TE Vfgh Erkenntnis 1989/9/28 V197/88

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Veröffentlicht am 28.09.1989
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2 / Verordnung Verfahren gesetzwidrig
Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 17.09.1987, mit der eine Bausperre zur Sicherung der geplanten Festlegungen im 1. Grazer Bebauungsplan beschlossen wurde
Stmk RaumOG 1974 §33

Leitsatz

Anordnung der Kundmachung einer Verordnung in mehreren Publikationsorganen; dem Gesetzgeber innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums zukommende Entscheidung; Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz beschlossenen Bausperre wegen nicht gehöriger Kundmachung

Spruch

Die Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 17. September 1987, mit der eine Bausperre zur Sicherung der geplanten Festlegungen im 1. Grazer Bebauungsplan beschlossen wurde, kundgemacht im "Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz" vom 8. Oktober 1987, war gesetzwidrig.

Die Steiermärkische Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz beschloß am 17. September 1987 die Erlassung einer Verordnung über die "Bausperre zur Sicherung der geplanten Festlegungen im 1. Grazer Bebauungsplan". Diese Verordnung wurde (ausschließlich) im "Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz" vom 8. Oktober 1987 kundgemacht. Sie trat zufolge §9 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 7. Juli 1988 "mit der der 1. Grazer Bebauungsplan für das von

Kalvariengürtel-Kalvarienbergstraße-künftiger Grimmgasse - Austeingasse umfaßte Gebiet in der KG. IV, Lend, beschlossen wird" (Kundmachung im "Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz" vom 18. August 1988) mit dem Geltungsbeginn der eben angeführten Verordnung (nämlich dem 19. August 1988) außer Kraft.

2. Beim Verwaltungsgerichtshof ist zur Zl. 87/06/0141 das Verfahren über die Beschwerde gegen einen vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz im Devolutionsweg erlassenen Bescheid vom 19. November 1987 anhängig, mit welchem dem Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die begehrte Erteilung einer Widmungsänderungsbewilligung wegen Widerspruchs zur Bausperren-Verordnung vom 17. September 1987 versagt wurde. Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens beantragt der Verwaltungsgerichtshof unter der Zl. A67/88 mit Berufung auf Art139 B-VG iVm Art89 Abs2 und 3 B-VG, die Verordnung vom 17. September 1987 als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu auszusprechen, daß die Verordnung gesetzwidrig war. Der antragstellende Gerichtshof ist der Ansicht, daß die angefochtene Verordnung gesetzwidrig kundgemacht wurde, und begründet dies folgendermaßen:

"§33 Abs1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127, lautet:

'Der Gemeinderat hat, wenn dies zur Erlassung oder Änderung eines Flächenwidmungsplanes oder Bebauungsplanes notwendig ist, für das gesamte Gemeindegebiet oder für bestimmte Teile desselben mit Zweidrittelmehrheit durch Verordnung eine Bausperre zu erlassen. Die Verordnung ist in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für das Land Steiermark' und nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 bzw. des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 kundzumachen.'

Aus dieser gesetzlichen Regelung hat der Beschwerdeführer unter Berufung auf die Verwendung des Bindewortes 'und' im zweiten Satz des §33 Abs1 leg.cit. den Schluß gezogen, daß die Kundmachung einer Bausperre sowohl in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für das Land Steiermark' als auch gemäß dem Statut der Landeshauptstadt Graz zu erfolgen habe. Dies sei jedoch im Beschwerdefall nicht geschehen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Beschwerdeführers, daß §33 Abs1 zweiter Satz des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes so zu verstehen ist, daß eine Bausperreverordnung sowohl in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für das Land Steiermark' als auch nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 bzw. des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 kundzumachen ist. Die lediglich entsprechend dem Statut der Landeshauptstadt Graz erfolgte Kundmachung im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz' vom 8. Oktober 1987 erweist sich nach Meinung des Verwaltungsgerichtshofes als nicht ausreichend, hat doch der Landesgesetzgeber ausdrücklich angeordnet, daß eine solche Verordnung in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für das Land Steiermark' und nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 bzw. des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 kundzumachen ist, wobei dem Bindewort 'und' jene Bedeutung zukommt, die der Beschwerdeführer zutreffend als unmißverständlich für die Verpflichtung zu einer doppelten Kundmachung sprechend ansieht.

Wenn der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz in seiner Stellungnahme an den Verwaltungsgerichtshof vom 13. Mai 1988 den Versuch unternimmt, die angeführte Gesetzesstelle dahin auszulegen, daß eine Kundmachung nach den Bestimmungen des Statutes der Landeshauptstadt Graz für sich allein ausreicht, so vermag der Verwaltungsgerichtshof dem nicht zu folgen. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, daß der steiermärkische Landesgesetzgeber hinsichtlich der Kundmachungspflicht zwischen der Stadt Graz und den übrigen Gemeinden des Landes Steiermark differenziert, jedoch erfolgt diese Unterscheidung ganz offensichtlich nur deshalb, weil die Regeln über die Kundmachung von Verordnungen bezüglich der Landeshauptstadt Graz eben im Statut dieser Stadt, für die übrigen Gemeinden dagegen in der Steiermärkischen Gemeindeordnung festgelegt sind. Dem Wort 'beziehungsweise' - im Gesetzestext abgekürzt 'bzw.' - die Bedeutung beizumessen, daß eine Bausperreverordnung für den Bereich von Graz nur nach den Bestimmungen des Statutes der Landeshauptstadt Graz kundzumachen sei, hieße nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, den Sinn und die Bedeutung der gesetzlichen Regelung verkennen. Durch die gesetzliche Anordnung, eine Bausperreverordnung sei (auch) in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für das Land Steiermark' kundzumachen, hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er eine besondere Art der Publizität erreichen wollte, die über die sonstigen Kundmachungserfordernisse für Verordnungen hinausgeht. In ihrer Publizitätswirkung kommt einer Veröffentlichung in der 'Grazer Zeitung' offenkundig wesentlich größere Bedeutung zu als einer Kundmachung im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz'.

