TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/22 91/03/0340

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Veröffentlicht am 22.04.1992
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in I, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. November 1991, Zl. IIb 2-V-9071/5-1991, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, soweit der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO schuldig erkannt und deshalb bestraft wurde, einschließlich des diesbezüglichen Ausspruches über den Kostenbeitrag; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. November 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 30. Dezember 1989 um 3.00 Uhr in Innsbruck, Egger-Lienz-Straße auf Höhe des Wifi (Hausnummer 116) 1. einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und

2. als ursächlich Beteiligter nach einem Unfall mit Sachschaden, bei dem ein Lichtmast des EWI beschädigt worden sei, diesen nicht ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle oder dem Straßenerhalter gemeldet. Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen 1. nach § 5 Abs. 1 StVO und 2. nach § 99 Abs. 2 lit. e iVm § 31 Abs. 1 StVO begangen. Es wurden zwei Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. ZUR VERWALTUNGSÜBERTRETUNG NACH § 5 ABS. 1 StVO:

Der Beschwerdeführer wurde nach einem positiv verlaufenen Alkotest einer klinischen Untersuchung durch einen Polizeiarzt unterzogen und als mittelstark alkoholbeeinträchtigt und fahruntüchtig beurteilt. Dabei wurden folgende Feststellungen getroffen: Gang auf der Geraden mit offenen Augen; Gang auf der Geraden mit geschlossenen Augen: nicht möglich;

Finger-Finger-Probe: sicher; Finger-Nasen-Probe: unsicher;

Rötung der Bindehäute: ja; Pupillenreaktion: prompt; Pupillen beiderseits weit; Sprache: undeutlich; örtliche und zeitliche

Orientierung: gut; Geruch der Ausatemluft nach Alkohol:

deutlich; Benehmen: unhöflich, enthemmt. Zur Nystagmus-Probe finden sich keine Feststellungen.

Die belangte Behörde holte ein Gutachten eines ärztlichen Amtssachverständigen der Sanitätsabteilung ein. Darin wird ausgeführt, der am 30. Dezember 1989 um 4.15 Uhr durchgeführte Alkotest sei positiv verlaufen. Ein positiver Alkotest entspreche einem Blutalkoholgehalt von zumindest 0,7 - 0,8 Promille oder darüber. Die am 30. Dezember 1989 durchgeführte polizeiärztliche Untersuchung um 5.00 Uhr habe in der klinischen Beurteilung auf mittelstarke Alkoholisierung gelautet. Die Beurteilung habe darauf beruht, daß der Gang auf der Geraden nicht möglich, der Finger-Nasen-Versuch unsicher gewesen sei und eine Rötung der Augenbindehäute bestanden habe. Die Pupillen seien beiderseits weit, die Sprache undeutlich gewesen, die Ausatemluft habe deutlich nach Alkohol gerochen und das Benehmen sei unhöflich und enthemmt gewesen. Die vom Beschwerdeführer angegebene Trinkverantwortung, vier Stunden vor dem Unfallgeschehen ein großes Bier und einen Jagertee getrunken zu haben, ergebe rein rechnerisch unter Zugrundelegung eines im Geschäft gekauften Jagertees, einen Blutalkoholgehalt unter Berücksichtigung eines Resorptionsverlustes von 1,0 Promille. Während eines Abbaues von vier Stunden würde sich zum Deliktszeitpunkt damit ein Blutalkoholgehalt von 0,2 Promille ergeben haben. Der positiv verlaufende Alkotest um 4.15 Uhr, also 1 1/4 Stunden nach dem Delikt, das um 3.00 Uhr stattgefunden habe, stehe dazu aber im Widerspruch. Es sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der tatgegenständlichen Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gewesen sei. Es biete sich als einfachste Erklärung der beobachteten Auffälligkeiten eine entsprechende Alkoholisierung an, zumal aus den Akten sich keinerlei Hinweise daraus gewinnen ließen, daß außer Alkohol auch noch andere ursächliche Faktoren mit im Spiel gewesen seien, wie zum Beispiel die Einnahme stark wirkender Medikamente, Suchtmittel, Erkrankungen von Seiten des Gehirns und der Nerven etc.

