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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der Z Gesellschaft m.b.H. & Co in H, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Präsidenten der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft vom 27. November 1990, Zl. Präs 257-10/90/Be/DM, betreffend Entrichtung der Einverleibungsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin hat am Standort Wien nn, eine weitere Betriebsstätte (Handelsgewerbe gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973, hier beschränkt auf den Einzelhandel) angemeldet.
Mit Bescheid der Sektion Handel der Wiener Handelskammer vom 22. Mai 1990, gezeichnet vom Obmann, wurde der Beschwerdeführerin über ihren Antrag auf Ausstellung eines Bescheides gemäß § 57g Abs. 1 HKG "gemäß § 57b, Absätze 1, 2 und 4 des Handelskammergesetzes sowie aufgrund der Fachgruppentagungsbeschlüsse der Wiener Landesgremien vom Jahre 1975, in Kraft getreten am 5.12.1975 (Genehmigung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie vom 5.11.1975, Zl. 174.347-III/10/75)" eine Einverleibungsgebühr (EVG, gemäß Art. II Abs. 3 der 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991, nunmehr: Eintragungsgebühr) in der Höhe von S 10.000,-- vorgeschrieben. Begründend wurde ausgeführt, die Höhe der EVG sei von allen Wiener Landesgremien beschlossen, von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien bestätigt und vom Bundesministerium für Handel, Gewerbe und Industrie genehmigt worden. Daher bestehe die Aufforderung vom 20. April 1990 zur Zahlung einer EVG von S 10.000,-- zu Recht.
Soweit dies für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung ist, bestritt die Beschwerdeführerin in ihrer dagegen erhobenen Berufung, daß ein ordnungsgemäßer Beschluß über die Höhe der zu entrichtenden EVG je zustandegekommen sei; die nach dem HKG und der dazu erlassenen Fachgruppenordnung errichteten Fachgremien, insbesondere das Landesgremium Wien des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln, bzw. sämtliche Wiener Landesgremien, welche im Jahre 1975 an den Fachgruppentagungsbeschlüssen teilgenommen hätten, besäßen keine Rechtspersönlichkeit. Außerdem sei § 57a Abs. 6 HKG verfassungswidrig.
Die belangte Behörde hat mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. November 1990 die Berufung abgewiesen und den "Bescheid der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 22.5.1990" (nach dem Vorspruch auch mit der Geschäftszahl bezeichnet) bestätigt. Begründend verwies die belangte Behörde auf die §§ 3 Abs. 2 und 57b HKG. Im Bereich der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien hätten sämtliche Landesgremien den im Kammer-Mitteilungsblatt "Die Wiener Handelskammer" Nr. 49, vom 5. Dezember 1975, Seite 7, kundgemachten Beschluß gefaßt, im Gemischtwarenhandel (Einzelhandel mit Waren aller Art) den Normalsatz der EVG mit S 5.000,-- neu festzusetzen. Die Beschwerdeführerin gehöre mit ihrer neu angezeigten Berechtigung dem Landesgremium Wien des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln an, es sei daher im vorliegenden Fall nur dieses Landesgremium betroffen. Nach der gegebenen Rechts- und Sachlage treffe es nicht zu, daß den betreffenden Fachorganisationen die rechtliche Existenz fehle, sie seien vielmehr ordnungsgemäß errichtet worden. Beim EVG-Beschluß des eingeschrittenen Gremiums handle es sich demnach um einen rechtsgültigen Akt, der von der Kammer Wien auch ordnungsgemäß vollzogen worden sei. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 57a Abs. 6 HKG verwies die belangte Behörde auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Oktober 1989, B 1878/88-6.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, die Bezahlung der vorgeschriebenen EVG zu verweigern.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anläßlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 Einverleibungsgebühren zu entrichten. Sie werden von der Fachgruppe (im Fall des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter) beschlossen. Der Beschluß über die Höhe der Einverleibungsgebühr bedarf der Bestätigung durch die Landeskammer und der im Wege der Bundeskammer einzuholenden Genehmigung durch den Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie. Bestätigung und Genehmigung sind zu erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
§ 57b Abs. 2 HKG sieht Mindest- und Höchstsätze für Einverleibungsgebühren sowie eine Staffelung nach natürlichen und juristischen Personen vor (so etwa beträgt die EVG für Kommanditgesellschaften das Doppelte des für natürliche Personen vorgesehenen Normalsatzes).
