TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/27 92/18/0105

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Veröffentlicht am 27.04.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §8;
ASchG 1972 §3 Abs2;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der M-AG in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30. Jänner 1992, Zl. 61.026/9-3/92, betreffend Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 25. Juni 1991 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes für einen in einer näher bezeichneten Filiale befindlichen Raum, in dem eine Feinkostküche untergebracht ist, abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß es sich um einen völlig unbelichteten Raum handle, der durch Zusammenlegung eines ehemaligen Spraydosenlagers mit einem ehemaligen Papierlager entstanden sei, welche Räume nicht natürlich belichtet gewesen seien. Bereits das Papierlager sei offensichtlich entgegen den Erfordernissen des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz als Arbeitsraum verwendet worden. Wenn ein bereits in gesetzwidriger Weise als Arbeitsraum verwendeter Raum mit einem anderen unbelichteten Raum zusammengelegt werde, sodaß ein neuer unbelichteter Raum entstehe, der nunmehr anstelle eines natürlich belichteten Arbeitsraumes als Feinkostküche genutzt werden solle, so liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz nicht vor. Ein solcher sei dann gegeben, wenn dringend benötigte zusätzliche Arbeitsräume nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden könnten und dem Arbeitgeber keine andere Möglichkeit (etwa bauliche oder organisatorische Maßnahmen) offenstehe. Die Feststellung der erstinstanzlichen Behörde, daß es technisch leicht möglich sei, eine Feinkostküche samt Verkaufspult an einer Außenwand des Betriebes anzuordnen und die notwendigen Fenster einzubauen, sei von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden. Die belangte Behörde habe daher davon auszugehen, daß dem Arbeitgeber sehr wohl andere bauliche Maßnahmen zur Verfügung stünden und somit kein wichtiger Grund für eine Ausnahme vorliege. Die von der Beschwerdeführerin angeführten Argumente, eine direkte Verbindung der Feinkostküche zur Feinkostinsel sei aufgrund des Arbeitsablaufes aus arbeitsökonomischen Gründen notwendig und es bestehe "eine zwingende Anordnung eines bestimmten Ablaufes der Präsentation" (verkaufsorientierte Anordnung), könnten ebensowenig einen wichtigen Grund für eine Ausnahme von einer zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschrift bilden wie ein geändertes Nachfrageverhalten der Kunden und die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit gegenüber Mitbewerbern. Wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers könnten nicht gegenüber gesetzlichen Vorschriften, deren Zweck der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Arbeitnehmern sei, abgewogen werden. Die Ausnahme nach § 3 Abs. 2 erster Satz Arbeitnehmerschutzgesetz ("soweit es nach Art der Arbeitsvorgänge ... möglich ist") stelle auf jene Arbeitsabläufe ab, bei denen Tageslicht aus technologischen Gründen ausgeschlossen sei, wie etwa bei der Erzeugung von Fotopapier. Kaufmännische Grundsätze hinsichtlich der Gestaltung von Arbeitsvorgängen fielen daher auch nicht unter diese Bestimmung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 3 Abs. 2 des Arbeitnehmerschutzgesetzes müssen Arbeitsräume, soweit es die Art der Arbeitsvorgänge zuläßt oder nach der Zweckbestimmung der Räume möglich ist, natürlich belichtet sein. Diese Belichtung muß nach Maßgabe der in den Arbeitsräumen ausgeführten Tätigkeiten ausreichend und möglichst gleichmäßig sein; kann dies aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie infolge der Anordnung der Arbeitsräume, nicht erreicht werden, müssen diese Räume zusätzlich künstlich beleuchtet werden. Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen sonstiger wichtiger Gründe Ausnahmen von den Bestimmungen des ersten Satzes zulassen. Wichtige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn dringend benötigte zusätzliche Arbeitsräume nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden können.

§ 8 AAV lautet:

"(1) Arbeitsräume müssen, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes muß vorhanden sein. Arbeitsräume müssen möglichst gleichmäßig natürlich belichtet sein. Lichteintrittsflächen müssen so beschaffen oder mit Einrichtungen ausgestattet sein, daß nachteilige Einwirkungen durch direktes Sonnenlicht auf die Arbeitnehmer vermieden sind.

(2) Wenn aus zwingenden, vor allem in den örtlichen Verhältnissen gelegenen Gründen, wie bei Gebäuden in dicht verbauten Ortskernen, eine ausreichende und möglichst gleichmäßige natürliche Belichtung der Arbeitsräume nicht erreicht werden kann, müssen die Arbeitsräume zusätzlich durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß.

