Index
L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde der NN in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission (der Stadt Wien) vom 26. September 1991, Zl. MD-2765-6/89, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stand als Bedienstete der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien, in dessen Rahmen sie u.a. im Bahnhof X als Beamtin in der Verrechnungsstelle tätig war.
Mit Strafurteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Juli 1990, Zl. 7d Vr 11149/89 - Hv 3593/90, wurden die Beschwerdeführerin und eine weitere Beamtin für schuldig erkannt, sich in der Zeit von 1982 bis Ende 1989 in Wien als Mittäter in zahlreichen Angriffen ein Gut, das ihnen anvertraut war, nämlich Einnahmen aus den Fahrscheinverkäufen durch Fahrscheinausgabeautomaten in der Höhe von zusammen etwa S 1,091.568,--, dadurch mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich unrechtmäßig zu bereichern, daß sie dieses Geld nicht an die Wiener Verkehrsbetriebe ablieferten, sondern für eigene finanzielle Bedürfnisse verwendeten. Die Beschwerdeführerin habe hiedurch ebenso wie ihre Kollegin das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 StGB begangen und wurde hiefür nach dem höheren Strafsatz des § 133 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Höhe von fünfzehn Monaten verurteilt, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafen auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Das Strafurteil enthält keine Hinweise auf einen Eintritt oder auf eine bedingte Nachsicht eines Amtsverlustes im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB. Nach den Feststellungen des Strafgerichtes gehörte es zum Aufgabenbereich der beiden Angeklagten, die Einnahmen aus den Fahrscheinverkäufen durch Ausgabeautomaten in den Straßenbahnen abzurechnen und das Geld ihrem Dienstgeber zukommen zu lassen. Im Zuge eines Gespräches seien die beiden Frauen auf allfällige Minusbeträge zu sprechen gekommen, wobei sie schließlich, da es nur eine sehr mangelhafte Kontrolle gab, den Plan faßten, Geldbeträge abzuzweigen und nicht an die Dienststelle weiterzuleiten, sondern untereinander aufzuteilen. Gemäß diesem Plan zweigten die beiden Frauen in den Jahren 1982 bis 1989 zusammen etwa S 1,091.568,-- ab und teilten dieses Geld untereinander auf, obwohl beide genau wußten, daß dieses Geld für die Verkehrsbetriebe bestimmt war. Dies sei im einverständlichen Zusammenwirken geschehen, die Entnahmen seien dabei etwa 50:50 aufgeteilt worden. Nach Entdeckung ihrer Malversationen hätten die Angeklagten nahezu vollständige Schadensgutmachung geleistet; sie hätten sich auch im wesentlichen schuldig bekannt. Bei der Strafzumessung sei bei beiden mildernd der bisher untadelige Wandel und die nahezu vollständige Schadensgutmachung, erschwerend hingegen der Umstand gewesen, daß sie die Straftaten in mehreren Angriffen durch einen Zeitraum von rund sieben Jahren gesetzt hätten.
Als dieses Strafurteil in Rechtskraft erwachsen war, setzte die Disziplinarkommission (Senat 17) das von ihr wegen des anhängigen Strafverfahrens unterbrochen gewesene Disziplinarverfahren durch Anberaumung einer mündlichen Verhandlung fort, in der u.a. ein Zeuge und die Beschwerdeführerin einvernommen wurden.
Mit Disziplinarerkenntnis vom 2. Mai 1991 sprach die Disziplinarkommission - Senat 17 aus, die Beschwerdeführerin habe dadurch, daß sie als Bedienstete der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe in der Zeit von 1982 bis Ende 1989 als Mittäterin Einnahmen aus den Fahrscheinverkäufen durch Fahrscheinausgabeautomaten in der Höhe von zusammen etwa S 1,091.568,-- veruntreut habe, gegen die im § 19 der Dienstordnung 1966 (DO) festgelegten allgemeinen Pflichten eines Beamten verstoßen und sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht. Hiefür werde über sie die Disziplinarstrafe der Entlassung gemäß § 58 Abs. 1 Z. 6 DO verhängt.
