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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §13 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 30. August 1990, Zl. GA 11 - 1554/1/90, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11,930,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten und den hg. Akten Zl. 90/16/0192 und Zl. 90/16/0193 ergibt sich im wesentlichen folgendes:
Auf Grund des Schenkungsvertrages vom 5. August 1983, über den ein Notariatsakt aufgenommen worden war, hatte der Beschwerdeführer von einer Gesellschafterin einer Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Wien deren einer bar eingezahlten Stammeinlage von S 40.000,-- entsprechenden Geschäftsanteil erworben. In Punkt Sechstens dieses Schenkungsvertrages hatten die Vertragsparteien u.a. zum Zwecke der Bemessung der Schenkungssteuer einvernehmlich festgestellt, daß der vertragsgegenständliche Geschäftsanteil wertlos sei.
Da der vorliegende Beschwerdefall - mit einer noch zu erörternden wichtigen Ausnahme - in den wesentlichen Punkten den dem - an den damals (und auch nunmehr) vertretenden Rechtsanwalt sowie derselben belangten Behörde und dem Bundesminister für Finanzen jeweils am 24. Jänner 1991 zugestellten - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. November 1990, Zlen. 90/16/0192, 0193, zugrunde gelegenen Beschwerdefällen (Schenkungen den damaligen beiden Beschwerdeführerinnen gehörender Geschäftsanteile an derselben Gesellschaft m.b.H. an Franz K ... - Notariatsakte jeweils vom 21. Juni 1983) gleicht, wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen und gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses, die damaligen Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abweisenden Erkenntnisses verwiesen.
Zur Vermeidung von Mißverständnissen wird ergänzend bemerkt, daß auch im vorliegenden Fall der zum Stichtag maßgebende Wert des Geschäftsanteils unabhängig von der tatsächlichen Wertentwicklung für den ganzen Hauptveranlagungszeitraum zur Vermögensteuer, also für einen Zeitraum von drei Jahren galt (eine Fortschreibung wie bei den Einheitswerten war nicht vorgesehen). Diese Vorschriften haben erst seit der Streichung des letzten Satzes des § 1 Abs. 2 BewG durch Abschnitt III Art. I Z. 1 in Verbindung mit Art. II Z. 1 des Bundesgesetzes vom 10. Juni 1986, BGBl. Nr. 327, für die Erbschafts- und Schenkungssteuer keine Gültigkeit mehr (siehe z. B. Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, Band II2, Wien 1988, S. 11 A. Abs. 3, was allerdings in dem die Erbschafts- und Schenkungssteuer betreffenden Teil dieses Werkes, S. 70 VII.4., zumindest nicht eindeutig erkennbar ist).
Da der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein Vorverfahren eingeleitet hat, konnte der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 23. Jänner 1991 vorbringen, Franz K..., der ehemalige Geschäftsführer der betreffenden Gesellschaft m.b.H., sei am 12. Juni 1986 im Pflegeheim ... verstorben. Daraus ergebe sich, daß weder zum Zeitpunkt der Zustellung des "bescheidmäßigen" Ergebnisses der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung im Juli 1986 noch zum Zeitpunkt der Zustellung des Feststellungsbescheides (Juni 1987) der einzig zur Empfangnahme berechtigte Geschäftsführer dieser Gesellschaft m.b.H. am Leben gewesen sei. Es habe somit weder der "erstgenannte Bescheid" rechtskräftig werden noch der auf seiner (scheinbaren) Rechtskraft aufbauende Feststellungsbescheid Wirksamkeit entfalten können. Daher sei natürlich auch der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Bescheid - dieser gründe auf den Ergebnissen des Feststellungsbescheides - rechtswidrig und unwirksam. Diesem Schriftsatz war eine Ablichtung der Aufenthalts(-und Todes)bestätigung des Pflegeheimes ... angeschlossen.
