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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des E in G, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1991, Zl. 4.315.605/2-III/13/91, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Asylwesens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 17. Mai 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. September 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen, weil der erstinstanzliche Bescheid vom Beschwerdeführer am 25. Juni 1991 übernommen worden sei und er die Berufung erst am 10. Juli 1991 zur Post gegeben habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hält es zwar für möglich, daß ihm der erstinstanzliche Bescheid (erst) am 26. Juni 1991 - im Sinne des § 24 Zustellgesetz - unmittelbar ausgefolgt worden ist, behauptet aber nicht - wie in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid - dezidiert, daß die Zustellung an ihn erst an diesem Tag erfolgt sei.
Die Beantwortung der Frage, ob das Schriftstück dem Beschwerdeführer am 25. oder 26. Juni 1991 ausgehändigt worden ist, kann jedenfalls auf sich beruhen, weil der Beschwerdeführer mit Recht geltend macht, daß die belangte Behörde die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Zustellgesetz außer acht gelassen habe. Demnach hätte nur an den vom Beschwerdeführer bevollmächtigten Vertreter, Rechtsanwalt Dr. M in G, der bereits unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht namens des Beschwerdeführers den zugrundeliegenden Asylantrag vom 21. März 1991 gestellt hat, rechtswirksam zugestellt werden können, zumal den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen ist, daß der Erstbehörde bis zur Erlassung ihres Bescheides eine Auflösung des Bevollmächtigungsverhältnisses bekanntgegeben worden ist. Mit der Ausfolgung des Schriftstückes an den Beschwerdeführer persönlich war daher nicht die Rechswirksamkeit der Zustellung verbunden. Nach der genannten Gesetzesstelle galt vielmehr die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist. Das sei aber nach dem Beschwerdevorbringen nie der Fall gewesen, sondern sei das Schriftstück dem nunmehrigen Beschwerdevertreter am 1. Juli 1991 "tatsächlich zugekommen". Sollte letzteres zutreffen, so wäre auf diese Weise eine Heilung des Zustellmangels weder gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz eingetreten, weil der nunmehrige Beschwerdevertreter als Zustellungsbevollmächtigter des Beschwerdeführers erst in der Berufung namhaft gemacht wurde, noch gemäß § 7 leg. cit. bewirkt worden, weil das Schriftstück nicht für den nunmehrigen Beschwerdevertreter (sondern für den Beschwerdeführer persönlich) bestimmt und er daher nicht als dessen Empfänger anzusehen war.
Daraus ergibt sich, daß bei Richtigkeit dieses Beschwerdevorbringens die Berufung des Beschwerdeführers im Hinblick darauf, daß sie sich gegen einen noch nicht rechtswirksam erlassenen Bescheid richtete, als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre. Dadurch, daß sie demgegenüber als verspätet zurückgewiesen worden ist, wurde der Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt, weil damit, je nachdem welcher der beiden Zurückweisungsgründe gebraucht wird, unterschiedliche Rechtsfolgen für den Beschwerdeführer verbunden sind. Bliebe nämlich der angefochtene Bescheid aufrecht, so stünde (auf Grund der Rechtskraft des erstinstanzlichen Bescheides, von der in diesem Falle auszugehen wäre) fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei; hingegen wäre bei Beseitigung des angefochtenen Bescheides aus dem Rechtsbestand und Zurückweisung der Berufung mangels Erlassung eines Bescheides der erstinstanzliche Bescheid neuerlich zuzustellen und über eine dann vom Beschwerdeführer allenfalls erhobene Berufung zu entscheiden.
Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand lediglich S 11.120,-- beträgt und darin die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Verfahrensrechtliche Bescheide Zurückweisung Kostenbescheide Ordnungs- und Mutwillensstrafen Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Rechtsverletzung sonstige FälleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992010001.X00Im RIS seit
08.04.1992