Begründend ging die Disziplinarkommission von dem in Rechtskraft erwachsenen Strafurteil aus, an dessen Tatsachenfeststellungen sie gemäß § 62 Abs. 2 DO gebunden sei. Im Einklang mit einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beurteilte die Disziplinarkommission diesen Sachverhalt dahin, daß ein Beamter, der unter Ausnützung seiner dienstlichen Möglichkeiten und während des Dienstes ihm anvertrautes Gut zum Nachteil seines Dienstgebers veruntreue, grundsätzlich nicht mehr tragbar sei, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zum öffentlichen Dienst wesentlich zerstört werde. Die Verwaltung müsse sich auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Beamten bei dessen Dienstausübung verlassen, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich sei. Die Kassenklarheit, -sicherheit und -redlichkeit seien für ein geordnetes und zuverlässiges Kassenwesen eine grundlegende Voraussetzung. Darüber werde jeder Kassenbeamte in der Ausbildung und Einarbeitung belehrt. Daß von einem Beamten erwartet werden müsse, diese Gebote aus eigener Verantwortlichkeit und aus eigenem Antrieb einzuhalten, entspreche dem gegenseitigen Treue- und Vertrauensverhältnis. Wer sich dennoch an dienstlich anvertrauten Geldern vergreife, zerstöre grundsätzlich das erforderliche Vertrauensverhältnis und sei für den öffentlichen Dienst untragbar. Daran vermöge auch eine einwandfreie Dienstleistung nach Aufdeckung der Tat nichts zu ändern; auch andere Gründe wie Existenzvernichtung und Arbeitslosigkeit könnten nicht mehr entscheidend sein. Was die Geltendmachung von Milderungsgründen durch die Beschwerdeführerin anlange, sei festzustellen, daß sie über Jahre hinweg deliktisch gehandelt habe, sodaß nicht von einer unbedachten "Augenblickstat" gesprochen werden könne. Auch könne sich die Beschwerdeführerin nicht auf mangelnde Kontrolle der Kassenbelege und der Abrechnung der Einnahmen aus den Automaten als Milderungsgrund für ihre Verfehlungen berufen. Gerade die Kenntnis des Umstandes, daß erst größere Fehlbeträge zu Kontrollen geführt hätten, habe die Beschwerdeführerin zur fortlaufenden Abzweigung immer nur kleinerer Beträge veranlaßt. Diese Ausnützung eines gewissen "Insiderwissens" erweise sich als besonders verwerflicher Bruch des Treue- und Vertrauensverhältnisses zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Dienstgeber. Technische Mängel der Automaten vermögen ebenfalls nicht als Milderungsgrund durchzuschlagen, weil der Dienstgeber von einer Kassenbeamtin zu Recht eine verläßliche Kassenführung und -verrechnung erwarten müsse und könne. Die Wiedergutmachung seit Aufdeckung der Veruntreuung sei zwar positiv anzurechnen, doch könne diesem Milderungsgrund nicht bei einer Veruntreuung über einen Zeitraum von zumindest sieben Jahren Relevanz zukommen. Andere für das Strafausmaß relevante Milderungsgründe könnten nicht festgestellt werden, hingegen sei erschwerend der lange Zeitraum der Verfehlungen und der Eigennutz zu werten. Die von der Beschwerdeführerin begangene Pflichtverletzung sei deshalb mit der Disziplinarstrafe der Entlassung zu ahnden gewesen.
Diesen Bescheid focht die Beschwerdeführerin mit Berufung hinsichtlich Schuld und Strafe an. Insbesondere habe die Behörde das Recht, auf Entlassung zu erkennen, schon durch Zeitablauf verwirkt. Dies vor allem deshalb, weil die Dienstbehörde die Beschwerdeführerin in Kenntnis des Sachverhaltes auf einem anderen Dienstposten weiterbeschäftigt und damit die Zumutbarkeit ihrer Weiterbeschäftigung zugestanden habe. Auch habe die Disziplinarbehörde erster Instanz die vorliegenden Strafbemessungsgründe unzutreffend beurteilt; vor allem sei die mangelnde Kontrolle durch den Dienstgeber zu Unrecht als erschwerend und nicht als mildernd gewertet worden. Nicht ausreichend berücksichtigt seien auch das Geständnis und die Schadensgutmachung der Beschwerdeführerin worden. Die Entlassung sei daher nicht begründet.
