Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Niederösterreich gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 13. November 1991, Zl. I/2-St-9180, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Walter S in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 19. April 1991 wurde der im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe, wie am 29. Mai 1990 um 15.45 Uhr im Zuge einer Kontrolle festgestellt worden sei, als im Sinne des § 9 VStG verantwortliches Organ der Firma S Ges.m.b.H., eingeschränkt auf die Ausübung des Bürobetriebes mit dem Standort in W, am Dienstag, dem 29. Mai 1990, in der Zeit von 15.45 bis 16.50 Uhr mindestens in G, KG O, Bezirk G, am neu errichteten Einfamilienhaus des Herrn B für Innenverputzarbeiten den polnischen Staatsangehörigen P beschäftigt gehabt, ohne hiebei im Besitze einer von der Arbeitsmarktverwaltung ausgestellten Beschäftigungsbewilligung zu sein und ohne daß für den genannten Fremden ein Befreiungsschein erteilt worden wäre. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 28 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes 1975 (offenbar idF gemäß BGBl. Nr. 231/1988, in der Folge kurz: AuslBG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 1 AuslBG eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- (im Nichteinbringungsfall zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Mitbeteiligten zu ersetzenden Verfahrenskosten mit S 1.000,-- bestimmt.
Begründend führte die Strafbehörde erster Instanz aus, das Straferkenntnis stütze sich auf die Anzeige der Handelskammer Niederösterreich, die Wahrnehmung von im Auftrage der Handelskammer Niederösterreich tätigen Detektivorgane sowie die Angaben des Mitbeteiligten im durchgeführten Ermittlungsverfahren, wodurch die Übertretung einwandfrei erwiesen sei. Im Zuge seiner Beschuldigtenverantwortung im Ermittlungsverfahren habe der Mitbeteiligte ausgeführt, daß er für den genannten polnischen Staatsangehörigen über keine Beschäftigungsbewilligung verfüge. Der genannte Fremde sei zur Einschulung drei bis vier Tage beim Mitbeteiligten tätig gewesen. Im übrigen sei dieser Fremde bei der Firma U etabl. in W beschäftigt. Nach der ständigen Judikatur zum AuslBG sei eine Beschäftigungsbewilligung - soferne nicht ein Befreiungsschein vorliege - auch dann erforderlich, wenn die Beschäftigung nur zum Zwecke der Einschulung erfolge. Daran vermöge auch die Tatsache nichts zu ändern, daß für den genannten Fremden möglicherweise bei der Firma U eine Beschäftigungsbewilligung bestehe. Dies deshalb, weil eine von der Arbeitsmarktverwaltung erteilte Beschäftigungsbewilligung nur für den Arbeitgeber gelte, für den sie ausgestellt worden sei. Somit habe die im Spruch genannte Verwaltungsübertretung einwandfrei als erwiesen angenommen werden können. Das Strafausmaß sei unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe gemäß § 19 VStG sowie den Verschuldensgrad festgesetzt worden. Bei der Strafbemessung sei hinsichtlich des Verschuldensgrades auch berücksichtigt worden, daß der Mitbeteiligte den Tatbestand in qualifizierter Form gesetzt habe, weil an der angeführten Baustelle, wie eine Beanstandung vom 16. Mai 1990 beweise, sehr häufig illegal beschäftigte Dienstnehmer arbeiten würden. Darüber hinaus sei noch zu werten gewesen, daß der Mitbeteiligte durch die illegale Beschäftigung von Ausländern einen nicht unbeträchtlichen wirtschaftlichen Vorteil erzielt habe. Es habe daher keinesfalls mit der im Gesetz vorgesehenen Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden können. Die Strafe sei daher in jenem Ausmaß festgesetzt worden, um den Mitbeteiligten von der Begehung weiterer gleichartiger Straftaten abzuhalten. Mildernd sei nichts gewertet worden; als erschwerend sei die qualifizierte und hartnäckige Tatausführung berücksichtigt worden.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Mitbeteiligte vor, daß der genannte ausländische Arbeiter nicht in seinem Auftrag, sondern im Auftrag der Firma U auf der verfahrensgegenständlichen Baustelle gewesen sei. Hiezu gab die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 2. Juli 1991 eine Stellungnahme ab.
