TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/23 91/09/0220

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Veröffentlicht am 23.04.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
67 Versorgungsrecht;

Norm

ASVG §175 Abs2;
HVG §1 Abs2 Z5 idF 1989/648;
HVG §2 Abs1;
HVG §55 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des NN in Kleinzell, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 16. November 1990, Zl. OB. 113-481.400-002, betreffend Leistungen nach dem Heeresversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahre 1969 geborene Beschwerdeführer leistete ab dem 2. Jänner 1989 seinen Grundwehrdienst. Am 4. Juni 1989 wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesheeres ab 13 h eine Dienstfreistellung nach Kleinzell bewilligt. Er verließ daher am Nachmittag dieses Tages seine militärische Unterkunft in der Custozza-Kaserne in Neulengbach und begab sich mit seinem Motorrad vorerst zu seiner Mutter in St.Pölten-Harland, von wo er seine weitere Heimfahrt nach Kleinzell antrat. Dabei erlitt er auf der Strecke zwischen Harland und Ochsenburg einen Verkehrsunfall, bei dem er schwer verletzt wurde.

Am 14. November 1989 stellt der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Heeresversorgungsgesetz (HVG), weil sich der Unfall seiner Auffassung auf einem nach dem HVG geschützten Weg ereignet hatte.

Diesen Antrag wies das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) mit Bescheid vom 3. April 1990 gemäß § 1 Abs. 2 Z. 5 HVG mit der Begründung ab, daß der Beschwerdeführer am Unfallstag nicht auf dem direkten Weg von der Kaserne zu seinem Wohnort Kleinzell gefahren sei, sondern noch seine Mutter in St. Pölten besucht habe. Der Unfall des Beschwerdeführers auf dem Weg zwischen St. Pölten und Kleinzell unterliege daher nicht dem Schutz des HVG.

In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, der Aufenthalt bei seiner Mutter habe dienstlichen Interessen gedient, weil diese regelmäßig seine für den militärischen Dienst benötigte Wäsche gewaschen habe. Auch sei, solange er den Präsenzdienst geleistet habe, seine gesamte Post an die Adresse seines Zweitwohnsitzes (Elternhaus in St. Pölten) gekommen. Der Heimweg über St. Pölten-Harland nach Kleinzell sei daher für den Beschwerdeführer der kürzeste und effizienteste gewesen; dieser Heimweg aus Neulengbach habe für den Beschwerdeführer immer die zweckmäßigste Fahrtroute dargestellt. Die kurze Unterbrechung habe den zeitlichen Zusammenhang nicht unterbrochen.

Dieser Berufung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 16. November 1990 keine Folge gegeben. Die belangte Behörde habe die Berufungsangelegenheit überprüft und festgestellt, daß die Entscheidung des LIA den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Nach dem vorliegenden Sachverhalt stehe eindeutig fest, daß sich der Beschwerdeführer im Unfallszeitpunkt keinesfalls auf dem direkten (geschützten) Weg gemäß § 1 Abs. 2 Z. 5 HVG befunden habe; der direkte Weg hätte nämlich von Neulengbach über Laaben, die Klammhöhe und Hainfeld nach Kleinzell geführt.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 1. Oktober 1991, B 1337/90-10, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In seiner im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, weil die von ihm gewählte Wegstrecke über die Westautobahn und die Mariazellerstraße die zeitlich kürzeste und bequemste Strecke und daher den direkten Weg darstelle, was auch durch den geringfügigen Umweg zu seinen Eltern in Harland nicht beeinträchtigt werden könne. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem HVG verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 55 Abs. 1 HVG werden u.a. die Beschädigtenrenten nach diesem Gesetz mit dem Monat fällig, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung erfüllt sind, sofern der Anspruch binnen sechs Monaten nach Eintritt des schädigenden Ereignisses geltend gemacht wird; wird der Anspruch erst später geltend gemacht, dann mit dem Antragsmonat. Mit Rücksicht auf das Unfallsdatum 4. Juni 1989 und die Antragstellung am 14. November 1989 ist für die Beurteilung des Anspruches des Beschwerdeführers somit die Rechtslage maßgebend, die im Unfallszeitpunkt gegeben war.