Die belangte Behörde holte zu dieser Berufung eine Stellungnahme des Disziplinaranwaltes ein, sah sich aber im übrigen zu keinen weiteren Verfahrensschritten veranlaßt, sondern wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. September 1991 in nichtöffentlicher Sitzung die Berufung gemäß § 72 Abs. 1 DO iVm § 66 Abs. 4 AVG ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Begründend führte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nach einer zusammenfassenden Darstellung der vorangegangenen Vorgänge im Disziplinarverfahren und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen im wesentlichen aus, die Behörde erster Instanz habe das strafgerichtlich geahndete Verhalten der Beschwerdeführerin richtig als schwerste Verletzung der allgemeinen Dienstpflichten (§ 19 DO) gewürdigt. Die belangte Behörde könne sich der Argumentation der Beschwerdeführerin, durch die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Dienstposten sei das Recht verwirkt worden, die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen, nicht anschließen. Auszugehen sei davon, daß die Beschwerdeführerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien stehe; auch eine "Annäherung an ein privatrechtliches Dienstverhältnis" liege nicht vor, sodaß für die Frage einer Entlassung auch nicht das Postulat der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung entscheidend sei. Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin sei nur auf die in der DO vorgesehene Weise, nämlich ausschließlich im Wege eines Disziplinarverfahrens durch Entlassung, auflösbar. Der Entlassung stehe auch nicht entgegen, daß die Dienst- bzw. die Disziplinarbehörde nicht von der Möglichkeit oder gar einer Verpflichtung, die Beschwerdeführerin gemäß § 76 Abs. 1 DO vom Dienst zu suspendieren, Gebrauch gemacht habe. Im Beschwerdefall sei, da das Verhalten der Beschwerdeführerin keine oder nur geringe Publizität gefunden habe, das Ansehen des Amtes nicht gefährdet worden; auch wesentliche Interessen des Dienstes seien nicht gefährdet gewesen, weil der Beschwerdeführerin eine Fortsetzung ihres kriminellen Verhaltens durch Versetzung auf einen Posten mit anderem Aufgabenbereich unmöglich gemacht worden sei. Aus der Tatsache, daß keine Suspendierungsgründe vorgelegen seien, könne aber nicht gefolgert werden, daß der Dienstgeber zum Ausdruck habe bringen wollen, er gehe nicht von einem die Weiterbeschäftigung unzumutbar machenden Vertrauensverlust aus. Auch in der Frage, ob die Verhängung einer zusätzlichen Disziplinarstrafe notwendig gewesen sei, um der wesentlichen Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Beschwerdeführerin Rechnung zu tragen, sei der Behörde erster Instanz zu folgen, dies schon wegen der Art des Fehlverhaltens der Beschwerdeführerin und wegen der besonderen Umstände, vor allem wegen der engen Bindung ihrer dienstlichen Stellung mit der Tätigkeit, die ihr Gelegenheit zu ihrer strafbaren Handlung geboten habe. Wer wie die Beschwerdeführerin das für das Funktionieren des öffentlichen Dienstes unabdingbare Vertrauen aus Eigennutz durch Veruntreuungen zerstöre, mache sich für den öffentlichen Dienst untragbar, wobei im vorliegenden Fall die Eignung und Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin nicht nur im Hinblick auf die Schwere ihres Dienstvergehens, sondern auch im Hinblick auf ihr Verhalten bei und nach der Tat in Abrede zu stellen sei. Die Beschwerdeführerin habe nicht nur jahrelang deliktisch gehandelt und dabei ein gewisses Insiderwissen zu ihrem Vorteil ausgenützt, sondern sie habe die schließlich festgestellten Entnahmen vorerst mehrmals bestritten und erst etwa einen Monat nach ihrer ersten Einvernahme zugegeben.
Schließlich sei auch den Ausführungen der Behörde erster Instanz zur Strafbemessung zu folgen. Es handle sich um eine besonders schwere Dienstpflichtverletzung, die den völligen Vertrauensschwund des Dienstgebers zur Folge habe. Gerade die Ausnützung der dienstlichen Möglichkeiten und des Insiderwissens hätten dazu geführt, daß aus der Sicht des Dienstgebers keine Gewähr dafür bestehe, daß sich die Beschwerdeführerin in Zukunft in jedem Fall so verhalten werde, wie es ihre Stellung als Beamtin erfordere. Es sei der Verwaltung nicht mehr möglich, sich auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit der Beschwerdeführerin verlassen zu können. Angesichts all dessen komme eine andere Disziplinarmaßnahme als jene der Entlassung nicht mehr in Betracht, worauf auch die anderen von der Beschwerdeführerin angeführten möglichen Milderungsgründe keinen Einfluß mehr haben könnten.
Zum Antrag der Beschwerdeführerin auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung werde darauf hingewiesen, daß gemäß § 85 Abs. 5 DO die belangte Behörde über eine Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheide. Im übrigen sei der Sachverhalt klar, weitere Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens erschienen nicht notwendig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, daß über sie nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt werde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 1 DO hat der Beamte die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen. Er hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.