Aus diesen Gutachtensäußerungen geht hervor, daß der Gutachter offenbar von der Annahme ausging, die Aussage im Gutachten über die klinische Untersuchung, der Gang auf der Geraden sei nicht möglich gewesen, sei vom Erstgutachter als Alkoholisierungssymptom gewertet worden. Dem Akt sind jedoch deutliche Hinweise zu entnehmen, daß der die klinische Untersuchung durchführende Polizeiarzt damit zum Ausdruck bringen wollte, daß dieses Element der klinischen Untersuchung wegen der Verletzungen des Beschwerdeführers nicht durchgeführt werden konnte. Es ist daher nicht auszuschließen, daß das Gutachten der Sanitätsabteilung insofern von unzutreffenden Prämissen ausgeht, als es zu Unrecht das Vorliegen eines Alkoholisierungssymptoms wegen der Unmöglichkeit des Ganges auf der Geraden annimmt. Zwar ist es für die Feststellung einer alkohol-bedingten Fahruntüchtigkeit nicht erforderlich, daß alle Symptome für eine Alkoholisierung sprechen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Juli 1987, Zl. 86/03/0010 u.a.); insbesondere kann auch das Vorliegen einer prompten Pupillenreaktion für sich allein nicht ausschließen, daß eine alkohol-bedingte Fahruntüchtigkeit vorliegt, da zwar eine träge Pupillenreaktion ein wesentliches Indiz für eine alkohol-bedingte Fahruntüchtigkeit ist; da die Pupillenreaktion zu 50 % aber sogar noch bei einem Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille normal bleibt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1986, Zl. 85/03/0161), kann aus einer prompten Pupillenreaktion noch nicht auf das Freisein von alkohol-bedingter Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Sollte aber die Annahme zutreffen, daß der Gutachter der Sanitätsabteilung zu Unrecht das Vorliegen eines wesentlichen Alkoholisierungssymptoms auf Grund der Feststellung "Gang auf der Geraden nicht möglich" im klinischen Gutachten angenommen hat, dann basiert sein Gutachten auf falschen Voraussetzungen und ist schon aus diesem Grund nicht geeignet, eine alkohol-bedingte Fahruntüchtigkeit des Bfrs nachzuweisen. Bei Wegfall des erwähnten Alkoholisierungssymptoms bedürfte es schlüssiger gutachtlicher Ausführungen, ob bzw. warum bei der verbleibenden Konstellation von Alkoholisierungssymptomen eine alkohol-bedingte Fahruntüchtigkeit vorliegt.

Hinsichtlich dieser Übertretung war der angefochtene Bescheid daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

2. ZUR ÜBERTRETUNG NACH § 31 ABS. 1 IVM § 99 ABS. 2 lIT. E StVO:

Nach seinem Vorbringen erachtet sich der Beschwerdeführer - wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren - dieser Übertretung nicht schuldig, weil er sich nach dem Verkehrsunfall, bei dem er eine Verletzung davontrug, in einem Schockzustand befunden habe, der ihm jegliche Dispositionsfähigkeit genommen habe. Die belangte Behörde habe es zu Unrecht unterlassen, seinen Vater als Zeugen dafür zu vernehmen, daß der Beschwerdeführer nach der klinischen Untersuchung im Gespräch mit seinem Vater "wirres Zeug" geredet habe.

Zur Frage einer allenfalls durch einen unfall-bedingten Schock herbeigeführten Dispositionsunfähigkeit des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Gutachter kam auf Grund des Berichtes der Universitätsklinik für Unfallchirurgie, wo der Beschwerdeführer nach dem Unfall behandelt worden war, sowie des Berichtes der Meldungsleger zu dem Ergebnis, daß beim Beschwerdeführer kein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Schockzustand vorgelegen sei. Dies deckt sich mit den Feststellungen, die der Polizeiarzt, der die klinische Untersuchung durchgeführt hat, getroffen hat. Da die Frage eines allfälligen Schockzustandes des Beschwerdeführers damit ausreichend geklärt war, bedurfte es keiner weiteren Erhebungen; insbesondere war die Vernehmung des Vaters des Beschwerdeführers entbehrlich.

Hinsichtlich dieser Übertretung erweist sich daher die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Dem Beschwerdeführer gebühren S 11.120,-- an Schriftsatzaufwand und S 450,-- an Stempelgebührenersatz (S 240,-- für zwei Ausfertigungen der Beschwerde, S 90,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und S 120,-- für die Vollmacht). Das darüber hinausgehende Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Schlagworte

Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Alkoholisierungssymptome Feststellung der Alkoholbeeinträchtigung Pupillenreaktion

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030340.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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