Auch die beschwerdeführende Partei erhob gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis Berufung, in welcher sie vorbrachte, die Strafbehörde erster Instanz habe bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt, daß es sich im gegenständlichen Fall um eine Wiederholungstat handle, weil der Mitbeteiligte bereits einmal rechtskräftig wegen einer Übertretung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz verurteilt worden sei.
Auf Grund dieser Berufungen hob der Landeshauptmann von Niederösterreich als Strafbehörde zweiter Instanz mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 13. November 1991 das erstinstanzliche Straferkenntnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG ein. Zur Begründung wird nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Spruches weiter ausgeführt, der Mitbeteiligte habe gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis rechtzeitig berufen und eingewendet, daß der Arbeiter nicht über seinen Auftrag, sondern im Auftrag der Firma U auf der Baustelle gewesen sei. Im Zuge des Berufungsverfahrens sei das Straferkenntnis im Sinne der Bestimmung des § 28a AuslBG der beschwerdeführenden Partei zugestellt worden, welche fristgerecht Berufung wegen zu geringer Bestrafung erhoben habe. Nach Wiedergabe des § 9 Abs. 1 VStG sowie des § 18 Abs. 1 erster Satz des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung führt die belangte Behörde weiter aus, wie dem im Akt erliegenden Auszug aus dem Gewerberegister der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zu entnehmen sei, scheine im Handelsregister des Handelsgerichtes Wiener Neustadt unter HRB nnnn als handelsrechtlicher Geschäftsführer Herr Ing. K auf, der somit für die Durchführung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens als Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG anzusehen gewesen wäre. Der Mitbeteiligte scheine zum Zeitpunkt der Tat nicht als handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaft auf. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten sei nicht hervorgekommen. Ohne daher auf das Vorbringen in den Berufungen einzugehen, sei der Berufung des Mitbeteiligten Folge zu geben und das Strafverfahren einzustellen gewesen, weil der Mitbeteiligte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen habe. Aus dem gleichen Grund sei der Berufung der beschwerdeführenden Partei keine Folge zu geben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf § 28a AuslBG gestützte Beschwerde des Landesarbeitsamtes Niederösterreich (beschwerdeführende Partei) an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes "zufolge unrichtiger bzw. unvollständiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung" geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und erklärt, daß ihre Entscheidung auf einer falschen Auskunft der Behörde erster Instanz beruht habe; es werde daher gebeten, "von der Vorlage einer Gegenschrift Abstand nehmen zu wollen."
Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenäußerung mit dem Antrag erstattet, der Beschwerde keine Folge zu geben und die beschwerdeführende Partei den Ersatz der Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof aufzuerlegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, G 294/91-5, ausgesprochen, daß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 231/1988 verfassungswidrig war und daß diese Bestimmung auch auf die "derzeit" (d.h. am 13. Dezember 1991, vgl. dazu auch BGBl. Nr. 105/1992) beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden sei. Der vorliegende Beschwerdefall ist erst im Jänner 1992 beim Verwaltungsgerichtshof angefallen und zählt daher nicht zu den Anlaßfällen im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG. Die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens konnte daher nicht etwa schon deshalb als im Ergebnis zutreffend erkannt werden, weil die Rechtsgrundlage für eine Bestrafung des Mitbeteiligten weggefallen wäre.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof trägt die beschwerdeführende Partei unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit "zufolge unrichtiger bzw. unvollständiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung" vor, wie aus der (der Beschwerde) beiliegenden Kopie der beglaubigten Abschrift aus dem Handelsregister (nunmehr gemäß BGBl. Nr. 10/1991 "Firmenbuch") Abteilung B Nr. nnnn des Handelsgerichtes Wiener Neustadt hervorgehe, scheine als Geschäftsführer der S Ges.m.b.H. ausdrücklich der Mitbeteiligte auf. Ing. K sei lediglich Gesamtprokurist. Die Tatsachenfeststellung der belangten Behörde, daß der Mitbeteiligte nicht als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S Ges.m.b.H. anzusehen sei, sei daher nicht richtig. Im Sinne dieser Ausführungen wäre demnach im gegenständlichen Fall der Mitbeteiligte gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zu bestrafen gewesen, zumal der Mitbeteiligte für den im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides namentlich genannten Ausländer keine Beschäftigungsbewilligung erhalten habe und auch der Ausländer nicht im Besitz eines Befreiungsscheines gewesen sei.