Gemäß § 56a DO wird das Dienstverhältnis des Beamten des Dienst- oder Ruhestandes durch Entlassung aufgelöst, und zwar
a)
durch Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung;
b)
durch Verurteilung durch ein inländisches Gericht wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe; das Dienstverhältnis wird nicht aufgelöst, wenn die Strafe bedingt nachgesehen wird, es sei denn, daß die Nachsicht widerrufen wird;
c) in den Fällen des § 11 Abs. 2.
Ein Beamter, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist gemäß § 57 DO nach den Bestimmungen des Abschnittes VII der DO über das Disziplinarrecht zur Verantwortung zu ziehen. Zu den Disziplinarstrafen zählt als die strengste gemäß § 58 Abs. 1 Z. 6 DO die Entlassung. Maßgebend für die Strafbemessung ist gemäß § 59 Abs. 1 DO die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist insbesondere Rücksicht zu nehmen, 1. inwieweit das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten durch die Dienstpflichtverletzung beeinträchtigt wurde, 2. inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, und 3. sinngemäß auf die gemäß den §§ 32 bis 35 StGB für die Strafbemessung maßgebenden Gründe.
Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist die Dienstpflichtverletzung gemäß § 62 Abs. 1 DO nur dann zu verfolgen, wenn die Verhängung einer Disziplinarstrafe erforderlich erscheint, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder weil das Vertrauen des Dienstgebers in die Person des Beamten auf Grund der Schwere der Dienstpflichtverletzung wesentlich beeinträchtigt wurde. Die Disziplinarbehörde ist gemäß § 62 Abs. 2 DO an die Tatsachenfeststellung, die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes (Straferkenntnisses einer Verwaltungsbehörde) zugrunde gelegt wurde, gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (die Verwaltungsbehörde) als nicht erweisbar angenommen hat. Wird die Dienstpflichtverletzung verfolgt, dann ist gemäß § 62 Abs. 3 DO, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder um der wesentlichen Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstgebers in die Person des Beamten Rechnung zu tragen.
Disziplinarbehörden sind gemäß § 63 DO der Magistrat (dem im Beschwerdefall keine Zuständigkeit zukam), die Disziplinarkommission (§ 66) und die Disziplinaroberkommission (§ 67).
Würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat gemäß § 76 Abs. 1 DO der Magistrat, wenn jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission oder bei der Disziplinaroberkommission bereits anhängig ist, diese, den Beamten vom Dienst zu suspendieren.
Die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens wegen und seine Fortsetzung nach Abschluß eines gerichtlichen Strafverfahrens regelt der § 77 DO.
Im Verfahren vor der Disziplinarkommission ist die Fassung eines Verhandlungsbeschlusses (§ 82 Abs. 3 DO) und die Abhaltung einer nicht öffentlichen mündlichen Verhandlung (§ 83 DO) vorgesehen.
Gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission steht den Parteien das Recht der Berufung an die Disziplinaroberkommission zu, die gemäß § 85 Abs. 5 DO ohne mündliche Verhandlung entscheidet.
Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen kommt dem Beschwerdevorbringen keine Berechtigung zu.
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Bezeichnung der im Beschwerdefall eingeschrittenen Disziplinarbehörden als "Disziplinarkommission" und "Disziplinaroberkommission" sei deshalb rechtswidrig, weil sie keine individualisierenden Zusätze enthalte und daher nicht erkennen lasse, welche Behörde nun tatsächlich eingeschritten sei. Sie muß dazu allerdings selbst zugestehen, daß die gewählte Behördenbezeichnung vollkommen den einschlägigen Bestimmungen der DO entsprochen hat. Ernsthafte Zweifel daran, daß es sich bei den eingeschrittenen Behörden um die nach der DO zuständigen Wiener Disziplinarinstanzen gehandelt hat, sind im übrigen weder dem Beschwerdevorbringen noch dem Inhalt der vorgelegten Akten zu entnehmen. Es trifft auch nicht zu, daß die Mitglieder der eingeschrittenen Disziplinarbehörden "im Anonymen" geblieben wären, zumal deren Namen aktenkundig waren und bei Bedenken der Beschwerdeführerin durch bloße Akteneinsicht jederzeit hätten festgestellt werden können. Die Beschwerde enthält auch kein Vorbringen dahin, daß tatsächlich eines der Mitglieder der Disziplinarkommission oder der Disziplinaroberkommission von einer Mitwirkung im Falle der Beschwerdeführerin ausgeschlossen oder befangen gewesen wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu teilen, daß im Beschwerdefall ein Bescheid gar nicht erlassen worden wäre, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen wäre.
