TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/9 91/06/0243

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Veröffentlicht am 09.04.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L80007 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauRallg;
ROG Tir 1984 §14 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der CR in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 6. November 1991, Zl. Ve-550-1821/6, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 7. März 1990 beantragte die mitbeteiligte Gemeinde als Bauwerberin die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung zur Errichtung eines Gebäudes auf den Grundparzellen 123 und 125, KG G. Im Erdgeschoß sind eine Garage, Magazin und ein Geräteraum für Gemeindefahrzeuge vorgesehen, die Zufahrt liegt an der Nordseite des Gebäudes. Südseitig grenzt das Gebäude an eine Böschung, ein im Obergeschoß vorgesehenes Flugdach ist über die Böschung zu erreichen und als Lagerraum geplant. Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Verhandlung für den 11. April 1990 anberaumt, zu der die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann als Anrainer mit gemeinsamer Zustellung unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden. Die Liegenschaft der Beschwerdeführerin liegt südlich des Baugrundstückes und ist von diesem durch einen Weg (1824/2 - öffentliches Gut) getrennt. In der Verhandlung brachten die anwaltlich vertretenen Anrainer (unter ihnen die Beschwerdeführerin) vor, die Grundparzelle 125 sei noch nicht rechtskräftig umgewidmet, die Realisierung des Bauvorhabens sei für die Anrainer mit unzumutbarem Lärm verbunden, abgesehen davon, daß eine gewerbliche Genehmigung für den Betrieb der Garagen und des Lagerplatzes nicht vorliege; die Wohnqualität ginge verloren und die Anrainer seien gesundheitlich gefährdet. Hierauf legte die Gemeinde ein lärmtechnisches Gutachten des Dipl.Ing. P.F. vom 28. Mai 1990 vor, der nach Durchführung von Lärmmessungen zusammengefaßt zu dem Schluß gelangte, durch das Zu- und Abfahren zum geplanten Bauhof würden die tatsächlich herrschenden, örtlichen Verhältnisse (der Lärmpegel) um weniger als ein Dezibel angehoben, was vom normalen, menschlichen Ohr nicht wahrgenommen werden könne. In dem durch das neue Gebäude abgeschirmten Bereich verringere sich die Gesamtimmission um 2 dB. Zusätzliche Pegelspitzen lägen um 19 dB unter der allgemein üblichen, zumutbaren Grenze. Der Geräuschcharakter der zusätzlichen Immissionen unterscheide sich von den örtlichen Verhältnissen nicht. Die Lärmimmission finde nur an Werktagen während der ortsüblichen Arbeitszeit statt. In der Stellungnahme zu diesem Gutachten führte der Vertreter der Beschwerdeführerin aus, die betrieblichen Notwendigkeiten ließen eine zeitliche Beschränkung der Abfahrten des Gemeindetraktors oder eines anderen Fahrzeuges vom Bauhof keinesfalls als gegeben erscheinen. So werde zum Beispiel der Gemeindetraktor beim Schneeräumen oder Einkiesen schon um 4.00 Uhr früh in Betrieb genommen, dringende Arbeiten, wie kürzlich die nächtliche Reparatur eines Wasserrohrbruches erforderten ständige Fahrten zu einer Zeit, zu der der Grundgeräuschpegel weit niedriger und der durch Zu- und Abfahrt verursachte Lärm umso störender sei. Schließlich seien die vom Sachverständigen vorgenommenen Messungen nur auf der Zufahrtsseite der Lagerhalle, nicht jedoch auch auf der entgegengesetzten Seite durchgeführt worden, der Abschirmungseffekt durch das zu errichtende Bauwerk trete dort nicht ein, es sei im Gegenteil dort noch näher an den Wohngebäuden.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. Oktober 1990 wurde der mitbeteiligten Gemeinde, vertreten durch den Vizebürgermeister, die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von insgesamt 22 Auflagen erteilt. Unter Punkt 22. wurde vorgeschrieben, daß an der Nordseite des Gebäudes eine Öffnung und innen eine Treppe zu errichten sei. Weiters sei eine Aufzugsmöglichkeit an der Nordseite des Gebäudes anzubringen, um Materialien aufziehen zu können. Die Einwendungen der Anrainer wurden abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin und andere Anrainer vor, dem zugestellten Baubescheid müßten die Berufungswerber entnehmen, daß die Bauwerberin eine Abänderung des Projektes vorhabe. Diese Abänderungspläne seien den Berufungswerbern nicht vorgelegt worden. Daß beispielsweise an der Nordseite des Gebäudes eine Öffnung und im Inneren eine Treppe sowie ein Aufzug errichtet werden solle, hätten die Berufungswerber erstmals mit dem Bescheid erfahren. Die Baubehörde hätte gemäß § 31 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung das Bauansuchen zurückweisen müssen, weil sich aus dem Ansuchen selbst ergab, daß das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche. Für das Baugrundstück sei landwirtschaftliches Mischgebiet gemäß § 14 Abs. 2 lit. c des Tiroler Raumordnungsgesetzes festgesetzt. Hier seien nur Bauten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, sowie gewerbliche Klein- und Mittelbetriebe zulässig. Die Errichtung eines Bausilos einer Gemeinde sei auf solchen Flächen von vornherein schlicht unzulässig. Überdies seien die gesundheitlichen Folgen durch einen ärztlichen Sachverständigen zu ermitteln. Das sei im Verfahren nicht geschehen, Nachteinsätze seien nicht miteinkalkuliert worden.