§ 1 HVG wurde zuletzt gemäß Art. II Z. 1 des Versorgungsrechts-Änderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 648/1989, neu gefaßt, wobei die nunmehrige Fassung gemäß Art. VIII dieses Gesetzes mit 1. Juli 1988 in Kraft getreten ist. Diese Fassung war demnach im Beschwerdefall anzuwenden.

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 5 HVG idF gemäß BGBl. Nr. 648/1989 im für den Beschwerdefall bedeutsamen Umfang ist auch eine Gesundheitsschädigung, die ein Wehrpflichtiger im Falle einer Dienstfreistellung auf dem Weg vom Ort der militärischen Dienstleistung zum Ort des bewilligten Aufenthaltes oder auf dem Rückweg erlitten hat, als Dienstbeschädigung zu entschädigen.

Nach § 2 Abs. 1 HVG ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist.

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob sich der Beschwerdeführer im Unfallszeitpunkt auf einem im Sinne der oben wiedergegebenen Vorschriften des HVG geschützten Weg befunden hat. Es war daher zu prüfen, ob sich der Unfall auf dem direkten Heimweg des Beschwerdeführers zum Ort des durch die Dienstfreistellung bewilligten Aufenthaltes (Kleinzell) oder aber auf einem für die Beurteilung nach dem HVG maßgeblichen "Umweg" ereignet hat (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1991, Zl. 90/09/0018).

Die belangte Behörde hat diese Frage mit der Begründung verneint, daß der direkte Heimweg von Neulengbach nach Kleinzell über Laaben und Hainfeld geführt, eine Fahrt nach St. Pölten daher einen für den Versorgungsanspruch des Beschwerdeführers maßgeblichen Umweg dargestellt hätte. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird schon durch einen Blick auf eine Straßenkarte des betreffenden Gebietes bestätigt. Demnach beträgt die Entfernung zwischen Neulengbach und Kleinzell auf dem von der belangten Behörde genannten Weg 42 km, auf dem vom Beschwerdeführer gewählten Weg über die Autobahn nach St. Pölten und von dort über Wilhelmsburg (ohne die Abzweigung nach Harland) hingegen 56 km. Bei einer um ein volles Drittel längeren Wegstrecke kann aber von einem für die hier zu lösende Frage unmaßgeblichen Umweg nicht mehr die Rede sein.

Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, daß die längere Wegstrecke durch die Ausnützung besser ausgebauter Straßen verursacht worden sei. Es ist ihm zuzugestehen, daß gegebenenfalls aus diesem Grund eine geringfügig längere Wegstrecke als die geographisch direkte Verbindung in Kauf genommen werden kann. Im Beschwerdefall indes hätte der Beschwerdeführer bei der Wahl des direkten Weges ab Erreichen der Autobahn bei der Auffahrt Altlengbach bis nach Kleinzell nur mehr 36 km zurückzulegen gehabt, denen unter Zugrundelegung des vom Beschwerdeführer tatsächlich gewählten Weges 18 km auf der Autobahn und sodann weitere 32 km ab der Autobahnabfahrt St. Pölten-Süd gegenüberzustellen sind.

Zum Argument des Beschwerdeführers, es sei eine "Analogie" zu der Bestimmung des § 175 Abs. 2 ASVG zu ziehen, ist darauf zu verweisen, daß der Versorgungsanspruch nach dem HVG ausschließlich nach den vom ASVG abweichenden Bestimmungen des HVG zu prüfen ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 89/09/0003).

Zu diesen Erwägungen kommt noch, daß der Beschwerdeführer selbst dann, wenn man seinen Weg über St. Pölten im Sinne des § 1 Abs. 2 Z. 5 HVG anerkennen wollte, aus eigenwirtschaftlichen Gründen (Besuch seines Elternhauses in Harland) auch von diesem Weg abgewichen ist, und daß sich sein Unfall noch auf diesem "Abweg", nämlich vor Erreichen der direkten Verbindung zwischen St. Pölten und Wilhelmsburg auf einer Nebenstraße ereignet hat. Wege im eigenen Interesse (und dazu zählt auch das Waschen der Wäsche und die Abholung der Post) unterbrechen den Versicherungsschutz, der gegebenenfalls erst dann wieder wirksam wird, wenn nach einem verhältnismäßig kurzen Umweg der direkte Weg wieder erreicht wird (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1991, Zl. 89/09/0154).

Da sich der angefochtene Bescheid somit als frei von der vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtswidrigkeit erweist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991090220.X00

Im RIS seit

23.04.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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