Die Beschwerdeausführungen zu angeblichen Abstimmungsmängeln bei der Fassung der Disziplinarerkenntnisse in beiden Instanzen sind, worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend verweist, aktenwidrig. Abgesehen davon, daß die Beratung und Abstimmung der Disziplinarkommission gemäß § 83 Abs. 1 DO vertraulich ist und jene der Disziplinaroberkommission gemäß § 85 Abs. 5 DO in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt, läßt sich das Abstimmungsverhalten der einzelnene Mitglieder aus der aktenkundigen Tatsache, daß die Entscheidungen in beiden Instanzen einstimmig erfolgt sind, leicht nachvollziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch der Anregung der Beschwerdeführerin, § 85 Abs. 5 DO als verfassungswidrig beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, nicht näher zu treten, weil die Verfassung ein "Verhandlungsprinzip" für das Disziplinarverfahren nicht kennt und der Landesgesetzgeber daher nicht verhalten war, im Berufungsverfahren vor der Disziplinaroberkommission die Abhaltung einer (weiteren) mündlichen Verhandlung vorzuschreiben. Eine mündliche Verhandlung konnte im Berufungsverfahren im übrigen auch deshalb entfallen, weil es zu keiner Ergänzung des Ermittlungsverfahrens gekommen ist und eine solche nach der Aktenlage auch entbehrlich war.
Richtig ist, daß die belangte Behörde im Berufungsverfahren eine Gegenäußerung des Disziplinaranwaltes zur Berufung der Beschwerdeführerin eingeholt, diese aber der Beschwerdeführerin nicht mehr vor Fällung des angefochtenen Bescheides zur Kenntnis gebracht hat. Eine Verletzung des Parteiengehörs kann darin indessen nicht erblickt werden, weil die Äußerung des Disziplinaranwaltes nur Rechtsausführungen enthielt. Die Beschwerde läßt auch nicht erkennen, welche Ausführungen der Beschwerdeführerin durch die Vorgangsweise der belangten Behörde unmöglich gemacht worden seien und inwieweit diese geeignet gewesen wären, ein anderes Verfahrensergebnis herbeizuführen. Ein relevanter Verfahrensmangel liegt daher auch insoweit nicht vor.
Eine weitere Rechtswidrigkeit behauptet die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen, wonach aus der Tatsache, daß sie nicht gemäß § 76 Abs. 1 DO suspendiert, sondern auf einem anderen Posten von ihrem Dienstgeber weiterbeschäftigt worden sei, die Unzulässigkeit der Annahme eines Vertrauensverlustes resultiere, was ihrer Entlassung rechtlich entgegenstehe. In diesem Zusammenhang sei auch unbeachtet geblieben, daß die Beschwerdeführerin durch das Fehlen von Kontrollen in ihre deliktische Handlungsweise geschlittert sei und im Ergebnis sogar mehr als den von ihr verursachten Schadensbetrag an den Dienstgeber refundiert habe. Ferner hätte bei den Erwägungen über die Strafbemessung einfließen müssen, daß die Beschwerdeführerin sich im Jahre 1989 einer schweren Operation (Gehirntumor) habe unterziehen müssen.
Auch unter dem Gesichtspunkt der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides macht die Beschwerdeführerin geltend, ihr Verhalten seit der Aufdeckung ihrer strafbaren Vorgangsweise sowie eine richtige Einschätzung ihrer Persönlichkeit hätten bei richtiger rechtlicher Würdigung nicht zu dem Ergebnis einer Entlassung führen dürfen; eine Weiterbeschäftigung der Beschwerdeführerin sei ihrem Dienstgeber vielmehr durchaus zumutbar gewesen. Dies folge auch aus der Dauer des Disziplinarverfahrens, da zwischen der Rechtskraft der strafgerichtlichen Entscheidung und der Rechtskraft der disziplinarrechtlichen Entlassung rund ein Jahr verstrichen sei, während welcher Zeit die Beschwerdeführerin weiterbeschäftigt worden sei.
Alle diese gegen das Ergebnis des Disziplinarverfahrens, nämlich die Entlassung der Beschwerdeführerin, gerichteten Ausführungen der Beschwerde vermögen indes eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen.