Ist die Bausperreverordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 17. September 1987 aber nicht auch in der 'Grazer Zeitung - Amtsblatt für das Land Steiermark' kundgemacht worden, so hat dies nach den dargestellten rechtlichen Erwägungen die Gesetzwidrigkeit der Verordnung zur Folge. Die Kundmachung im 'Amtsblatt der Landeshauptstadt Graz' vom 8. Oktober 1987 allein reicht für eine gesetzmäßige Kundmachung im Sinne des §33 Abs1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes nicht aus."

3. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Äußerung, in welcher die Abweisung des Antrags begehrt wird.

II. Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs gegen die Gesetzmäßigkeit der - in seinem Beschwerdeverfahren unzweifelhaft präjudiziellen - Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz erweisen sich als gerechtfertigt.

1. Der Verfassungsgerichtshof schließt sich der vom Verwaltungsgerichtshof dargelegten Auffassung an. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut des zweiten Satzes im §33 Abs1 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 (ROG 1974) wäre eine gesetzmäßige Kundmachung der Verordnung nur dann gegeben, wenn sie nicht nur im Amtsblatt der Stadt Graz (§101 des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967), sondern überdies in der "Grazer Zeitung-Amtsblatt des Landes Steiermark" verlautbart worden wäre; zu einer einschränkenden Auslegung des zweiten Satzes im §33 Abs1 besteht kein Anlaß.

2. Die vom Gemeinderat in weitwendigen und teilweise nicht sehr deutlichen Ausführungen erhobenen Einwendungen gegen diese Auffassung sind nicht stichhältig.

a) Der Gemeinderat ist der Ansicht, die sprachliche Fassung des §33 Abs1 ROG 1974 (- hier und im folgenden ist stets der zweite Satz dieses Absatzes gemeint -) lasse eine Differenzierung in der Weise zu, daß nur bei den anderen Gemeinden als der Landeshauptstadt Graz (im Hinblick auf die für diese Gemeinden in der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 vorgesehene Kundmachung durch Anschlag an der Amtstafel) eine Kundmachung in der "Grazer Zeitung" als einem Verlautbarungsblatt erforderlich sei, weil diese Gemeinden - im Gegensatz zur Stadt Graz - über kein eigenes Kundmachungsorgan verfügten; dem Bindewort "und" komme "keine kumulative Bedeutung" zu und es beziehe sich lediglich jener Satzteil auf die Landeshauptstadt Graz, welcher dem (als "oder" zu deutenden) Wort "bzw." folge.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß es dem Gesetzgeber durch keine Verfassungsvorschrift verwehrt wird, auch im Wege einer Regelung über die Kundmachung für eine weiterreichende Publizität als die sonst gegebene zu sorgen. Ob eine Kundmachung auch in einem weiteren Publikationsorgan vorzunehmen ist, ist eine Entscheidung im Rahmen des dem Gesetzgeber zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums; in diesem bewegt sich der Gesetzgeber auch dann, wenn sich seine Entscheidung als unzweckmäßig erweisen sollte (die im vorliegenden Fall getroffene Regelung etwa im Hinblick darauf, daß Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan nicht so weitreichenden Publikationserfordernissen unterliegen, oder bei Annahme einer bloß örtlichen Bedeutung einer Bausperre).

Als schlechthin verfehlt ist der Versuch zu bezeichnen, die eindeutige sprachliche Aussage des in Betrachtung stehenden Satzes in Zweifel zu ziehen. Die Deutung des Gemeinderates wäre nur richtig, wenn der Satz in seinem hervorgehobenen letzten Teil etwa wie folgt lautete: "Die Verordnung ist in der 'Grazer Zeitung-Amtsblatt für das Land Steiermark' und nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967 bzw. nach den Bestimmungen des Statutes der Landeshauptstadt Graz 1967 kundzumachen" (oder: "nach dem Statut der Landeshauptstadt Graz 1967 kundzumachen").

b) Für die Behauptungen, es liege ein Redaktionsversehen vor und es wiederhole der Gesetzgeber bloß eine an anderer Stelle normierte Regel, finden sich überhaupt keine solche Annahmen stützende Anhaltspunkte, sodaß auf sie nicht weiter einzugehen ist.

c) Auf die vom Gemeinderat geäußerte Ansicht, eine Kundmachung durch Verlautbarung in zwei Kundmachungsorganen sei der österreichischen Rechtsordnung überhaupt fremd, braucht der Gerichtshof nicht weiter einzugehen. Im übrigen sei dazu auf die eine derartige Regelung in einem anderen Rechtsbereich betreffenden hg. Entscheidungen VfSlg. 9893/1983 und 10900/1986 hingewiesen.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat sohin antragsgemäß auszusprechen, daß die angefochtene Verordnung gesetzwidrig war.

Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung, diesen Ausspruch im Landesgesetzblatt kundzumachen, beruht auf Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG.

III. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Planungsakte Verfahren (Bausperre), Kundmachung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1989:V197.1988

Dokumentnummer

JFT_10109072_88V00197_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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