Gemäß § 57b Abs. 4 HKG wird die Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.
Gemäß § 57f Abs. 1 HKG wird die Einverleibungsgebühr binnen einem Monat ab Vorschreibung fällig.
Die zur Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Einverleibungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) hat gemäß § 57g Abs. 1 HKG über Art und Ausmaß einen Bescheid zu erlassen, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach Vorschreibung verlangt wird.
Gegen den Bescheid nach Abs. 1 kann gemäß § 57g Abs. 2 HKG, sofern er betreffend die Vorschreibung einer Einverleibungsgebühr von der Fachgruppe erlassen wird, binnen zwei Wochen ab Zustellung Berufung an die Landeskammer erhoben werden. Gegen den Bescheid der Landeskammer (Sektion Handel) nach Abs. 1 sowie gegen den Bescheid, mit dem die Landeskammer über eine Berufung entschieden hat, steht binnen zwei Wochen die Berufung an die Bundeskammer offen, gegen deren Entscheidung kein weiteres ordentliches Rechtsmittel zulässig ist. Die Berufung ist jeweils bei der Stelle einzubringen, die den Bescheid erlassen hat.
Zuständig zur Erlassung von Berufungsbescheiden nach § 57g Abs. 2 HKG ist, wie sich aus den §§ 22 Abs. 3 und 9 Abs. 3 HKG ergibt, der Vorstand der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1979, Slg. 8707). Gemäß dem ersten Satz des § 53a HKG können die in §§ 7, 20, 30 Abs. 1 und 31 Abs. 3 angeführten Kollegialorgane - zu denen gemäß § 20 lit. c der Vorstand der Bundeskammer zählt - die Beschlußfassung in bestimmten Angelegenheiten engeren Organen der betreffenden Organisation (Landeskammer, Bundeskammer, Sektionen, Fachgruppe, Fachverband) übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gelegen ist.
Der angefochtene Bescheid enthält keinen direkten Hinweis auf ein tätig gewordenes Organ der Bundeskammer und ist daher auf Grund seiner Fertigungsklausel dem Präsidenten der Bundeskammer zuzurechnen. Dieser war auch, wie aktenkundig ist, gemäß einem am 30. Mai 1980 gefaßten und in den Kammerblättern veröffentlichten Beschluß des Vorstandes der Bundeskammer gemäß § 53a HKG zur Bescheiderlassung zuständig.
Ähnliche Überlegungen sind hinsichtlich der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides anzustellen, weil eine von der belangten Behörde nicht aufgegriffene Unzuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belasten würde (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 571 angeführte Judikatur). Im Beschwerdefall stammt der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 57g Abs. 1 HKG von der Sektion Handel der Wiener Landeskammer. Er ist ähnlich wie der angefochtene Bescheid nach seinem Inhalt und gemäß der Fertigungsklausel dem Sektionsobmann zuzurechnen, dessen Zuständigkeit zur Bescheiderlassung ebenfalls durch einen aktenkundigen, in den §§ 53a und 7 lit. f HKG gedeckten Delegierungsbeschluß der Sektionsleitung vom 14. Oktober 1980 gegeben war.
Nach Meinung der Beschwerdeführerin ist der angefochtene Bescheid schon deshalb rechtswidrig, weil mit ihm ein Bescheid der "Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien" bestätigt worden sei, obwohl in erster Instanz deren Sektion Handel eingeschritten sei. Entgegen dieser Auffassung ist der erstinstanzliche Bescheid im angefochtenen Bescheid völlig unmißverständlich nach Aktenzahl und Datum individualisiert worden. Daß dabei die Sektion Handel nicht ausdrücklich angeführt wurde, stellt mit Rücksicht darauf einen nur unwesentlichen Mangel der Bezeichnung des in erster Instanz eingeschrittenen Kammerorgans dar. Im übrigen hat die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Berufung den erstinstanzlichen Bescheid als "Bescheid der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien vom 22.05.1990" bekämpft.