Mit Schreiben vom 8. Jänner 1991 brachte die Berufungsbehörde dem Beschwerdevertreter ein Gutachten des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Landeck Dr. H.F. vom 22. August 1990 zur Kenntnis. Dieser Gutachter kam zu dem Schluß, für die südlich im Hang gelegenen Häuser käme es durch die Traktorzufahrten und Anfahrten und die Ladetätigkeiten auf dem Obergeschoß zu einer unzumutbaren Verschlechterung der Wohnqualität. Der von den Anrainern vorgebrachte Einwand einer etwaigen Gesundheitsstörung sei bei einer Tätigkeit während des Tages nicht anzunehmen. Ob durch Einsätze während der Nacht, z. B. durch Schneeräumen, durch Störung des Schlafes und damit der Erholungsphase eine Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei, könne erst nach Einholung der Aufzeichnungen der Tiroler Wetterdienststelle über die Anzahl der nächtlichen Schneefälle in den letzten Jahren beurteilt werden. Zu diesem Gutachten brachte die Beschwerdeführerin zusammengefaßt vor, es seien noch Erhebungen betreffend die Häufigkeit der nächtlichen Einsätze durchzuführen, überdies ergebe sich bereits aus dem Gutachten selbst, daß es zu einer unzumutbaren Verschlechterung der Wohnqualität kommen könne.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. April 1991 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin und anderer Anrainer abgewiesen, der erstinstanzliche Bescheid aber insofern abgeändert, als zwei weitere Auflagen vorgeschrieben wurden, nämlich

"23.

Das holzverschalte Flugdach im Obergeschoß ist ausschließlich zur Lagerung von gemeindeeigenen Materialien wie Bauwaren, Gerüstmaterial, Sperrvorrichtungen u.dgl. bestimmt. Unzulässig ist die Verwendung als Betriebsraum, insbesondere zur Be- oder Verarbeitung jeglicher Materialien.

24.

Die Beladung, Zu- und Ablieferung von Material darf, ausgenommen bei dringendem Bedarf wegen Gefahr in Verzug und bei Katastrophenfällen nur zu den ortsüblichen Betriebszeiten, keinesfalls jedoch während der Nachtstunden von 7.00 bis 18.00 Uhr erfolgen."

