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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der XY-Gesellschaft m.b.H. in D, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 26. April 1991, Zl. Präs 144-3/91/Wa/jam, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hat am Standort Wien nn, eine weitere Betriebsstätte (Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, beschränkt auf den Einzelhandel) errichtet. Mit Bescheid des Obmannes der Sektion Handel der Wiener Handelskammer vom 12. Oktober 1990 wurde der Beschwerdeführerin über ihr Ersuchen "gemäß § 57b, Absätze 1, 2 und 4 des Handelskammergesetzes sowie aufgrund der Fachgruppentagungsbeschlüsse der Wiener Landesgremien vom Jahre 1975, in Kraft getreten am 5.12.1975 (Genehmigung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom 5.11.1975, Zl. 174.347-III/10/75)" eine Einverleibungsgebühr (EVG, gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991, nunmehr: Eintragungsgebühr) in der Höhe von S 15.000,-- vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, die Höhe der EVG sei von allen Wiener Landesgremien beschlossen, von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien bestätigt und vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie genehmigt worden. Daher bestehe die Aufforderung vom 4. September 1990 zur Zahlung einer EVG von S 15.000,-- zu Recht.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung bestritt die Beschwerdeführerin, daß ein ordnungsgemäßer Beschluß über die Höhe der zu entrichtenden EVG je zustandegekommen sei; die nach dem HKG und der dazu erlassenen Fachgruppenordnung errichteten Fachgremien, insbesondere das Landesgremium Wien des Lebensmittelhandels besäßen keine Rechtspersönlichkeit. Außerdem sei § 57b Abs. 2 HKG verfassungswidrig.
Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. April 1991 diese Berufung abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Begründend verwies die belangte Behörde auf die §§ 3 Abs. 2 und 57b HKG. Die Einwände der Beschwerdeführerin zur wirksamen Errichtung der Fachgruppen richteten sich letztlich gegen die von diesen gefaßten, als Verordnung zu qualifizierenden EVG-Beschlüsse. Über die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung zu befinden, stehe der belangten Behörde jedoch nicht zu. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 57b Abs. 2 HKG verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der vorgeschriebenen EVG zu verweigern.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Gesellschaften m.b.H. das Dreifache des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).
Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.
Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.
Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.
Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.
Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.
Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer nach § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.
Ähnliche Überlegungen sind hinsichtlich der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anzustellen, weil eine von der belangten Behörde nicht aufgegriffene Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten würden (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 571 angeführte Judikatur). Im Beschwerdefall stammt der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 57g Abs. 1 HKG von der Sektion Handel der Wiener Landeskammer. Er ist ähnlich wie der angefochtene Bescheid nach seinem Inhalt und gemäß der Fertigungsklausel dem Sektionsobmann zuzurechnen, dessen Zuständigkeit zur Bescheiderlassung ebenfalls durch einen aktenkundigen, in den §§ 53a und 7 lit. f HKG gedeckten Delegierungsbeschluß der Sektionsleitung vom 14. Oktober 1980 gegeben war.
Die Beschwerdeführerin bemängelt, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche Fachgruppe die ihr vorgeschriebene EVG beschlossen habe, ob der Beschluß dieser Fachgruppe über die Höhe der EVG von der Wiener Handelskammer rechtswirksam bestätigt und vom zuständigen Bundesminister genehmigt worden sei, und ob auch eine gehörige Kundmachung dieses Beschlusses stattgefunden habe. Dieser Vorwurf ist unbegründet, denn diese Angaben sind in dem mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten erstinstanzlichen Bescheid enthalten und in der Berufung nicht in Zweifel gezogen worden. Es ergibt sich daraus im Einklang mit der Aktenlage, daß sämtliche Wiener Landesgremien, also auch jenes des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln, den von der Landeskammer bestätigten und vom zuständigen Bundesminister genehmigten, am 5. Dezember 1975 im Kammermitteilungsblatt kundgemachten Beschluß gefaßt hat, die EVG für den Einzelhandel mit Waren aller Art im Normalsatz mit S 5.000,-- neu festzusetzen. Daraus folgt im Zusammenhalt mit § 57b Abs. 2 HKG die ziffernmäßige Richtigkeit der Vorschreibung an die Beschwerdeführerin (eine Gesellschaft m.b.H.) mit S 15.000,--
Die Beschwerdeführerin legt in ihrer Beschwerde ferner besonderes Gewicht darauf, daß die genannte Fachgruppe nicht dem Gesetz gemäß errichtet worden sei, weshalb ihr die Rechtspersönlichkeit und damit die Fähigkeit fehle, rechtswirksam einen solchen EVG-Beschluß zu fassen.
Dazu enthält die 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991, ausgegeben am 3. Dezember 1991, in ihrem Art. II Abs. 1 folgende Bestimmung:
"Sämtliche Fachgruppen und Fachverbände, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nach den Bestimmungen der Handelskammer-Wahlordnung in der geltenden Fassung bestehen, gelten als den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen gemäß errichtet und ihre Beschlüsse und sonstigen rechtlich bedeutsamen Akte als gesetzmäßig zustandegekommen."
Zufolge Art. III Abs. 2 leg. cit. tritt diese Bestimmung rückwirkend mit 10. Oktober 1946 in Kraft.
Das Landesgremium des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln ist in der Anlage 1 der Handelskammer-Wahlordnung idgF genannt und gilt somit als den gesetzlichen Bestimmungen gemäß errichtet. Die dem Art. II Abs. 1 der 8. HKG-Novelle verliehene rückwirkende Kraft bedeutet, daß die im Zeitpunkt der Fassung des im Range einer Verordnung stehenden EVG-Beschlusses der genannten Fachgruppe sowie im Zeitpunkt der konkreten EVG-Vorschreibung gegenüber der Beschwerdeführerin geltende Rechtslage so zu betrachten ist, als wäre diese Bestimmung schon damals in Kraft gestanden.
Bei dieser Rechtslage ist das Beschwerdevorbringen, mit dem ein Rechtsmangel bei der Errichtung der genannten Fachgruppe behauptet wurde, nicht mehr geeignet, beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorzurufen, und eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 1991, V 204,205/91-6, sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1992, Zl. 91/04/0324). Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch seinen Anfechtungsantrag an den Verfassungsgerichtshof vom 26. September 1991 (A 98/91) mit Beschluß vom 27. Februar 1992 zurückgezogen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090088.X00Im RIS seit
23.04.1992