TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/9 91/06/0089

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Veröffentlicht am 09.04.1992
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Index

L82000 Bauordnung;
L85007 Straßen Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauRallg;
LStG Tir 1989 §44 Abs5;
LStG Tir 1989 §62 Abs1 lita;
LStG Tir 1989 §62 Abs2;
LStG Tir 1989 §67 Abs2 litd;
LStG Tir 1989 §83 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde der Gemeinde N, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. April 1991, Zl. IIb1-L-1067a/35-1991, betreffend Enteignung für Straßenzwecke, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach den von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid hat der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde mit rechtskräftigem Bescheid vom 25. Oktober 1983 der beschwerdeführenden Gemeinde für den Ausbau der K-Straße vom Hotel W bis zum Hotel B eine Straßenbaubewilligung nach den Bestimmungen des Tiroler Straßengesetzes 1951 erteilt (dieser Bescheid befindet sich nicht bei den vorgelegten Verwaltungsakten).

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde einen Antrag der beschwerdeführenden Gemeinde vom 19. Februar 1991 um dauernde und lastenfreie Enteignung der für das bewilligte Straßenbauvorhaben beanspruchten Grundflächen zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde damit begründet, daß das Vorliegen eines rechtskräftigen Baubewilligungsbescheides Voraussetzung für die Durchführung des Enteignungsverfahrens sei. Da die Baubewilligung aufgrund der Bestimmungen der §§ 83 iVm 44 Abs. 5 des Tiroler Straßengesetzes 1989, LGBl. Nr. 13, von Gesetzes wegen erloschen sei, fehle diese Voraussetzung, weshalb der Antrag zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 44 Abs. 5 des am 1. April 1989 in Kraft getretenen Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 13/1989, lautet:

"(5) Die Straßenbaubewilligung erlischt, wenn mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht binnen fünf Jahren nach dem Eintritt der Rechtskraft der Bewilligung begonnen wurde. Diese Frist ist auf Antrag des Straßenverwalters um höchstens drei Jahre zu verlängern, wenn der Baubeginn ohne sein Verschulden verzögert wurde."

Gemäß § 83 Abs. 2 leg. cit. gilt für das Erlöschen der beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bestehenden rechtskräftigen Straßenbaubewilligungen § 44 Abs. 5.

Da gemäß § 67 Abs. 2 lit. d des Tiroler Straßengesetzes dem Enteignungsantrag u.a. eine mit der Rechtskraftklausel versehene Ausfertigung des (Straßenbau-)Bewilligungsbescheides anzuschließen ist, muß - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - die Bestimmung des § 62 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Abs. 2 leg. cit. so verstanden werden, daß bei Bauvorhaben, die einer Straßenbaubewilligung bedürfen, das öffentliche Verkehrsinteresse NUR durch Vorlage des rechtskräftigen Straßenbaubewilligungsbescheides nachgewiesen werden kann. Die belangte Behörde ist daher mit Recht vom Erfordernis des Vorliegens eines solchen Bescheides als Voraussetzung für die Durchführung des Enteignungsverfahrens ausgegangen.

Danach ist für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nur mehr wesentlich, ob die Straßenbaubewilligung vom 25. Oktober 1983 im Zeitpunkt der Antragstellung (19. Februar 1991) "von Gesetzes wegen erloschen" gewesen ist oder nicht.

In diesem Zusammenhang geht die belangte Behörde offenbar davon aus, daß die Anordnung des § 83 Abs. 2 Tiroler Straßengesetz, wonach die Erlöschensbestimmung des § 44 Abs. 5 auch auf beim Inkrafttreten des Gesetzes bestehende rechtskräftige Straßenbaubewilligungen anzuwenden ist, zur Folge hat, daß eine Straßenbaubewilligung, deren Rechtskraft vor mehr als fünf Jahren, d.h. vor dem 1. April 1984, eingetreten ist, mit dem Inkrafttreten des Tiroler Straßengesetzes 1989 erloschen ist, wenn mit der Ausführung des Bauvorhabens noch nicht begonnen wurde. Nur wenn man dieser Auffassung beitreten würde, käme es in weiterer Folge darauf an, ob die Beschwerdeführerin - wie sie in ihrer Beschwerde behauptet - fristgerecht Bauführungen vorgenommen hat, die als "Ausführung des Bauvorhabens" im Sinne des § 44 Abs. 5 leg. cit. angesehen werden könnten.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag jedoch der Auffassung der belangten Behörde aus folgenden Gründen nicht beizutreten.