Zur Begründung führte die Berufungsbehörde im wesentlichen aus, ein Lager- und Garagengebäude der gegenständlichen Art, das von seinem Typus her durch Art und Frequenz der Nutzung weniger Emissionen hervorrufe, als ein regelmäßig betriebener Gewerbebetrieb, sei im landwirtschaftlichen Mischgebiet eindeutig zulässig, sofern daraus keine Gefahr für Leben und Gesundheit der Bewohner dieses Gebietes zu befürchten sei. Aufgrund des lärmtechnischen Gutachtens und des darauf basierenden amtsärztlichen Gutachtens sei klargestellt, daß von einer Gesundheitsgefährdung während der Tageszeit keine Rede sein könne. Um die zeitlichen Zu- und Abfahrten einzuschränken, sowie die Art des eingelagerten Materiales festzuhalten, seien in der Berufungsentscheidung die Auflagen 23. und 24. eingefügt worden.

Aufgrund der Vorstellung der Beschwerdeführerin und anderer Anrainer hat die belangte Behörde das Ermittlungsverfahren ergänzt und Lieferscheine sämtlicher Winterdienstfahrten der Gemeinde aus den letzten zwei Jahren, in denen auch der Nachtdienstzuschlag bzw. der Sonn- und Feiertagszuschlag verrechnet wurden, eingeholt. Weiters wurde eine ärztliche Stellungnahme des Univ.Doz.Dr. P. vom 25. Juni 1991 sowie ein Gutachten der Sanitätsabteilung der Tiroler Landesregierung vom 13. September 1991 eingeholt. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden dem Beschwerdevertreter mit Schreiben vom 19. September 1991 zur Kenntnis gebracht, der die eingeholten Gutachten zum Teil als wertlos, zum Teil als ergänzungsbedürftig erachtete und die Einholung weiterer Gutachten, die Durchführung eines Augenscheines und die Einvernahmen von Zeugen beantragte.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 6. November 1991 wurde die Vorstellung abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, bei den unter den Punkten 23. und 24. aufgenommenen Auflagen handle es sich um keine Änderung des Bauprojektes, da der Charakter des Bauvorhabens nicht geändert worden sei. Vielmehr bilde Gegenstand der erteilten Baubewilligung weiterhin das ursprünglich beantragte und bewilligte Projekt. Auch die Ausgestaltung des Obergeschosses habe keine Änderung erfahren. So sei nach wie vor ein Flugdach in Holzkonstruktion laut eingereichten Plänen geplant und bewilligt. Dieses Flugdach solle zur Lagerung von Bauwaren, Gerüstmaterial und dergleichen verwendet werden. Zwar sei die im Spruch unter Punkt 24. angeführte zeitliche Einschränkung "von 7.00 bis 18.00 Uhr" anstatt von 18.00 bis 7.00 Uhr widersprüchlich, hiebei handle es sich jedoch um eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit im Bescheid, die dem Bescheidadressaten offenkundig und erkennbar sein mußte. Eine derartige Unrichtigkeit könne von der Behörde jederzeit von Amts wegen berichtigt werden, es bestehe doch darauf kein Rechtsanspruch, wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis vom 11. März 1983, Zl. 82/04/0126, ausgeführt habe. Hinsichtlich der zu erwartenden Lärmbeeinträchtigung sei ein ausführliches Gutachten eines hiezu befähigten Sachverständigen eingeholt worden. Dieser habe Messungen an der südlichen Grundgrenze der Gp. 125 durchgeführt und in ausführlicher und nachvollziehbarer Weise die Beurteilungsgrundlagen dargelegt und sodann anhand der ausgewerteten Messungsergebnisse seine