(3) Das Arbeitsinspektorat kann bei Vorliegen wichtiger Gründe, wie bei dringend benötigten zusätzlichen Arbeitsräumen, über Antrag zulassen, daß Räume als Arbeitsräume verwendet werden, die nicht natürlich belichtet sind. In diesen Fällen müssen die Arbeitsräume durch eine künstliche Beleuchtung erhellt sein, die den Erfordernissen des § 9 entsprechen muß; sofern dies technisch durchführbar ist, muß auch eine Sichtverbindung mit dem Freien vorhanden sein."

Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, daß das Erfordernis einer natürlichen Belichtung der Arbeitsräume nach dem ersten Satz des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutz nur besteht, "soweit es die Art der Arbeitsvorgänge zuläßt oder nach der Zweckbestimmung der Räume möglich ist". Dieser Tatbestand liegt allerdings nur dann vor, wenn die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung der Räume an sich einer natürlichen Belichtung entgegensteht, also bei solchen Arbeitsvorgängen, bei denen Tageslicht aus technologischen Gründen ausgeschlossen ist, wie bei der Erzeugung von fotographischen Filmen oder von Fotopapier, sowie bei Räumen, die nach ihrer Zweckbestimmung keine Belichtung erhalten können, wie bei Tiefgaragen (vgl. Felix-Merkl, Arbeitnehmerschutzgesetz 48). Da diese Voraussetzungen auf eine Feinkostküche und die dort stattfindenden Arbeitsvorgänge nicht zutreffen, ist für die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf die genannte Bestimmung nichts gewonnen. Im übrigen würde es, wäre der erwähnte Tatbestand erfüllt, der beantragten Ausnahmebewilligung nicht bedürfen.

Unbestritten ist, daß der beschwerdegegenständliche Raum keine natürliche Belichtung aufweist. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung setzt somit das Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne des § 3 Abs. 2 dritter und vierter Satz Arbeitnehmerschutzgesetz in Verbindung mit § 8 Abs. 3 erster Satz AAV voraus. Wenn die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf Felix-Merkl, a.a.O. 50, meint, daß ein wichtiger Grund insbesondere dann vorliege, wenn es sich um Räume im Zusammenhang mit einer bestehenden Betriebsstätte handle, welche Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt sei, so übersieht sie die weiteren, im vierten Satz des § 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz für den dort angeführten Fall normierten Tatbestandsmerkmale, nämlich daß zusätzliche Arbeitsräume "dringend benötigt" werden müssen UND "nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden können".

Der belangten Behörde kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie das Vorliegen wichtiger Gründe im Beschwerdefall mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, eine Feinkostküche samt Verkaufspult an einer Außenwand des Betriebes anzuordnen und die notwendigen Fenster einzubauen, verneint hat. Wenn die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften auf ihr von der belangten Behörde - dem Beschwerdevorbringen zufolge - nicht berücksichtigtes Vorbringen in der Berufung hinweist, "wonach eine Anordnung der Feinkostküche an einer anderen Stelle, insbesondere wegen der Anordnung der bestehenden Räume und der Tiefen der gesamten Verkaufshalle, nicht möglich war", vermag sie damit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Dieses Vorbringen entbehrt nämlich der schlüssigen Begründung, warum eine Änderung der bestehenden Raumanordnung im Sinne der von der belangten Behörde aufgezeigten Möglichkeit ausgeschlossen ist und wieso die "Tiefen der gesamten Verkaufshalle" einer solchen Möglichkeit entgegenstehen. Auch die Ausführungen an anderer Stelle der Beschwerde, es sei zum einen zwingend erforderlich, daß sich die Feinkostküche in unmittelbarer Nähe zum Bedienungsbereich befinde, zum anderen bestehe nach der Zweckbestimmung der Räume (verkaufsorientierte Anordnung der Produkte) keine Möglichkeit, die Feinkostküche an einer Außenwand des Betriebes anzuordnen und damit eine natürliche Belichtung zu ermöglichen, sind nicht hinreichend konkretisiert, um nachvollziehbar die Annahme zu begründen, daß die Feinkostküche nur durch eine Ausnahmeregelung gewonnen werden könne. In diesem Zusammenhang sei auf das hg. Erkenntnis vom 9. März 1992, Zl. 91/19/0338, verwiesen, wonach dem Verwaltungsgerichtshof ein allgemeiner Erfahrungssatz, daß in jedem Verkaufsmarkt eine "gleichartige Abfolge der Produktpräsentation" unbedingt notwendig sei, nicht geläufig ist.

Da der Inhalt der Beschwerde schon aus diesem Grunde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180105.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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