TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/8 87/12/0136

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Veröffentlicht am 08.04.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §56;
AVG §59 Abs1;
BDG 1979 §51 Abs2;
GehG 1956 §13 Abs3 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Knell, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerde der NN in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundeskanzlers vom 27. Juli 1987, Zl. 103.898/5-I/2/87, betreffend Feststellung der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Revident in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Bundeskanzleramt.

Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 51 Abs. 2 BDG 1979 vom 4. Juli 1986 bis einschließlich 1. Dezember 1986 ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen und gemäß Abs. 1 dieses Gesetzes seit dem 16. Februar 1987 ungerechtfertigt vom Dienst abwesend sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf, daß ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 51 BDG 1979 festgestellt werde, sie sei während der im Bescheid genannten Zeiten ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen, durch unrichtige Anwendung dieser Norm, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung (§§ 1, 8 DVG, §§ 37, 39 und 60 AVG) verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Die im 6. Abschnitt des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 "Dienstpflichten des Beamten" enthaltene, von der belangten Behörde als alleinige Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides herangezogene Bestimmung des § 51 BDG 1979 hat folgenden Wortlaut:

"§ 51. (1) Der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen.

(2) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er seinem Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle es verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt."

Diese Bestimmung enthält in den Abs. 1 und Abs. 2 erster Satz die Normierung zweier Dienstpflichten, während Abs. 2 zweiter Satz als lex specialis im Verhältnis zu § 13 Abs. 3 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 anzusehen ist. Letzteres hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 1981, Zlen. 81/12/0036 und 81/12/0048, Slg. NF Nr. 10.489/A, ausdrücklich in einem Verfahren über Entfall der Bezüge nach der zuletzt zitierten Bestimmung ausgesprochen. Der Entfall der Bezüge nach dieser Bestimmung tritt ein, wenn der Beamte eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst fernbleibt, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, für die Gesamtdauer der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst.

Keiner der hier von der Behörde angewendeten Normen ist zu entnehmen, daß eine gesonderte Feststellung der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst zulässig wäre.

Mangels einer dem § 228 ZPO vergleichbaren Norm ist es strittig, ob im Verwaltungsrecht Feststellungsbescheide zulässig sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können die Verwaltungsbehörden im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit Feststellungsbescheide erlassen, wenn die Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei liegt und die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1987, 86/12/0147, Slg. NF Nr. 12586/A). Für einen Feststellungsbescheid ist jedoch dort kein Raum, wo ein Leistungsbescheid möglich ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1986, 86/01/0175, Slg. NF Nr. 12354/A, und die dort zitierte Lehre und Rechtsprechung). Kann die Frage, die im Verwaltungsverfahren strittig ist, im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgesehenen Verfahrens entschieden werden, dann ist, im Sinne dieser Rechtsprechung, die Erlassung eines Feststellungsbescheides unzulässig (vgl. auch die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1987, Zl. 87/12/0095, vom 30. April 1984, Zl. 83/12/0093, vom 13. Oktober 1986, Zl. 85/12/0122 und Zl. 85/12/0106, vom 6. Februar 1989, Zl. 87/12/0112, vom 19. März 1990, Zl. 88/12/0103 und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1977, Slg. 8.047).

Die bescheidmäßige Feststellung rechtserheblicher Tatsachen ist nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unzulässig, wenn nicht eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dafür vorliegt (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. November 1958, Zl. 57/58, Slg. NF Nr. 4822/A und vom 12. Februar 1985, Zl. 84/04/0072 sowie Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1969, Slg. 6050).

Auf dem Boden der dargestellten Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes erweist sich die Erlassung des angefochtenen Feststellungsbescheides durch die belangte Behörde als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weil die Frage der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst nicht Gegenstand gesonderter Feststellung sein darf. Das öffentliche Interesse spricht in einem solchen Fall keineswegs dafür, die unmittelbare Rechtsfolge einer solchen Feststellung als Vorfrage für den Entfall der Bezüge gemäß § 13 Abs. 3 Z. 2 des Gehaltsgesetzes 1956 von der Hauptfrage zu trennen, da durch einen Abspruch über die Leistungsfreiheit das öffentliche Interesse des Bundes am Entfall der Bezüge mit Rechtskraftwirkung verwirklicht wird, während im Spruch des angefochtenen Bescheides nur die Feststellung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für diese Rechtsfolge getroffen worden sind. Ein der Rechtsverteidigung allenfalls dienender Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Rechtfertigung ihrer Abwesenheit vom Dienst lag dem Verwaltungsverfahren im Gegenstand nicht zugrunde.

Der angefochtene Bescheid mußte daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der nach ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter AbspruchAnspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1987120136.X00

Im RIS seit

06.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

24.09.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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