Schlüsse in bezug auf mögliche Lärmbeeinträchtigungen gezogen. Die vom lärmtechnischen Sachverständigen ermittelten Lärmwerte seien sodann einer Beurteilung hinsichtlich möglicher gesundheitsbeeinträchtigender Auswirkungen unterzogen worden. Der medizinische Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 22. August 1990 festgestellt, daß die Schallimmissionen zwar eine Verschlechterung der Wohnqualität für den Bereich der südlich vom Bauprojekt im Hang gelegenen Häuser bedeuten würde, eine etwaige Gesundheitsstörung wäre entgegen den Einwendungen der Anrainer bei einer Tätigkeit während des Tages nicht gegeben. Ebenso verneine Univ.Doz.Dr. P. in seinem Gutachten vom 25. Juni 1991 eine Gesundheitsgefährdung durch das geplante Projekt. Eine solche sei erst ab 85 dB(A) gegeben, welche jedoch nicht erreicht würden. Der gemessene Grundgeräuschpegel von 37 db(A) entspreche dem Geräuschpegel eines ruhigen Wohnzimmers, die gemessenen Schallpegelspitzen von 73 dB(A) bei An- und Abfahren (Dauer ca. eine Minute) etwa den in Büroräumen herrschenden Schallimmissionen. Überdies nähmen Schalldruckpegel im Freien um 6 dB(A) je Abstandsverdoppelung ab. Aus den eingeholten Lieferscheinen habe sich ergeben, daß im Winter 1989/90 11 und im Winter 1990/91 24 Nachteinsätze stattgefunden hätten. Bei derartigen Einsätzen sei jedoch jeweils nur ein einmaliges Wegfahren und ein einmaliges Zufahren von und zum Abstellplatz des Fahrzeuges erforderlich, da der Splittsilo außerhalb der Ortschaft situiert sei. Üblicherweise falle dabei nur das Wegfahren vom Garagenplatz in die Nachstunden, da der Räumungs- bzw. Streueinsatz zumeist bis in die Vormittagsstunden dauere. In den Sommermonaten bzw. außerhalb der Winterdienstzeit seien Nachteinsätze im allgemeinen - außer in Katastrophenfällen - überhaupt nicht erforderlich. Die Fahrten im Wohnbereich selbst könnten im Rahmen eines Einsatzes nicht in die Beurteilung der zulässigen Immissionen miteinbezogen werden. Grundlage der Beurteilungsstelle stelle lediglich das Bauprojekt selbst und die von ihm unmittelbar ausgehenden Immissionen dar. Vorgänge, die sich außerhalb des Einflußbereiches des Baues abspielten, blieben unbeachtet. Nach dem medizinischen Gutachten der Sanitätsabteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 13. September 1991 bewirke die Zahl der monatlichen Nachteinsätze von drei bis vier, umgelegt auf die Wintermonate November, Dezember, Jänner, Februar und März, keine Gesundheitsbeeinträchtigung. Der durch den Verkehr auf öffentlichen Straßen entstehende Lärm sei nicht durch das Bauprojekt selbst verursacht und könne damit nicht geeignet sein, zu einer Versagung der Baubewilligung zu führen. Die Gutachten seien schlüssig und nachvollziehbar. Die Zulässigkeit des beantragten Bauvorhabens in der Widmungskategorie landwirtschaftliches Mischgebiet im Sinne des § 14 Abs. 2 lit. c des Tiroler Raumordnungsgesetzes ergebe sich daraus, daß das Bauvorhaben in seinem Umfang einem gewerblichen Kleinbetrieb gleichgehalten werden könne und sich aus den aufgenommenen Beweisen ergebe, daß für die Bewohner dieses Gebietes keine Gefahr für das Leben und die Gesundheit zu befürchten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, eine kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10317/A, uva.).