Nach den bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tiroler Straßengesetzes 1989, LGBl. Nr. 13, in Kraft gestandenen Vorschriften des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr. 1/1951, in der Fassung des Landesgesetzes, LGBl. Nr. 60/1985, war das Erlöschen einer einmal erteilten Straßenbaubewilligung nicht vorgesehen. Dies bedeutet, daß die beschwerdeführende Gemeinde am 1. April 1989 jedenfalls im Besitz einer rechtskräftigen Straßenbaubewilligung war, aufgrund derer sie das Recht hatte, das beabsichtigte Straßenbauvorhaben jederzeit in Angriff zu nehmen. Wäre die Auffassung der belangten Behörde richtig, daß diese Straßenbaubewilligung mit Inkrafttreten des Tiroler Straßengesetzes erloschen sei, käme dies einem Eingriff in ein erworbenes Recht der beschwerdeführenden Gemeinde gleich. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29. November 1973, Slg. Nr. 8511/A, ausgesprochen hat, deuten mehrere - in dem genannten Erkenntnis näher bezeichnete - positivrechtliche Ansätze darauf hin, daß der österreichischen Rechtsordnung die Schonung erworbener Rechte im Prinzip insoweit ein Anliegen ist, als deren Wahrung immer dort anzunehmen ist, wo ein Gesetz nicht das Gegenteil ausdrücklich festlegt.

Diesem Grundgedanken entspricht auch die Bestimmung des § 5 ABGB, wonach Gesetze nicht zurückwirken und daher auf vorhergegangene Handlungen und vorher erworbene Rechte keinen Einfluß haben. Weitere (speziellere) Zweifelsregeln für den Rechtsübergang betreffend das auch hier gegebene Sachproblem (Untergang eines Rechtes durch Ablauf einer bestimmten Frist) finden sich im kaiserlichen Patent vom 1. Juni 1811, JGS 946, über die Kundmachung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches:

Dessen Abs. 6 ordnet an, daß auch eine schon vor der Wirksamkeit dieses Gesetzbuches angefangene Ersitzung oder Verjährung nach den älteren Gesetzen zu beurteilen ist. Wollte sich jemand auf eine Ersitzung oder Verjährung berufen, die in den neueren Gesetzen auf eine kürzere Zeit als in den früheren Gesetzen bestimmt ist, so kann er auch diese kürzere Frist erst von dem Zeitpunkte, an welchem das gegenwärtige Gesetz verbindliche Kraft erhält, zu berechnen anfangen. Der dieser Norm zugrundeliegende allgemeine Rechtsgedanke, wonach im Falle einer Frist, bei deren Verstreichen ein Rechtsanspruch untergeht, die neue, kürzere Frist hinsichtlich früher verwirklichter Sachverhalte frühestens mit Inkrafttreten des die Fristverkürzung anordnenden Gesetzes zu laufen beginnt, ist (umsomehr) auf den Fall übertragbar, daß das neue Gesetz ERSTMALS eine solche anspruchsvernichtende Frist normiert.

Bedenkt man diese Rechtsgrundsätze, so kann nicht davon die Rede sein, daß Straßenbaubewilligungen, die vor dem 1. April 1984 in Rechtskraft erwachsen sind, mit dem Inkrafttreten des (neuen) Tiroler Straßengesetzes erloschen wären: Dagegen spricht zunächst, daß die Übergangsbestimmung des § 83 Abs. 2 leg. cit. für solche Straßenbaubewilligungen nicht das Erlöschen, sondern (nur) die Anwendung der Frist des § 44 Abs. 5 anordnet. Damit knüpft das Gesetz an den aufrechten Bestand der rechtskräftigen Straßenbaubewilligung im Zeitpunkt seines Inkrafttretens an. Es kann daher im Zweifel nicht angenommen werden, daß diese Rechte gleichzeitig zum Erlöschen gebracht werden sollten, ohne daß dies ausdrücklich und zweifelsfrei angeordnet worden wäre (sodaß die in der Beschwerde aufgeworfene Frage der allfälligen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Norm unerörtert bleiben kann).

§ 83 Abs. 2 des Tiroler Straßengesetzes 1989 ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr so auszulegen, daß bei bisher unbefristet in Geltung gestandenen Straßenbaubewilligungen die fünfjährige Frist des § 44 Abs. 5 für den Beginn der Ausführung des Bauvorhabens erst mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (d.h. mit 1. April 1989) zu laufen beginnt. Erst wenn diese Frist verstrichen ist (d.h. frühestens am 1. April 1994) erlöschen (vorbehaltlich einer Fristverlängerung gemäß § 44 Abs. 5 zweiter Satz) auch jene Straßenbaubewilligungen durch Fristablauf, die noch nach dem Tiroler Straßengesetz LGBl. Nr. 1/1951, erteilt worden sind.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht angenommen, daß die zugunsten der beschwerdeführenden Gemeinde bestehende Straßenbaubewilligung vom 25. Oktober 1983 am 19. Februar 1991 bereits erloschen war und dadurch den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei der Beschwerdeführerin kein höherer Aufwandersatz zugesprochen werden konnte, als sie in ihrer Beschwerde ausdrücklich verzeichnet hat.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991060089.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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