Die Beschwerde ist begründet.
Der angefochtene Bescheid beruht auf § 45 Abs. 1 lit. b VStG. Danach hat die Behörde (Berufungsbehörde, vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Dezember 1967, VwSlg. 7238/A) von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.
Aus der konditionalen Verknüpfung von Tatbestand und Rechtsfolge mittels der Konjunktion "wenn" im Zusammenhang mit dem Verbum legale "nicht begangen hat", folgt, daß der Gesetzgeber die Einstellung eines Strafverfahrens von der Voraussetzung abhängig macht, daß nach ORDENTLICHER ERMITTLUNG des Sachverhaltes feststeht, daß der Beschuldigte die Tat nicht verübt hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0131).
Für die Einhaltung der Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, deren Übertretung dem Mitbeteiligten angelastet wird, ist nach den Bestimmungen dieses Gesetzes der Arbeitgeber und nur dieser haftbar (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0046, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist gemäß § 9 Abs. 1 VStG, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Das ist im Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung deren handelsrechtlicher Geschäftsführer (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0267, und vom 17. Jänner 1991, Zl. 90/09/0135).
Gemäß § 25 Abs. 1 VStG sind Verwaltungsübertretungen mit Ausnahme der Fälle des § 56 von Amts wegen zu verfolgen.
Im Grunde des § 24 VStG in Verbindung mit den §§ 37 und 66 AVG hatte die belangte Behörde die Pflicht, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen und unter Berücksichtigung der der Entlastung des Mitbeteiligten dienenden in gleicher Weise wie der belastenden Umstände (vgl. § 25 Abs. 2 VStG) soweit klarzustellen, daß der eindeutige Nachweis, der Mitbeteiligte habe die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen, erbracht wird. Es muß also nach dem gesamten Akteninhalt bei durchgeführter Tatbewertung die Verurteilung des Mitbeteiligten ausgeschlossen sein (vgl. das oben angeführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991).
Dies trifft im Beschwerdefall jedoch nicht zu.
In den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich ein Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 27. Februar 1990, mit welchem der S Ges.m.b.H., eingetragen im Handelsregister des Kreis- als Handelsgerichtes Wiener Neustadt, Abteilung B, Nr. nnnn, mit dem Sitz in W, die Konzession für das Baumeistergewerbe gemäß § 157 der Gewerbeordnung 1973 im Standort W eingeschränkt auf die Ausübung des Bürobetriebes in diesem Standort erteilt worden ist. Gleichzeitig ist die Bestellung des Herrn Ing. K zum Geschäftsführer gemäß § 9 und § 39 Abs. 5 der Gewerbeordnung 1973 genehmigt worden. Weiters befindet sich in den Verwaltungsakten ein Auszug aus dem Gewerberegister, in dem als gewerberechtlicher und handelsrechtlicher Geschäftsführer Ing. K angeführt ist. Vom Mitbeteiligten selbst ist aber im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht in Abrede gestellt worden, daß er (handelsrechtlicher) Geschäftsführer und damit zur Verantwortung nach außen Berufener der S Ges.m.b.H. sei. Im angefochtenen Bescheid geht die belangte Behörde davon aus, daß für die Durchführung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens Ing. K als Verantwortlicher im Sinne des § 9 VStG anzusehen gewesen wäre (dieser scheine, wie dem im Akt erliegenden Auszug aus dem Gewerberegister der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt zu entnehmen sei, im Handelsregister des Handelsgerichtes Wiener Neustadt unter HRB nnnn als handelsrechtlicher Geschäftsführer auf). Der Mitbeteiligte scheine zum Zeitpunkt der Tat nicht als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S Ges.m.b.H. auf. Das bisher im Verwaltungsstrafverfahren durchgeführte Ermittlungsverfahren reicht jedoch nicht für eine einwandfreie Feststellung aus, daß der Mitbeteiligte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen habe. Um zu einer endgültigen Klärung der im Beschwerdefall allein maßgeblichen Frage, wer als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S Ges.m.b.H. verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist, zu gelangen, hätte es daher weiterer Ermittlungsschritte - etwa der Einholung eines Handelsregisterauszuges - bedurft.
Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien Normen VStGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090006.X00Im RIS seit
27.11.2000