Gemäß § 30 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 33/1989, sind Nachbarn Eigentümer von Grundstücken, die zu dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, daß durch die bauliche Anlage oder durch deren Benützung hinsichtlich der durch dieses Gesetz geschützten Interessen mit Rückwirkungen auf ihr Grundstück oder die darauf errichtete bauliche Anlage zu rechnen ist. Dem Grundeigentümer ist der Bauberechtigte gleichgestellt.

Gemäß § 30 Abs. 4 TBO hat die Behörde über eine Einwendung des Nachbarn abzusprechen, die die Verletzung eines Rechtes behauptet, das in einer Bestimmung dieses Gesetzes oder einer Verordnung aufgrund dieses Gesetzes begründet ist, die nicht nur die Wahrung der öffentlichen Interessen, sondern auch dem Schutz des Nachbarn dient (subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendung). Subjektiv öffentlich-rechtliche Einwendungen können insbesondere auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 16b des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, die Bauweise, die Bauhöhe, die Mindestabstände von baulichen Anlagen, die Beschaffenheit des Bauplatzes und den Brandschutz gestützt werden.

Die Präklusionsfolgen treffen nur jene Antragsgegner, die, obwohl ordnungsgemäß geladen (bekannte Beteiligte sind persönlich zu laden), keine oder keine dem Gesetz entsprechenden Einwendungen erhoben haben. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinen Erkenntnissen vom 6. Mai 1986, Zl. 85/04/0185, sowie vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0194, ausgesprochen, daß keine ordnungsgemäße Zustellung vorliegt, wenn im Falle des Vorhandenseins mehrerer Parteien die behördliche Erledigung in einer gemeinsamen Sendung an diese Parteien adressiert war, es sei denn, daß ihnen die Sendung nachweislich tatsächlich zugegangen ist (vgl. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Anm. 9 zu § 5 ZustellG). Im Beschwerdefall wurde die Ladung zur Verhandlung vom 11. April 1990 in gemeinsamer Sendung an die Beschwerdeführerin und ihren Ehegatten vorgenommen. Die Übernahme des Poststückes erfolgte durch eine Angestellte, wobei aber nicht geklärt ist, ob es sich um eine gemeinsame Angestellte der Ehegatten handelte. Es kann aber aus den in der Folge ausgeführten Gründen, dahingestellt bleiben, ob Präklusion vorliegt.

Im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde, genehmigt mit Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Oktober 1989, sind die gegenständlichen Liegenschaften als landwirtschaftliche Mischgebiete im Sinne des § 14 Abs. 2 lit. c des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, LGBl. Nr. 4/84 (TROG) ausgewiesen. In Mischgebieten dürfen grundsätzlich u.a. Betriebsanlagen errichtet werden, die für die Bewohner dieses Gebietes keine Gefahr für Leben und Gesundheit befürchten lassen. In landwirtschaftlichen Mischgebieten dürfen Bauten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, deren Lärm- und Geruchsemissionen das für solche Betriebe übliche Ausmaß nicht übersteigen, sowie Bauten für gewerbliche Klein- und Mittelbetriebe, im übrigen aber nur die im Wohngebiet zulässigen Bauten errichtet werden.

Das eingereichte Projekt sieht nach den Einreichunterlagen im Erdgeschoß eine 27,30 m2 große Garage, ein 18,50 m2 großes Magazin, ein WC, einen 4,16 m2 Waschraum, einen 11,84 m2 großen Pflegeraum, sowie einen 117 m2 großen Geräteraum für Traktor, Frontladegerät, Hänger, Schneepflug, Kompressor und einen kleinen LKW vor. Das im Obergeschoß geplante Flugdach im Ausmaß von 100 m2 ist für die Lagerung von Bauwaren, Gerüstmaterial und Bauholz vorgesehen. Aus der Vorschreibung zu Punkt 23. des Bescheides des Gemeindevorstandes vom 16. April 1991 geht hervor, daß die Verwendung des holzverschalten Flugdaches im Obergeschoß als Betriebsraum, insbesondere zur Be- oder Verarbeitung jeglicher Materialien unzulässig ist. Punkt 24. bestimmt, daß die Beladung, Zu- und Ablieferung von Materialien - ausgenommen bei dringendem Bedarf wegen Gefahr in Verzug und bei Katastrophenfällen nicht während der Nachtstunden erfolgen darf. Angesichts der Ausgestaltung des Bauvorhabens sowie der von der Berufungsbehörde vorgenommenen Nutzungsbeschränkungen kann weder der Berufungsbehörde, noch der belangten Behörde entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen sind, daß das eingereichte Projekt einem gewerblichen Klein- oder Mittelbetrieb entspricht. Ob dieser Betrieb ein gemeindeeigener Bauhof ist oder ein privates Unternehmen i.S.d. Gewerbeordnung, ist unter den hier allein maßgebenden raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten (vor allem dem der vom Betrieb ausgehenden Emissionen) ohne Bedeutung.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, daß das Bauprojekt durch Vorschreibung der Auflagen Punkt 23. und 24. durch die Berufungsbehörde eine Änderung erfahren habe. Nun sieht § 31 Abs. 10 TBO vor, daß eine Baubewilligung befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen ist, soweit dies erforderlich ist, damit den von der Behörde zu wahrenden öffentlichen Interessen und den öffentlichen Nachbarrechten entsprochen wird, und soweit hiedurch das Bauvorhaben in seinem Wesen nicht verändert wird. Ausschlaggebend ist daher, ob der Charakter des Bauvorhabens verändert wird. Durch die Auflagen zu Punkt 23. und 24. wurden jedoch nur Einschränkungen in der Betriebszeit und im Verwendungszweck vorgenommen, ohne daß dadurch die Identität des Bauprojektes verändert worden wäre. Da durch diese Auflagen auch keine bauliche Abänderung bewirkt wurde, war auch die Bauwerberin entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin nicht aufzufordern, einen neuen Tekturplan einzureichen.

