Index
L65000 Jagd Wild;Norm
AVG §60;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. Mai 1990, Zl. Va-207-5/1988, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Vorarlberger Jagdgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 88/03/0196, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der im Instanzenzug ergangene Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 8. September 1988 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Mit diesem Bescheid war der Beschwerdeführer schuldig erkannt worden, am 2. Dezember 1987 um 18.52 Uhr an einem näher beschriebenen Ort
1. die Jagd auf Schalenwild zur Nachtzeit - bei Mondschein - ausgeübt zu haben, indem er versucht habe, einen Hirsch zu schießen, 2. Schalenwild in der Zeit der Wildfütterung in der Nähe der Futterstelle beschossen zu haben, indem er versucht habe, einen Hirsch, der sich unmittelbar an einer Futterstelle befunden habe, zu schießen, und dadurch zu 1. eine Übertretung nach § 4 Abs. 1 Z. 3 erster Satz in Verbindung mit § 100 Abs. 1 des (Vorarlberger) Jagdgesetzes (1948) und in Verbindung mit § 8 VStG 1950 und zu 2. eine Übertretung nach § 4 Abs. 1 Z. 3 zweiter Satz in Verbindung mit § 100 Abs. 1 des Jagdgesetzes und in Verbindung mit § 8 VStG 1950 begangen zu haben.
Die Aufhebung dieses Bescheides erfolgte ausschließlich deshalb, weil im Spruchteil nach § 44a lit. a VStG 1950 unter Konkretisierung des Verhaltens ohne Feststellung vorsätzlichen Handelns dem Beschwerdeführer die Vollendung der betreffenden Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt wurde, im Spruchteil nach § 44a lit. b VStG 1950 jedoch die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift mit der Anführung des den Versuch betreffenden § 8 VStG 1950 verbunden wurde. Im übrigen wurden in den Entscheidungsgründen des genannten Erkenntnisses alle weiteren vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beschwerdegründe als unberechtigt erkannt.
2. Mit (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde vom 10. Mai 1990 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 15. Juli 1988 neuerlich keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß im Spruchteil nach § 44a lit. b VStG 1950 im Punkt 1 und 2 die Worte "in Verbindung mit § 8 VStG 1950" zu entfallen haben. Begründend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf die im Bescheid vom 8. September 1988 dargelegten Verfahrensergebnisse und das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. September 1990 aus, der Beschwerdeführer habe durch das im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses näher konkretisierte Verhalten die Jagd auf Schalenwild zur Nachtzeit ausgeübt und Schalenwild in der Zeit der Wildfütterung in der Nähe der Futterstelle beschossen. Er habe damit Verwaltungsübertretungen nach dem ersten und zweiten Satz des § 4 Abs. 1 Z. 3 Jagdgesetz verwirklicht, obwohl der "in Richtung auf Schalenwild" abgegebene Schuß sein Ziel verfehlt habe.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II.
1. Sowohl zur Zeit der Tat (2. Dezember 1987) als auch zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz galt das (Vorarlberger) Jagdgesetz von 1948, weshalb im vorliegenden Beschwerdefall auf Grund der Bestimmungen des § 1 Abs. 2 VStG auf das am 1. Oktober 1988 in Kraft getretene Jagdgesetz, Vorarlberger LGBl. Nr. 32/1988, nicht Bedacht zu nehmen ist.
2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dadurch daß die belangte Behörde im Spruch bei der gemäß § 44a lit. b (nunmehr § 44a Z. 2) VStG erfolgten Bezeichnung der Verwaltungsvorschriften, die durch die Tat verletzt worden sind, die Anführung des § 8 VStG eliminiert habe, habe sie den Sachverhalt einem anderen Tatbestand unterstellt. Dazu hätte sie dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewähren müssen.
Diese Verfahrensrüge ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Beschwerde nicht erkennen läßt, welches Vorbringen der Beschwerdeführer im Falle der Gewährung des Parteiengehöres erstattet hätte und inwieweit die belangte Behörde auf Grund eines vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringens zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
3. Soweit der Beschwerdeführer in der Vorgangsweise der belangten Behörde eine Verletzung des im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Verbotes der reformatio in peius erblickt, ist ihm zu erwidern, daß ein diesbezüglicher Verstoß nur dann vorläge, wenn die belangte Behörde eine höhere Strafe verhängt hätte als die erstinstanzliche Behörde. Die von der belangten Behörde vorgenommene Richtigstellung der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschriften verstößt nicht gegen das genannte Verbot (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, E Nr. 8 und 9c zu § 51 Abs. 6 VStG), zumal die im Spruch als erwiesen angenommene Tat keine Veränderung erfahren hat (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., unter E Nr. 22 zu § 51 Abs. 6 VStG zitierte Rechtsprechung) oder gar ausgetauscht wurde (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O., unter E Nr. 2 und 3 zu § 51 Abs. 6 VStG zitierte Rechtsprechung).
4. Der Beschwerdeführer behauptet, er habe die mit Bescheid vom 8. September 1988 verhängte Geldstrafe von S 2.400,-- (bei diesem Betrag handelt es sich in Wahrheit um die Geldstrafe zuzüglich des Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens) bezahlt, sodaß die Geldstrafe nicht mehr Verfahrensgegenstand und der neuerliche Strafausspruch daher rechtswidrig sei.
