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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1988/231;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. August 1991, Zl. MA 62 - III/308/91/Str, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: AB, vormals X in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Auf Grund einer Anzeige des Marktamtes wurde die mitbeteiligte Partei (mP) am 20. September 1990 durch das Magistratische Bezirksamt für den 3. Bezirk (MBA) zur Rechtfertigung aufgefordert, weil sie am 20. und am 21. Juli 1990 am Rochusmarkt in Wien den türkischen Staatsbürger E.Y. als Verkäufer beschäftigt habe, "obwohl eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung dafür nicht vorlag". Die mP hat auf diese Aufforderung nicht reagiert.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 1990 wurde über die mP wegen Verletzung des § 28 Abs. 1 lit. a iVm § 3 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 (offenbar idF gemäß BGBl. Nr. 231/1988, in der Folge kurz: AuslBG) eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- verhängt, weil sie am
20. und 21. Juli 1990 am Rochusmarkt den türkischen Staatsbürger E.Y. als Verkäufer beschäftigt habe, "obwohl eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung dafür nicht vorlag".
Auf Grund der dagegen von der mP erhobenen Berufung behob die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid das erstinstanzliche Straferkenntnis und verfügte gemäß § 45 Abs. 1 lit. c VStG die Einstellung des Verfahrens. Begründend führte die belangte Behörde aus, gemäß § 44a lit. a VStG habe der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung laute, die als erwiesen angenommene Tat mit allen ihren rechtserheblichen Merkmalen anzuführen. Dazu zähle auch die genaue Bezeichnung der fehlenden arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung. Der Spruch des Bescheides des MBA habe eine solche Beschreibung nicht enthalten, weil darin nicht konkretisiert worden sei, daß die mP E.Y. beschäftigt habe, "obwohl ihr für diesen weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde noch der Ausländer im Besitze eines Befreiungsscheines war". Dem Konkretisierungsgebot des § 44a lit. a VStG sei daher nicht Rechnung getragen worden. Da sohin innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine rechtsgültige Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 31 Abs. 1 und 32 Abs. 2 VStG gesetzt worden sei, sei der belangten Behörde eine diesbezügliche Ergänzung des Bescheidspruches versagt gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde gemäß § 28a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 450/1990, mit der seine Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Die mP hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht
beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 231/1988 begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 13. Dezember 1991, G 294/91-5, festgestellt, daß diese Bestimmung des AuslBG verfassungswidrig war, und daß die Vorschrift auch auf die "derzeit" (d.h. am 13. Dezember 1991, vgl. dazu auch BGBl. Nr. 105/1992) beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Fälle nicht mehr anzuwenden sei. Der vorliegende Beschwerdefall ist erst im Jänner 1992 beim Verwaltungsgerichtshof angefallen und zählt daher nicht zu den Anlaßfällen im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG. Die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens konnte daher nicht etwa schon deshalb als im Ergebnis zutreffend erkannt werden, weil die Rechtsgrundlage für eine Bestrafung der mP weggefallen wäre.
Nach Ansicht des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes war der belangten Behörde eine Berichtigung des Bescheidspruches auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist möglich, weil der mP kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt worden wäre, wenn an die Stelle des bloßen Hinweises auf das Fehlen "einer arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung" der Ausspruch getreten wäre, daß für E.Y. keine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei und dieser auch nicht über einen Befreiungsschein besessen habe.
Mit dieser Auffassung ist das Landesarbeitsamt im Recht.
Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Nach § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im VStG vorgeschriebene Weise zu prüfen, wobei eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Jänner 1987, Slg. 12375/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Diesen Voraussetzungen hat entgegen der Auffassung der belangten Behörde die im Beschwerdefall unbestritten innerhalb offener Verjährungsfrist vom MBA an die mP gerichtete Aufforderung zur Rechtfertigung entsprochen. Mit ihr wurde nämlich die Prüfung eines gegen eine bestimmte Person (die mP) wegen einer bestimmten Tat (Beschäftigung eines Ausländers ohne die erforderliche Bewilligung) bestehenden Verdachtes eingeleitet. Es lag an der mP, diesen Verdacht auf geeignete Weise zu entkräften, gegebenenfalls durch den Nachweis der angeblich fehlenden Bewilligung, aber etwa auch durch den Nachweis, daß es einer solchen Bewilligung gar nicht bedurft hätte, weil der Ausländer im Besitz eines Befreiungsscheines sei.
Da die einer Bestrafung nach dem AuslBG zugrunde liegenden Sachverhaltselemente somit bereits in der der mP innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist zugestellten Aufforderung zur Rechtfertigung enthalten waren, ist es durch die Nichtaufnahme der verba legalia des AuslBG in diese Aufforderung und in den Bescheid des MBA nicht zum Eintritt der Verjährung gekommen, die allein die von der belangten Behörde verfügte Einstellung des Verfahrens hätte rechtfertigen können. Die belangte Behörde war auch nicht daran gehindert, den erstinstanzlichen Bescheidspruch durch Aufnahme dieser verba legalia zu ergänzen.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme VerwaltungsstrafrechtBesondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des BerufungsbescheidesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992090011.X00Im RIS seit
23.04.1992Zuletzt aktualisiert am
14.04.2011