TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/27 92/18/0090

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Veröffentlicht am 27.04.1992
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z1;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
StGB §83 Abs1;
StGB §88 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 4. Dezember 1991, Zl. Frb-4250/91, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Dezember 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 4 des Fremdenpolizeigesetzes (im folgenden kurz: FPG) ein bis zum 31. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei jeweils mit folgenden gerichtlichen Urteilen rechtskräftig bestraft worden:

1)

am 3. Mai 1979, gemäß § 88 Abs. 1 und 4 StGB zu 36 Tagessätzen a S 100,--,

2)

am 31. Mai 1979, gemäß § 88 Abs. 1 und 4 StGB zu 40 Tagessätzen a S 90,--,

3)

am 29. Februar 1980, gemäß §§ 15, 127 Abs. 1 StGB zu 20 Tagessätzen a S 80,--,

4)

am 1. März 1988, gemäß §§ 125, 88 Abs. 1 und 83 Abs. 1 StGB zu 100 Tagessätzen a S 100,-- und

5)

am 25. September 1989, gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu 90 Tagessätzen a S 200,--.

Der Beschwerdeführer sei somit mehrmals wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen veruteilt worden. Sowohl die Verurteilungen wegen fahrlässiger Körperverletzung als auch die gemäß § 83 Abs. 1 StGB seien hiebei zu berücksichtigen, da die strafbaren Handlungen gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet gewesen seien.

Der Beschwerdeführer habe sich weiters neun (näher zitierte) wenn auch nicht schwerwiegende Verwaltungsübertretungen zuschulden kommen lassen, die bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens mitzuberücksichtigen und negativ zu werten gewesen seien. Aufgrund der gerichtlichen Verurteilungen und verwaltungsrechtlichen Bestrafungen bzw. der daraus ersichtlichen Sinnesart des Beschwerdeführers stelle sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Inbesondere die Neigung, Konflikte mittels Körpergewalt lösen zu wollen, rechtfertigten diese Annahme. Eine positive Verhaltensprognose erscheine aufgrund der Vielzahl der Rechtsbrüche nicht realistisch.

Der Beschwerdeführer halte sich seit mehr als fünfzehn Jahren in Österreich auf. Seit 1985 sei er im Besitze einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung. Seit zwölf Jahren arbeite er in demselben Unternehmen. Seine Gattin sowie seine Kinder hätten sich bis zum Jahre 1985 in Österreich aufgehalten. Die Gattin beabsichtige, wieder nach Österreich zurückzukehren, sobald die Kinder selbsterhaltungsfähig seien. Es sei somit davon auszugehen, daß sich der Beschwerdeführer ohne nahe Angehörige im Bundesgebiet aufhalte. Im Verwaltungsverfahren habe er ein Dienstzeugnis sowie eine Krankengeschichte seiner Ehegattin vorgelegt. Diese sei nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers an Gebärmutterkrebs erkrankt und benötige derzeit ständig ärztliche Behandlung; im Falle einer Abschiebung würde der Beschwerdeführer seiner Ansicht nach nicht mehr in der Lage sein, die ärztlichen Behandlungen zu bezahlen, was für seine Gattin schwerwiegende Konsequenzen habe.

Im Falle der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes könne - so die belangte Behörde weiter - aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in seinem Heimatland eine Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens des Beschwerdeführers und somit eine Beeinträchtigung seines persönlichen Fortkommens sowie seiner Familienangehörigen nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der langen Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sei davon auszugehen, daß er in einem beträchtlichen Grade integriert sei. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, daß er während seines Aufenthaltes immer wieder Rechtsverletzungen begangen habe, dies über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Dieser Sachverhalt spreche gegen eine günstige Zukunftsprognose. Es möge zwar in Hinkunft zu keinen tätlichen Auseinandersetzungen mehr mit der früheren Lebensgefährtin des Beschwerdeführers kommen, da die Lebensgemeinschaft in der Zwischenzeit aufgelöst worden sei. Eine allgemeine positive Verhaltensprognose könne daraus jedoch nicht geschlossen werden, zumal lediglich das Urteil vom 25. September 1989 mit dieser Beziehung in Zusammenhang stehe. Die vom Beschwerdeführer drastisch dargestellten Auswirkungen einer Abschiebung auf die ärztliche Versorgung seiner Gattin vermöge die Behörde nicht zu erkennen, da auch in Jugoslawien ein gut funktionierendes Sozialsystem bestehe. Hingegen seien vom Beschwerdeführer keine Zahlungsnachweise vorgelegt worden, die seine Behauptung bestätigen würden. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erschienen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer zu wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 sowie des Abs. 3 FPG lauten:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Der Beschwerdeführer tritt der Ansicht der belangten Behörde, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 FPG sehen im Wege der Z. 1 des Abs. 2 dieses Paragraphen erfüllt, nicht entgegen. Auch der Verwaltungsgerichtshof vermag dies nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Das Beschwerdevorbringen läßt sich vielmehr dahin zusammenfassen, daß der Beschwerdeführer die von der belangten Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG vorgenommene Interessenabwägung als rechtswidrig erachtet. Allerdings vermag der Beschwerdeführer dieser Interessenabwägung nichts Entscheidendes entgegenzusetzen: Soweit der Beschwerdeführer darauf verweist, die belangte Behörde hätte es unterlassen, ihm Gelegenheit zu geben, Belege über die ihm aus der Krankheit seiner Gattin erwachsenden finanziellen Belastungen vorzulegen, so vermag er damit schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil er es auch in der Beschwerde unterläßt, Näheres über das Ausmaß dieser behaupteten künftigen finanziellen Belastungen darzutun. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die weitere Behauptung des Beschwerdeführers, ärztliche Leistungen seien in seinem Heimatland ohne sofortige Barzahlung nicht zu erhalten, zutrifft. In diesem Zusammenhang ist zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe auf Grund der bürgerkriegsähnlichen Zustände in seinem Heimatland derzeit keine Aussicht, dort einen Arbeitsplatz zu erhalten, darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde im Grunde des § 3 Abs. 3 FPG den Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung desselben für die maßgebenden öffentlichen Interessen entgegenzuhalten hatte. Im Hinblick auf die Häufung der vom Beschwerdeführer in Österreich gesetzten Delikte und der darin zum Ausdruck kommenden Neigung, andere in ihrer körperlichen Sicherheit zu gefährden, vermag der Verwaltungsgerichtshof die Annahme der belangten Behörde, daß trotz der nicht als unerheblich einzuschätzenden persönlichen, familiären und beruflichen Interessen des Beschwerdeführers die für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen ungleich schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Nur am Rande sei vermerkt, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage mit einem weiteren gerichtlichen Urteil vom 17. Juni 1991 (rechtskräftig) wegen Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB bestraft wurde.

Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180090.X00

Im RIS seit

27.04.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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