TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/9 89/06/0208

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Veröffentlicht am 09.04.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1978 §25 litf idF 1989/010;
BauO Tir 1978 §26 Abs1 idF 1989/010;
BauO Tir 1978 §26 Abs2 idF 1989/010;
BauO Tir 1989 §25 litf;
BauO Tir 1989 §44 Abs3 lita;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder, den Vizepräsidenten Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des H in A, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. November 1989, Zl. Ve-550-1555/4, betreffend Entfernung eines Verkaufswagens (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Der Beschwerdeführer hatte mit Bauanzeige vom 8. Juni 1988 der mitbeteiligten Gemeinde das "Aufstellen eines nicht überwiegend ortsfest gebundenen bzw. benutzten, fahrbaren Verkaufswagens (Würstelstand) auf dem Parkplatz "XY" im Gemeindegebiet S - Grundparzelle 841/1" - angezeigt.

2. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 5. Mai 1989, zugestellt am 9. Mai 1989, wurde dem Beschwerdeführer die Entfernung dieses Verkaufswagens binnen zwei Wochen aufgetragen.

3. Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 31. Mai 1989 wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Die Berufungsbehörde änderte den Spruch lediglich dahingehend ab, daß die Beseitigung des Verkaufswagens binnen zwei Wochen, gerechnet ab Rechtskraft des Berufungsbescheides, aufgetragen wurde. In der Begründung wird insbesondere dargelegt, daß der Berufungswerber auf Grund einer im Jahre 1988 erfolgten Bauanzeige nicht ableiten könne, daß damit für den zwischenzeitlich entfernten und Anfang 1989 wiederum aufgestellten Verkaufswagen keine Genehmigungspflicht bestehe.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die Vorstellung an die Tiroler Landesregierung. Er begründete die Vorstellung im wesentlichen damit, daß das nach seinerzeitiger Rechtslage lediglich anzeigepflichtige Bauvorhaben von der Baubehörde nicht rechtzeitig - nämlich binnen sechs Wochen - untersagt worden wäre und die Änderung der Rechtslage durch die 3. Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 10/1988, durch die auch nicht ortsfeste Verkaufswagen der Bewilligungspflicht unterworfen wurden, erst nach der - nach Ansicht des Vorstellungswerbers rechtmäßigen - bewilligungsfreien Aufstellung des Verkaufswagens eingetreten sei.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, daß es der Gesetzeslage entsprochen hätte, wenn die Baubehörde bereits die bei Fällung des Bescheides in Kraft gestandene Tiroler Bauordnung in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 10/1989 angewendet hätte. Demnach sei aber entsprechend § 25 lit. f u.a. das Abstellen und Benützen von Verkaufswagen - im Gegensatz zur alten Rechtslage - unabhängig davon, ob diese überwiegend ortsfest benützt werden sollen, bewilligungspflichtig. Der Vorstellungswerber könne aus der von ihm am 8. Juni 1988 erstatteten Bauanzeige und der nicht fristgerecht erfolgten Untersagung des Bauvorhabens keine "Bewilligung" ableiten. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei in der Kenntnisnahme einer Bauanzeige kein der Rechtskraft fähiger Abspruch über die Qualifikation eines Bauvorhabens als genehmigungs- oder anzeigepflichtig gelegen und sei die Baubehörde auch berechtigt, nach Ablauf der genannten Frist, für den Fall, als es sich um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelte, nach § 26 Abs. 2 der Tiroler Bauordnung vorzugehen. Dürfe grundsätzlich mit der Ausführung eines Bauvorhabens nach Ablauf der in § 36 Abs. 2 leg.cit. genannten Frist nur dann begonnen werden, wenn es sich nicht um bewilligungspflichtige Bauvorhaben handelte, so könne der Berufungsbehörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie für den gegenständlichen Verkaufswagen, der nach der Bestimmung des § 25 lit. f TBO unstreitig bewilligungspflichtig ist und welcher im Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften Entscheidung bereits aufgestellt war, weshalb eine Untersagung des angesuchten Bauvorhabens nach § 26 Abs. 3 leg.cit. nicht nicht mehr in Frage kommen konnte, entsprechend der Vorschrift des § 44 Abs. 4 lit. a TBO vorgegangen ist und einen Beseitigungsauftrag erlassen hat.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Sie sieht den angefochtenen Bescheid als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet an und beantragt seine Aufhebung.

7. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Zu dieser Gegenschrift hat der Beschwerdeführer eine Gegenäußerung erstattet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A, hat die Rechtsmittelbehörde - dies gilt in gleicher Weise auch für jede andere behördliche Entscheidung - im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum Rechtens war. Dieser Rechtsprechung liegt die richtige Rechtsauffassung zugrunde, daß die Frage, welches Recht von der Behörde anzuwenden ist, eine Auslegungsfrage jener Bestimmungen ist, die den zeitlichen Anwendungsbereich zum Gegenstand haben. Eine solche Regelung kann explizit, z.B. in einer Übergangsbestimmung, erfolgen. Sie kann sich aber auch aus dem Regelungsgegenstand der Norm, um deren Anwendung es geht, implizit ergeben, etwa wenn auf einen bestimmten Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum abgestellt wird. Ergibt sich hieraus keine Lösung (im Sinne der Anwendung einer im Entscheidungszeitpunkt der Behörde nicht mehr in Geltung stehenden Rechtsnorm bzw. nicht mehr geltenden Rechtslage), gilt die Zweifelsregel, daß das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ist (vgl. die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/08/0140, vom 26. Februar 1987, Zl. 86/08/0115, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177, sowie das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, daß als maßgebende Rechtslage jene zum Zeitpunkt der Erlassung des in Prüfung gezogenen Bescheides anzusehen ist. Zu diesem Zeitpunkt war die Tiroler Bauordnung (TBO) in der Fassung ihrer Wiederverlautbarung, LGBl. Nr. 33/1989, anzuwenden. Die weiteren Fragen hinsichtlich der Anwendbarkeit von Vorschriften haben daher von den in dieser Fassung getroffenen Verfügungen über die Anwendbarkeit der TBO auszugehen. Mit § 25 lit. f (in der Fassung der der Wiederverlautbarung vorausgegangenen 3. Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 10 /1989) wurde einerseits die Bewilligungspflicht von Verkaufswagen auch für solche, die "nicht überwiegend ortsfest benutzt werden sollen", ausgedehnt. Weiters wurde an die Stelle des Sachverhaltes "Aufstellen von Verkaufswagen" der Sachverhalt "das Abstellen und Benützen von Verkaufswagen" eingefügt.

Unstrittig ist, daß das Aufstellen eines Verkaufswagens - und zwar ungeachtet seiner Ortsfestigkeit - jedenfalls nach der von der belangten Behörde zu beachtenden Rechtslage bewilligungspflichtig ist. Unbestritten ist weiters, daß der Beschwerdeführer - wie in der Begründung des Berufungsbescheides ausgeführt und vom Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde auch ausdrücklich eingeräumt wird - der Verkaufswagen zwischenzeitig entfernt und erst Anfang Mai 1989 wiederum aufgestellt wurde.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß sein Verkaufswagen, der nicht überwiegend ortsfest benutzt werden soll, nach der vor der 3. Bauordnungsnovelle geltenden Fassung des § 25 lit. f TBO nicht bewilligungspflichtig war. Nach dieser - damaligen - Rechtslage habe er der mitbeteiligten Gemeinde die Aufstellung gemäß § 26 Abs. 1 TBO angezeigt und habe die Behörde das angezeigte Bauvorhaben nicht gemäß § 26 Abs. 2 wegen gegebener Bewilligungspflicht untersagt. Der Beschwerdeführer habe daher den Verkaufswagen rechtmäßig aufgestellt. Der Abbruchauftrag nach § 44 Abs. 3 lit. a TBO setze aber voraus, daß die bauliche Anlage bereits zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungspflichtig gewesen war.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist aber die belangte Behörde mit ihren Ausführungen in der Gegenschrift im Recht, wenn sie - objektiv gestützt auf die Begründung des Berufungsbescheides, die unbestritten bleibt - hervorhebt, daß der Beschwerdeführer deshalb aus der seinerzeitigen rechtmäßigen Aufstellung des Verkaufswagens für die Begründung seiner Beschwerde deshalb nichts gewinnen kann, da der Beschwerdeführer den Verkaufswagen Ende Oktober/Anfang November 1988 außer Verwendung genommen und erst Anfang Mai 1989 wieder aufgestellt und in Betrieb genommen hat. Mit der Entfernung des Verkaufswagens war aber die rechtliche Erheblichkeit der seinerzeitigen Vorgänge - Anzeige des nicht bewilligungspflichtigen Vorhabens, Verschweigung der Baubehörde, (erstmalige) Aufstellung des Verkaufswagens - erschöpft und es ist die neuerliche Aufstellung des Verkaufswagens im Lichte der durch die 3. Bauordnungsnovelle gegebenen Rechtslage zu beurteilen, nach der jedenfalls ein bewilligungspflichtiges Vorhaben vorliegt. Die belangte Behörde kann sich daher zu Recht auf § 44 Abs. 4 lit. a TBO berufen, nach welcher Vorschrift die Behörde die Beseitigung eines Bauvorhabens innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist aufzutragen hat, wenn ein nicht unter Abs. 3 fallendes bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ausgeführt wurde, ohne daß eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt.

Die gegen diese Überlegung gerichteten Einwände des Beschwerdeführers (in seiner Äußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde) sind deshalb nicht zielführend, als es zum einen von vornherein an einem rechtskräftigen Bewilligungsbescheid mangelt, der überhaupt in ein Verhältnis zu einer späteren Rechtslage gesetzt werden kann. Lediglich die seinerzeitige - faktische - Aufstellung des Verkaufswagens war rechtmäßig, woraus der Beschwerdeführer aber - worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - nicht das Vorhandensein einer Baubewilligung (gleichsam als Fiktion) ableiten kann. Aus denselben Erwägungen können auch die Ausführungen zur Frage, ob ein nicht orstfester Verkaufswagen nach der alten - vor der 3. Bauordnungsnovelle - bestandenen Rechtslage überhaupt anzeigepflichtig war, grundsätzlich am Ergebnis nichts ändern, da die Bewilligungspflicht der neuerlichen Aufstellung des Verkaufwagens eben nach der seit der 3. Bauordnungsnovelle gegebenen Rechtslage zu beurteilen ist.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war die Beschwerde als in allen Punkten unbegründet gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Soweit in den Entscheidungsgründen auf frühere, nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichte Erkenntnisse verwiesen wird, wird Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 1965/49, in Erinnerung gebracht.

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989060208.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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