Die Beschwerdeführerin bemängelt ferner, es fehlten Feststellungen darüber, welche Fachgruppe die EVG beschlossen habe, wann dies der Fall gewesen sei, welchen Inhalt der betreffende Beschluß gehabt habe und wie er zustandegekommen sei. Dieser Vorwurf ist unbegründet, denn diese Angaben sind in den Bescheiden beider Instanzen enthalten. Es ergibt sich daraus, daß das Landesgremium Wien des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln den von der Landeskammer bestätigten und vom zuständigen Bundesminister genehmigten, am 5. Dezember 1975 im Kammer-Mitteilungsblatt kundgemachten Beschluß gefaßt hat, die EVG für den Einzelhandel mit Waren aller Art im Normalsatz mit S 5.000,-- neu festzusetzen. Daraus folgt im Zusammenhalt mit § 57b Abs. 2 HKG die ziffernmäßige Richtigkeit der Vorschreibung an die Beschwerdeführerin (eine Kommanditgesellschaft) mit S 10.000,--.
Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, jene Fachgruppe, die den der bekämpften EVG-Vorschreibung zugrunde liegenden, im Rang einer Verordnung stehenden generell verbindlichen EVG-Beschluß gefaßt hat, sei nicht dem Gesetz entsprechend errichtet worden, weshalb ihr auch die Fähigkeit gefehlt habe, rechtswirksam einen solchen EVG-Beschluß zu fassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde mit Beschluß vom 26. Juni 1991 gemäß Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, den im Mitteilungsblatt "Die Wiener Handelskammer", 27. Jahrgang, Nr. 49, vom 5. Dezember 1975 verlautbarten Beschluß des Landesgremiums Wien des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln über die Erhöhung bzw. Neufestsetzung von EVG als gesetzwidrig aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom 25. November 1991, V 204,205/91-6, hat der Verfassungsgerichtshof diesen Antrag im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, gleichgültig ob die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Errichtung der eingeschrittenen Fachgruppe zuträfen, werde dadurch jedenfalls nicht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses, insbesondere auch die Zuständigkeit der Behörde, die diesen Beschluß erlassen habe, berührt. Daß diese Fachgruppe überhaupt rechtlich existent geworden sei, sei nicht zweifelhaft. Hiezu ist zwecks vermeidbarer Wiederholungen auf die den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannten näheren rechtlichen Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in dem genannten Erkenntnis zu verweisen.
Dazu enthält überdies die 8. HKG-Novelle, BGBl. Nr. 620/1991, ausgegeben am 3. Dezember 1991, in ihrem Art. II Abs. 1 folgende Bestimmung:
"Sämtliche Fachgruppen und Fachverbände, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes nach den Bestimmungen der Handelskammer-Wahlordnung in der geltenden Fassung bestehen, gelten als den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen gemäß errichtet und ihre Beschlüsse und sonstigen rechtlich bedeutsamen Akte als gesetzmäßig zustandegekommen."
Zufolge Art. III Abs. 2 leg. cit. tritt diese Bestimmung rückwirkend mit 10. Oktober 1946 in Kraft.
Die Fachgruppe des Einzelhandels mit Lebens- und Genußmitteln ist in der Anlage 1 der Handelskammer-Wahlordnung idgF genannt und gilt somit als den gesetzlichen Bestimmungen gemäß errichtet. Die dem Art. II Abs. 1 der 8. HKG-Novelle verliehene rückwirkende Kraft bedeutet, daß die im Zeitpunkt der Fassung des im Range einer Verordnung stehenden EVG-Beschlusses der genannten Fachgruppe sowie im Zeitpunkt der konkreten EVG-Vorschreibung gegenüber der Beschwerdeführerin geltende Rechtslage so zu betrachten ist, als wäre diese Bestimmung schon damals in Kraft gestanden.
Auch das einen Rechtsmangel bei Errichtung der in Rede stehenden Fachgruppe (Landesgremium) behauptende Beschwerdevorbringen ist daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun.
Im Ergebnis gilt gleiches für den Einwand der Beschwerde gegen die offensichtlich auf einen Schreibfehler zurückgehende Anführung eines Betrages von S 20.000,-- in der Begründung des
angefochtenen Bescheides. Da sich aus dem Spruch des
angefochtenen Bescheides in Verbindung mit dem Spruch des erstinstanzlichen Bescheides eindeutig die Höhe der EVG mit S 10.000,-- ergibt, kann der unrichtigen Angabe in der Begründung keine entscheidende Bedeutung zukommen. Unter Beachtung der Regelung über die Höhe des EVG erscheint das Vorbringen, dem Bescheid sei nicht zu entnehmen, wie sich der Betrag von S 10.000,-- zusammensetze, unverständlich.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090115.X00Im RIS seit
23.04.1992