In der ihr zu diesem Schriftsatz des Beschwerdeführers (samt der erwähnten Ablichtung) gemäß § 36 Abs. 8 VwGG aufgetragenen schriftlichen Äußerung vom 18. Februar 1991 brachte die belangte Behörde im wesentlichen folgendes vor:
Der Feststellungsbescheid vom 19. Juni 1987 sei durch Aushang (gemäß § 25 ZustellG) zugestellt worden, weil die Post den an die Gesellschaft m.b.H. zu Handen des Geschäftsführers Franz K... gerichteten Bescheid mit dem Vermerk "verzogen" an das Finanzamt zurückgestellt habe. Der Beschwerdeführer habe im bisherigen Verfahren keine Zweifel an dem Rechtsbestand des Feststellungsbescheides angemeldet. Zur Zeit der Erlassung der angefochtenen Berufungsentscheidung sei der Finanzbehörde nicht bekannt gewesen, daß der Geschäftsführer der Gesellschaft m.b.H. verstorben gewesen sei. Erst mit Schriftsatz vom 23. November 1990, mit dem der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt habe, sei erkennbar gewesen, daß die Wirksamkeit des aus der Sicht des Finanzamtes für Körperschaften rechtsgültig zugestellten Feststellungsbescheides in Frage gestellt werde. Die mit der Urkundenvorlage aufgezeigte Tatsache, daß der Geschäftsführer Franz K... am 12. Juni 1986 gestorben sei, falle nach Ansicht der belangten Behörde unter das Neuerungsverbot des § 41 VwGG. Abschließend bemerkte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 295 Abs. 1 BAO, das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers sei durch diese die Rechtskraft durchbrechende Norm uneingeschränkt gewahrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 41 Abs. 1 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof, SOWEIT ER NICHT RECHTSWIDRIGKEIT WEGEN Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen VERLETZUNG VON VERFAHRENSVORSCHRIFTEN GEGEBEN FINDET (§ 42 Abs. 2 Z. 2 und 3) und nicht § 38 Abs. 2 anwendbar ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (§ 28 Abs. 1 Z. 4) oder im Rahmen der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 28 Abs. 2) zu überprüfen.
In einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere Feststellungsbescheide, für Meßbescheide oder für Abgabenbescheide von Bedeutung sind, werden nach § 192 BAO diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.
Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er auf Grund des § 295 Abs. 1 BAO ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Falle der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.
Nach dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten verließ sich (sowohl das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien bei der Erlassung des betreffenden erstinstanzlichen Schenkungssteuerfestsetzungsbescheides als auch) die belangte Behörde bei der Erlassung der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung offensichtlich auf die Mitteilungen des Finanzamtes für Körperschaften, wonach der gemeine Wert der betreffenden Anteile zum 1. Jänner 1983 für je S 100,-- des eingezahlten Stammkapitals auf S 2.330,-- - sichtlich mit Bescheid vom 19. Juni 1987 - festgestellt worden sei.
Darin liegt aber aus nachstehend angeführten Gründen zumindest im Ergebnis eine die angefochtene Berufungsentscheidung belastende Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Ist nämlich der Empfänger keine natürliche Person, so ist die Sendung gemäß § 13 Abs. 3 ZustellG einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Nach dieser Gesetzesstelle "zuzustellen" ist nur in dem Fall, in dem die Behörde als Empfänger eine juristische Person bestimmt, es handelt sich um eine vom Zusteller (§ 3) zu beachtende Regelung. Sie schließt aber nicht aus, daß bereits die Behörde - wie im vorliegenden Fall - in der Zustellverfügung ein Organ der juristischen Person als "Empfänger" bestimmt. Diesfalls ist nicht die juristische Person sondern das betreffende Organ "Empfänger" (im formellen Sinn - siehe z.B. Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, Wien 1983, Anm 18 und 2 zu § 13).
Nach der Aktenlage wurde aber der Feststellungsbescheid des Finanzamtes für Körperschaften vom 19. Juni 1987 über den gemeinen Wert der Anteile des Stammkapitals (EW-Akt 41, dazu 43 bis 45) überhaupt nicht zugestellt und damit auch nicht erlassen. Der an die Gesellschaft m.b.H. "z.H. Franz K..."
adressierte RSb-Brief, der offensichtlich diesen Bescheid enthielt, wurde dem Finanzamt für Körperschaften am 24. Juni 1987 mit dem postalischen Vermerk "verzogen 23.6.87" zurückgestellt (EW-Akt 42). Die nach Auffassung der belangten Behörde vorgenommene Zustellung des "Feststellungsbescheides vom 19. Juni 1987 durch Aushang (gemäß § 25 Zustellgesetz)" kann - ohne hier zu erörtern, ob dies der richtige Vorgang gewesen wäre - nicht stattgefunden haben. Die in dem von der belangten Behörde angesprochenen Einheitswert-Akt (AS 31) im Anschluß an den Feststellungsbescheid vom 19. Juni 1987 (EW-Akt 41) einliegende Bekanntmachung einer Zustellung über ein gar nicht bezeichnetes Schriftstück ist mit 2. Oktober 1986 datiert und bestätigt einen Anschlag an der Amtstafel vom 2. Oktober 1986 bis 20. Oktober 1986.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien und - ihm folgend - die belangte Behörde stützten somit die für die Festsetzung von Schenkungssteuer notwendige Bewertung ausschließlich auf diesen - nicht erlassenen - Feststellungsbescheid vom 19. Juni 1987.
Die im vorliegenden Fall angefochtene Berufungsentscheidung ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Zuerkennung des Aufwandersatzes gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990160187.X00Im RIS seit
23.04.1992