TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/22 91/14/0009

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.04.1992
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §207 Abs1;
BAO §207 Abs2;
BAO §209 Abs1;
BAO §238 Abs1;
EStG 1972 §95 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 91/14/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden der T-GmbH in L, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) 1. der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 2. November 1990, Zl 30.035-3/90, betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1981, sowie 2. der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 23. November 1990, Zl 40.262-4/90, betreffend Haftung und Zahlung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 1981, zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Beschwerde gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 2. November 1990, Zl 30.035-3/90, betreffend Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1981, wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. Der Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 23. November 1990, Zl 40.262-4/90, betreffend Haftung und Zahlung für Kapitalertragsteuer für das Jahr 1981, wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheiden vom 18. Jänner 1983 wurde die Beschwerdeführerin, eine GmbH, zur Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1981 veranlagt. Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

Im Jahre 1988 fand im Unternehmen der Beschwerdeführerin eine abgabenbehördliche Prüfung statt, welche zunächst die Jahre 1985 bis 1987 umfaßte und laut Prüfungsauftrag vom 10. November 1988 auf die Jahre 1981 bis 1984 ausgedehnt wurde. Der Prüfungsauftrag trägt diesbezüglich den undatierten Aktenvermerk, daß die Unterzeichnung der Ausdehnung des Prüfungszeitraumes (durch die Beschwerdeführerin) unterblieben sei, weil diese "dem Pflichtigen ungerechtfertigt erscheint". Nach Abschluß der abgabenbehördlichen Prüfung wurde im Jahre 1989 das Verfahren ua hinsichtlich der Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1981 wiederaufgenommen und es wurden neue Sachbescheide erlassen.

Hinsichtlich einer bei der abgabenbehördlichen Prüfung festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung erging für 1981 erstmals ein Haftungs- und Zahlungsbescheid, welcher wie folgt lautete:

A) GELTENDMACHUNG DER HAFTUNG:

Gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1972 in der geltenden Fassung haften Sie als Schuldner der Kapitalerträge für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer.

B) FESTSETZUNG DER KAPITALERTRAGSTEUER:

Für die verdeckte Gewinnausschüttung des Jahres 1981 in Höhe von S 35.400,-- wird die Kapitalertragsteuer festgesetzt:

20 % von S 35.400,-- = S 7.080,--.

Die Fälligkeit ist aus der Lastschriftanzeige ersichtlich.

BEGRÜNDUNG:

Die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung ist dem Körperschaftsteuerbescheid 1981 zu entnehmen. Auf die dortige Begründung und zusätzlich auf die Bestimmungen der §§ 93 und 95 des Einkommensteuergesetzes 1972 wird hingewiesen.

In einer gegen alle diese Bescheide eingebrachten Berufung wurde ausgeführt, daß die Verjährungsfrist mangels nach außen hin erkennbarer Maßnahmen am 31. Dezember 1988 geendet hätte.

In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß im Jahre 1988 einerseits in der Ausdehnung des Prüfungsauftrages, bezüglich dessen die Unterschrift verweigert worden sei, und anderseits in der nachweislichen schriftlichen Aufforderung an mehrere Lieferfirmen, Kopien der Kunden- und Lieferantenkonten für 1981 betreffend die Beschwerdeführerin vorzulegen, Unterbrechungshandlungen zu sehen seien. Diese Firmen seien dieser Aufforderung noch im Jahre 1988 nachgekommen.

In einem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde ausgeführt, die Information über die Ausdehnung der Betriebsprüfung hätte nur das (von einem Gesellschafter der Beschwerdeführerin betriebene) Einzelunternehmen betroffen und die Beschwerdeführerin sei "bis heute nicht informiert, von welcher Art die vor dem 31. Dezember 1988 ergangenen Erhebungen" gewesen seien.

Mit dem nunmehr im Spruch dieses Erkenntnisses unter 1. bezeichneten, in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde darin ua abermals auf die bereits im Jahre 1988 erfolgten Ersuchen an Geschäftspartner der Beschwerdeführerin um Vorlage von die Beschwerdeführerin betreffende Kunden- und Lieferantenkonten ua des Jahres 1981 verwiesen und diese Ersuchen als Amtshandlungen der Abgabenbehörde beurteilt, die außerhalb der Behörde in Erscheinung getreten seien, wobei es gleichgültig sei, ob die Beschwerdeführerin hievon Kenntnis erlangt habe oder nicht.