Es ist daher nur noch zu untersuchen, ob die belangte Behörde zu Recht annehmen durfte, daß von diesem Betrieb keine Gesundheitsgefährdung (insbesondere durch Lärmentwicklung) i. S.d. § 14 Abs. 1 TROG ausgehen werde. Der Amtssachverständige hatte zu dieser Frage bereits in seinem Gutachten vom 22. August 1990 dargelegt, daß aufgrund der vorgenommenen Messungen nicht davon ausgegangen werden könne, daß Gesundheitsstörungen bei einer Tätigkeit während des Tages auftreten könnten. Zutreffend hat aber die belangte Behörde erkannt, daß aufgrund des Vorbehaltes in diesem Gutachten, wonach mangels Vorliegens von Aufzeichnungen über die nächtlichen Einsätze eine abschließende Beurteilung, ob eine Gesundheitsgefährdung zu erwarten sei, nicht möglich sei, das Verfahren ergänzungsbedürftig geblieben ist. Die Aufsichtsbehörde hat entsprechende Aufzeichnungen sowie ein Gutachten der Sanitätsabteilung des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 13. September 1991 eingeholt. In diesem Gutachten kommt zuammengefaßt zum Ausdruck, daß sich eine monatliche Zahl der Einsätze von drei bis vier während der Wintermonate November bis März ergibt und diese Zahl der Nachteinsätze nicht zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung führen könne. Sowohl das Gutachten des Dipl.Ing. D.vom 28. Mai 1990 als auch die ärztlichen Gutachten sind auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes schlüssig und nachvollziehbar. Insbesondere das aufgrund der ergänzten Ermittlungen erstellte medizinische Gutachten vom 13. September 1991 steht mit den Erfahrungen des täglichen Lebens durchaus im Einklang. Dazu kommt noch, daß ein Teil der nächtlichen Einsätze (zum Beispiel Ausfahrt des Schneeräumgerätes) nur aus der nördlichen, durch das zu errichtende Gebäude selbst von der Liegenschaft der Beschwerdeführerin abgeschirmten Zufahrt erfolgen kann. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde auch zutreffend ausgeführt, daß der Einsatz der gemeindeeigenen Fahrzeuge auf der öffentlichen Verkehrsfläche nicht zu berücksichtigen ist, sondern nur jener im Bereich der Grundparzellen Nr. 123 und 125, weil den Nachbarn hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen kein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 30 Abs. 4 TBO zukommt (vgl. das hg.

Erkenntnis vom 25. Februar 1982, Zl. 06/3615/80).

     Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war

sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

     Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG

in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Begehren der mitbeteiligten Gemeinde um Zuerkennung von Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechtes im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 2 Z. 2 des Gebührengesetzes 1957 von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060243.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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