zeiten zu verbieten (mit generellem Rechtsakt). Ebenso besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Kennzeichnung von Gebäuden, in denen die Prostitution angebahnt oder ausgeführt wird, zu untersagen."
3.3. Dem Gesetzgeber kann mit Blick auf den Wortlaut des §6 Abs1 Bgld. PolStG und vor dem Hintergrund der Erläuterungen zu dieser Bestimmung (arg.: "etwa in Häusern, die zur Gänze von Prostituierten bewohnt werden") sohin nicht unterstellt werden, dass er den Gemeinden die Möglichkeit einräumen wollte, durch Verordnung die Ausübung der Prostitution pauschal in einem ganzen Ortsgebiet zu verbieten.
§6 Abs1 Bgld. PolStG sieht die - ausdrücklich nur auf bestimmte Orte oder bestimmte Zeiten eingeschränkte - Zuständigkeit der Gemeinden zur Erlassung von erforderlichen Prostitutionsverboten vor; eine undifferenzierte, ganze Ortsgebiete umfassende Ermächtigung würde auch §4 Abs3 Bgld. PolStG entbehrlich machen, der selbst für bestimmte Orte bzw. Gebäude (zB Gebäude, die religiösen Zwecken gewidmet sind, Schulen, Spielplätze, Krankenhäuser, Wohnungen, die auch von Kindern und/oder Jugendlichen genutzt werden, etc.) ein Verbot der Anbahnung und Ausübung der Prostitution normiert.
3.4. Es ist daher davon auszugehen, dass die Gemeinden die Anbahnung bzw. Ausübung der Prostitution mit Verordnung nur dann in ganzen Ortsgebieten verbieten dürften, wenn und soweit ein solch umfassendes Verbot iSd §6 Abs1 Bgld. PolStG zum Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung oder aus öffentlichen Interessen tatsächlich erforderlich wäre.
Wie der antragstellende UVS - unter Hinweis auf die unterschiedliche Bebauungsdichte in Oberwart (Stadtzentrum und Stadtrand bzw. Wohn- und Industriegebiete) - zutreffend ausführt, nimmt §1 der angefochtenen Verordnung jedoch keine Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten vor.
Dass §1 der Verordnung auf den Schutz der Nachbarschaft vor unzumutbarer Belästigung und die öffentlichen Interessen (Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie Jugendschutz) abstellt, kann diese mangelnde Differenzierung nicht ersetzen.
Ausschlaggebend für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Wortfolge ist nämlich, ob ein Prostitutionsverbot im gesamten Stadtgebiet von Oberwart tatsächlich erforderlich iSd §6 Abs1 Bgld. PolStG ist. Weder der Verordnung selbst noch den vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften Verordnungsakten sind hingegen nachvollziehbare Überlegungen zur konkreten Erforderlichkeit des in Rede stehenden Verbots zu entnehmen, die eine derart weit reichende Regelung gerechtfertigt erscheinen ließen. Die Wortfolge "im Stadtgebiet von Oberwart und" in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 15. September 1998 über das Verbot der Prostitution im Stadtgebiet von Oberwart und im Ortsteil von St. Martin in der Wart findet sohin in §6 Abs1 Bgld. PolStG keine Deckung.
4. Die angefochtene Wortfolge war daher als gesetzwidrig aufzuheben.
IV. Die Bestimmung einer Frist für das Außer-Kraft-Treten der aufgehobenen Verordnungsstelle gründet sich auf Art139 Abs5 letzter Satz B-VG.
Die Verpflichtung der Burgenländischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und des damit im Zusammenhang stehenden weiteren Ausspruchs erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 VfGG.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Polizeirecht, ProstitutionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2006:V45.2006Dokumentnummer
JFT_09938796_06V00045_00