TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/27 90/19/0328

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Veröffentlicht am 27.04.1992
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Index

L92056 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
SHG Stmk 1977 §4 Abs1;
SHG Stmk 1977 §42 Abs1;
SHG Stmk 1977 §42;
SHG Stmk 1977 §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der Steiermärkischen Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. Mai 1990, Zl. 9-18 Gu 18-1990/3, betreffend Rückersatz für Krankenhilfeleistungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung (der belangten Behörde) vom 31. Mai 1990 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Ersatz der Kosten für Krankenhilfeleistungen im Betrag von

S 13.761,--, betreffend die stationäre Behandlung der E im Landeskrankenhaus Graz in der Zeit vom 19. bis 24. April 1989, nur insofern stattgegeben, als der Ersatz von S 846,-- zuerkennt wurde; das Mehrbegehren wurde hingegen abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, E sei zur Zeit der Hilfeleistung durch die Beschwerdeführerin nicht völlig hilfsbedürftig gewesen. Sie sei nämlich am 17. Mai 1988, 19. Jänner 1989, 25. Jänner 1989 und 17. März 1989 wegen Ausübung der Geheimprostitution angezeigt und in der Folge auch bestraft worden. Es sei demnach davon auszugehen, daß sie im Jahre 1989 der Prostitution nachgegangen sei. Das Mindesteinkommen Prostituierter betrage nach Auskunft der Bundespolizeidirektion Graz monatlich etwa S 20.000,--. Es sei unbedenklich, von diesem Einkommen auszugehen. Für April 1989 verringere sich das Einkommen auf Grund des Spitalsaufenthaltes um 1/6 auf S 16.665,--. Davon sei der Richtsatz für einen Hauptunterstützten nach dem Steiermärkischen Sozialhilfegesetz (SHG) in der Höhe von S 3.750,-- abzuziehen, sodaß ihr im April 1989 ein Restbetrag von S 12.915,-- verblieben sei, den sie für die Krankenhilfeleistungen der Beschwerdeführerin habe bezahlen können. Nur der darüber hinausgehende Betrag von

S 846,-- sei der Beschwerdeführerin vom Sozialhilfeträger zu ersetzen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

II.

1. Gemäß § 4 Abs. 1 SHG hat auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der Bestimmungen des zweiten Abschnittes einen Rechtsanspruch, wer den Lebensbedarf (§ 7) für sich und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. ist Hilfe nur soweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfeempfängers nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 7) zu sichern.

Gemäß § 7 Abs. 1 leg. cit. gehört zum Lebensbedarf unter anderem die Krankenhilfe (§ 10).

Gemäß § 42 Abs. 1 leg. cit. hat der Sozialhilfeträger demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:

a)

eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;

b)

die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;

              c)              der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.

Gemäß § 42 Abs. 3 leg. cit. hat der Sozialhilfeträger dem Dritten nicht mehr zu ersetzen, als er selbst nach diesem Gesetz aufzuwenden gehabt hätte.

2.1. Entscheidend für die Berechtigung des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rückersatzanspruches ist, ob E zur Zeit der Hilfeleistung hilfsbedürftig im Sinne des § 4 Abs. 1 SHG war. Die belangte Behörde hat dies nur in Ansehung eines Betrages von S 846,-- bejaht, das über diesen Betrag hinausgehende Ersatzbegehren jedoch abgewiesen. Sie hat ihrer oben wiedergegebenen Berechnung die Feststellung zugrunde gelegt, daß E monatlich als Prostituierte mindestens S 20.000,-- verdient habe. Diese Feststellung hat sie auf einen Bericht der Bundespolizeidirektion Graz vom 22. Mai 1989 gestützt, wonach E am 17. Mai 1988, 19. Jänner 1989, 25. Jänner 1989 und 17. März 1989 wegen Geheimprostitution angezeigt worden sei. Die Bundespolizeidirektion Graz habe zudem anläßlich mehrerer Berufungsfälle mitgeteilt, daß das Mindesteinkommen bei Prostituierten monatlich ca. S 20.000,-- betrage.

2.2. Die Beschwerdeführerin rügt in diesem Zusammenhang mit Recht, daß die Feststellung der belangten Behörde über das Einkommen der E auf einem mangelhaften Ermittlungsverfahren beruht. Die belangte Behörde hat sich nämlich mit den genannten Mitteilungen der Bundespolizeidirektion Graz begnügt, die keinen unmittelbaren Beweis für das Einkommen der E liefern, und es verabsäumt, E, allenfalls auch ihren damaligen Lebensgefährten, als Zeugen über das von ihr in den ersten Monaten des Jahres 1989 erzielte Einkommen zu befragen. Wenn die belangte Behörde in der Gegenschrift ausführt, daß eine Zeugenaussage der Prostituierten im Regelfall wenig ergiebig sei, weil die Behörde die Aussage der Prostituierten nicht verifizieren könne, vermag sie damit nicht die Untauglichkeit dieses Beweismittels darzutun (vgl. zur abstrakten Tauglichkeit des Zeugenbeweises für die Ermittlung des Einkommens einer Prostituierten das hg. Erkenntnis vom 19. November 1990, Zl. 90/19/0007). Ob der Zeugenaussage Glauben geschenkt werden kann oder nicht, kann die Behörde, will sie nicht eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung vornehmen, erst nach Ablegung der Zeugenaussage beurteilen.

Die belangte Behörde hat sohin Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil die vorliegende Beschwerde nur zweifach einzubringen war.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie Beweiswürdigung Vorweggenommene antizipative Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990190328.X00

Im RIS seit

13.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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