Bei diesen Ausführungen hat der Beschwerdeführer übersehen, daß der Bescheid vom 8. September 1988 mit dem hg. Erkenntnis vom 20. September 1989 (zur Gänze) aufgehoben wurde, sodaß die belangte Behörde im Rahmen des Ersatzbescheides neuerlich über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis abzusprechen und demnach auch neuerlich die Strafe zu verhängen (und dem Beschwerdeführer den Kostenbeitrag aufzuerlegen) hatte. Wenn der Beschwerdeführer die Geldstrafe und den Kostenbeitrag tatsächlich bereits bezahlt hat, so hat dies lediglich zur Folge, daß kein Grund zur Vollstreckung der Geldstrafe und des Kostenbeitrages gemäß § 54b Abs. 1 und § 64 Abs. 5 VStG besteht.
5. Der Beschwerdeführer erblickt einen Widerspruch im Spruch des angefochtenen Bescheides, weil einerseits im Spruchteil gemäß § 44a lit. b VStG 1950 die Vollendung der Übertretungen angenommen werde, andererseits im Spruchteil gemäß § 44a lit. a VStG 1950 weiterhin davon die Rede sei, er habe versucht, einen Hirsch zur Nachtzeit bzw. in der Nähe einer Futterstelle zu schießen.
Hinsichtlich dieses vermeintlichen Widerspruches genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen im oben zitierten hg. Erkenntnis vom 20. September 1989 (Seite 6 und 7 der Erkenntnisausfertigung) hinzuweisen. Demnach verlangt weder die "Jagd auf Schalenwild" noch das "Beschießen von Schalenwild", daß der Schütze erfolgreich ist. Das vollendete Delikt nach den Verbotsnormen des ersten und zweiten Satzes des § 4 Abs. 1 Z. 3 des Jagdgesetzes kann vielmehr auch durch einen auf Schalenwild abgegebenen Schuß, der sein Ziel verfehlt, verwirklicht werden.
6. Der Beschwerdeführer versucht - wie bereits seinerzeit in der zur Zl. 88/03/0196 erhobenen Beschwerde - darzutun, daß er nicht auf Schalenwild geschossen habe, sondern daß sich beim Betrachten des Wildes durch das Zielfernrohr unwillkürlich ein Schuß gelöst habe. Da der Beschwerdeführer in der vorliegenden Beschwerde keine neuen Argumente ins Treffen führt, genügt es, auf die Ausführungen im Erkenntnis vom 20. September 1989 zu verweisen, wonach die von der belangten Behörde getroffene Sachverhaltsfeststellung, der Beschwerdeführer habe versucht, einen Hirsch zu schießen, nicht als unschlüssig erkannt werden kann (Seite 7 und 8 der Erkenntnisausfertigung).
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers stellt es keinen Begründungsmangel dar, wenn die belangte Behörde ihre im Bescheid vom 8. September 1988 getroffenen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid nicht im einzelnen wiederholt, sondern auf die im Bescheid vom 8. September 1988 dargelegten Verfahrensergebnisse und die Ausführungen im Erkenntnis vom 20. September 1989 verwiesen hat, zumal auch der Beschwerdeführer keine neuen Beweismittel vorgelegt hat, die zu einer Änderung der Sachverhaltsannahme führen oder ergänzende Ermittlungen notwendig machen könnten (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 737 f zitierte hg. Rechtsprechung). Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides konnte der Beschwerdeführer keinem Zweifel unterliegen, welchen Sachverhalt die belangte Behörde als erwiesen angenommen und ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat.
7. Der Beschwerdeführer meint - wie bereits in der zur Zl. 88/03/0196 erhobenen Beschwerde - "in Analogie zu zivilrechtlichen Gesetzesbestimmungen" - welche Gesetzesstellen damit gemeint sind, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen - sei der Beginn der Nachtzeit "wohl frühestens um 22.00 Uhr anzunehmen".
Da sich der Verwaltungsgerichtshof mit dieser Frage bereits in seinem Erkenntnis vom 20. September 1989 (Seite 9 der Erkenntnisausfertigung) befaßt hat und zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde angenommen habe, die Tat sei zur Nachtzeit begangen worden, genügt es auch in diesem Punkt, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das zitierte Erkenntnis zu verweisen.
8. Wie bereits eingangs dargelegt wurde, sind die Bestimmungen des am 1. Oktober 1988 in Kraft getretenen Jagdgesetzes im Beschwerdefall nicht anzuwenden. Aus der Tatsache, daß Verbote im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 3 Jagdgesetz (1948) im neuen Jagdgesetz nicht enthalten sind, sondern gemäß § 27 Abs. 2 dieses Gesetzes die Landesregierung durch Verordnung Gebote und Verbote für das Jagen zu erlassen hat, ist demnach für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.
Der Beschwerdeführer meint, es hätte im Hinblick auf den im § 4 Abs. 1 Z. 3 zweiter Satz Jagdgesetz (1948) enthaltenen unbestimmten Gesetzesbegriff "in der Nähe der Futterstelle" genau festgestellt werden müssen, wie weit von der Futterstelle entfernt er sich befunden habe. Dem Beschwerdeführer ist diesbezüglich zu erwidern, daß es nach der genannten Gesetzesstelle sowohl im Hinblick auf den sprachlichen Zusammenhang als auch im Hinblick auf den Zweck der Regelung darauf ankommt, daß das Schalenwild, auf das geschossen wird, sich in der Nähe der Futterstelle befindet, nicht aber auf die Nähe des Schützen zur Futterstelle. Es genügte daher die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, daß sich der Hirsch, auf den der Schuß abgegeben wurde, unmittelbar an der Futterstelle befunden habe.
9. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Anwendungsbereich des AVG §66 Abs4 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Spruch der Berufungsbehörde Änderungen des Spruches der ersten Instanz Strafnorm Berufungsbescheid Umfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peius Verbot der reformatio in peius Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der Tat Vorschriften über die Jagdbetriebsführung jagdliche Verbote Übertretungen und Strafen StrafnormenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990190324.X00Im RIS seit
23.01.2002