Eine Vorschrift, wonach die Disziplinarstrafe der Entlassung dann nicht ausgesprochen werden dürfte, wenn es zuvor nicht zu einer Suspendierung des Beamten gemäß § 76 Abs. 1 DO gekommen ist, ist dem Gesetz fremd. Aus welchen Gründen immer daher im Beschwerdefall eine Suspendierung der Beschwerdeführerin unterblieben ist, waren die zuständigen Disziplinarbehörden dadurch hinsichtlich des Ausspruches der von ihnen für angemessen erachteten Disziplinarstrafe nicht gebunden. Es stand den Disziplinarbehörden daher dieser Umstand auch nicht bei der Beurteilung der Frage im Wege, ob der durch das Verhalten der Beschwerdeführerin ausgelöste Vertrauensverlust eine Entlassung der Beschwerdeführerin rechtfertigte.
Die Disziplinarstrafe der Entlassung ist keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Wird der Beamte danach nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, die seine Stellung als Beamter erfordert, hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört, dann kann er auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, dann fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der öffentlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Entscheidend ist die weitere Tragbarkeit des Beamten in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1991, Zl. 91/09/0088, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Um einen solchen Fall der Untragbarkeit handelt es sich nach der Begründung des angefochtenen Bescheides auch im vorliegenden Beschwerdefall, wobei die Ausführungen in der Beschwerde nicht geeignet sind, die bekämpfte Vorgangsweise der belangten Behörde als rechtswidrig erkennen zu lassen (vgl. dazu die bereits im Bescheid der Disziplinarkommission angeführten Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 15. Dezember 1989, Zl. 89/09/0092). Die belangte Behörde ist schon unter Bedachtnahme auf die Zahl der einzelnen Verfehlungen und das lange Andauern des strafbaren Verhaltens der Beschwerdeführerin mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß diese für die Dienstbehörde untragbar geworden sei. Diese Erwägungen sind mit Rücksicht auf das Strafurteil im festgestellten Sachverhalt voll gedeckt und sachlich gerechtfertigt. Daran vermag weder der Umstand, daß die Vorgangsweise der Beschwerdeführerin durch unzureichende Kontrollen begünstigt wurde, noch der (als gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung vorgetragene) Umstand einer schweren Erkrankung der Beschwerdeführerin im Jahr 1989 etwas zu ändern. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der Beschwerdeführerin auch in ihrer Argumentation insoweit nicht zu folgen, als sie sich trotz ihrer festgestellten Vorgangsweise als den "Typus des einmaligen Straftäters" einschätzt und die Auffassung vertritt, eine richtige Einschätzung ihrer Persönlichkeit stehe der ausgesprochenen Entlassung entgegen.
Daß nicht bereits die Tatsache der strafgerichtlichen Verurteilung selbst gemäß § 56a lit. b DO zur Auflösung des Dienstverhältnisses geführt hat, stellt ebenfalls ein untaugliches Argument gegen die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung (§ 56a lit. a DO) dar, weil letztere unter den gegebenen Umständen die einzige verbliebene Möglichkeit war, das für ihren Dienstgeber untragbar gewordene Dienstverhältnis mit der Beschwerdeführerin zur Auflösung zu bringen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung nicht bereits nach § 27 Abs. 1 StGB zu einem früheren Zeitpunkt geendet hat (was infolge fehlender Beamteneigenschaft der Beschwerdeführerin wohl nicht der Fall war, vgl. das Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes vom 21. Juni 1983, JBl. 1984, 622). Ein für die Beschwerdeführerin günstigeres Ergebnis wäre daraus keinesfalls abzuleiten gewesen.
Die Beschwerdeführerin ist daher in ihren Rechten nicht dadurch verletzt worden, daß die belangte Behörde wegen des durch ihr Verhalten herbeigeführten Vertrauensverlustes die über die Beschwerdeführerin verhängte Disziplinarstrafe der Entlassung bestätigt hat. Nach dem oben Gesagten vermochten auch die von der Beschwerdeführerin hervorgehobenen wesentlichen Milderungsgründe des Geständnisses und der weitgehenden Schadensgutmachung eine Rechtswidrigkeit der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten disziplinären Bestrafung der Beschwerdeführerin nicht darzutun.
Die Beschwerde war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Abstandnahme vom Parteiengehör Parteiengehör Rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991090235.X00Im RIS seit
21.03.2001