Mit dem nunmehr im Spruch unter 2. bezeichneten, in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde wird in der Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Geltendmachung der Haftung sei eine Einhebungsmaßnahme, sodaß hinsichtlich der Verjährung die Bestimmung des § 238 Abs 1 BAO heranzuziehen sei, wonach nach dem letzten Halbsatz das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben, keinesfalls früher verjähre als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Die Kapitalertragsteuer sei eine Form der Einkommensteuer. Diese werde "festgesetzt" (im Wege der Anrechnung) im Zuge der Erlassung des Einkommensteuerbescheides des Gläubigers der Kapitalerträge. Der Einkommensteuerbescheid jenes Gesellschafters, welcher als Gläubiger der Kapitalerträge anzusehen sei, wäre im Jahre 1983 ergangen. Unbestritten wäre dem Gesellschafter die Ausdehnung eines seine Einkommensteuer betreffenden Prüfungsauftrages im Jahre 1988 bekannt geworden. Wenn aber das Recht, die Einkommensteuer des Gläubigers der Kapitalerträge für das Kalenderjahr 1981 festzusetzen, noch nicht verjährt ist, könne infolge der Bestimmung des letzten Halbsatzes des § 238 Abs 1 BAO auch das Recht, hinsichtlich der Kapitalertragsteuer für das Kalenderjahr 1981 Einhebungsmaßnahmen (Geltendmachung der Haftung) zu setzen, noch nicht verjährt sein.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

1. Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1981:

Von der Beschwerdeführerin wird nicht bestritten, daß das Finanzamt - nach erstmaliger Erlassung von Sachbescheiden im Jahr 1983 - bereits im Jahre 1988 Erhebungen zur Geltendmachung der Abgabenansprüche an Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer für 1981 durchgeführt hat. Bestritten wird aber, daß diese Erhebungen, die der Beschwerdeführerin erst im Zuge der Schlußbesprechung (im Jahre 1989) zur Kenntnis gebracht worden wären, nach außen erkenntliche Unterbrechungshandlungen darstellen.

Gemäß § 209 Abs 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl zB die hg Erkenntnisse vom 22. Oktober 1962, 2339/61, Slg 2722/F, vom 28. März 1985, 84/16/0087, und vom 29. November 1988, 86/14/0134, auf deren Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird), unterbricht jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches von der Behörde unternommene, nach außen erkennbare Handlung die Verjährung. Es ist dazu nicht erforderlich, daß diese behördlichen Schritte der als Abgabenschuldner in Anspruch genommenen Person zur Kenntnis gelangt sind.

Dem Einwand der Beschwerde kommt daher keine Berechtigung zu: Die von der belangten Behörde angeführten Ersuchen des Jahres 1988 an Geschäftspartner der Beschwerdeführerin sind in den vorgelegten Verwaltungsakten enthalten. Insbesondere die ebenfalls vorgelegten Antwortschreiben beweisen, daß die Ersuchen aus dem Amtsbereich der Behörde hinausgetreten sind. Der Inhalt der Ersuchschreiben bestätigt, daß diese Handlungen der Abgabenbehörde auf die Geltendmachung der strittigen Abgabenansprüche gerichtet waren. Da somit bereits in diesen Auskunftsersuchen an die Geschäftspartner der Beschwerdeführerin unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gelangt sind oder nicht, nach außen erkennbare Amtshandlungen zu erblicken sind, welche die Bemessungsverjährung unterbrochen haben, erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob die belangte Behörde auch die Ausdehnung der abgabenbehördlichen Prüfung zu Recht als weitere Unterbrechungshandlung annehmen durfte.

Die im Spruch unter 1. genannte Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Haftung für Kapitalertragsteuer:

Der sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebenden Ansicht der belangten Behörde, zufolge § 238 Abs 1 letzter Halbsatz BAO in der Fassung der Novelle 1980 wären auch die bei Beurteilung der Frist für die Bemessungsverjährung bei der Einkommensteuer des Gesellschafters der haftungspflichtigen Gesellschaft relevanten Unterbrechungshandlungen mitzuberücksichtigen, kann nicht gefolgt werden. Der Gerichtshof teilt diesbezüglich die Ansicht Stolls (BAO, Handbuch, 593), wonach die Haftung innerhalb einer Frist geltend gemacht werden kann, die der (abstrakten) Bemessungsverjährungsfrist (§ 207 Abs 2) entspricht. Da die Bemessungsverjährungsfrist bei der Einkommensteuer danach ebenfalls fünf Jahre beträgt, käme § 238 Abs 1 letzter Halbsatz BAO im Beschwerdefall lediglich Bedeutung zu, wenn die Behörde davon ausgegangen wäre, daß hinsichtlich der Kapitalertragsteuer - etwa wegen hinterzogener Abgaben - eine zehnjährige Bemessungsverjährung anzunehmen ist. Hiefür bietet sich im Verfahren aber kein Anhaltspunkt.

Der im Spruch unter 2. genannte Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991. Die Stempelgebühr für den angefochtenen Bescheid betrug nur S 60,--.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991140009.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten