Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
MeldeG 1972 §16 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des C in der Türkei, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 13. August 1990, Zl. St 59-1/90, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Paßgesetzes und des Meldegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 13. August 1990 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, wegen drei Verwaltungsübertretungen bestraft, und zwar 1. wegen der Übertretung nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Paßgesetz 1969 mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage), weil er am 28. Juli 1989 an einem nicht näher bekannten österreichisch-jugoslawischen Grenzübergang in einem Reisebus zum Zwecke der Arbeitsaufnahme ohne gültigen österreichischen Sichtvermerk nach Österreich eingereist sei, 2. wegen der Übertretung nach § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Paßgesetz 1969 mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage), weil er sich vom 28. Juli 1989 bis zu seiner Festnahme am 2. August 1989 im österreichischen Bundesgebiet aufgehalten habe, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes gewesen zu sein, und 3. wegen der Übertretung nach § 16 Z. 1 in Verbindung mit den §§ 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Meldegesetz 1972 mit einer Geldstrafe von
S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag), weil er am 28. Juli 1989 in einer näher bezeichneten Wohnung in I Unterkunft genommen und sich nicht binnen drei Tagen bei der Meldebehörde (Bundespolizeidirektion I) angemeldet habe.
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, das zur Zeit der Einreise des Beschwerdeführers in Geltung gestandene Abkommen zwischen Österreich und der Türkei über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 194/1955, bestimme zwar, daß türkische Staatsbürger für die Dauer von drei Monaten ohne Sichtvermerk nach Österreich einreisen dürften, aber nicht zum Zwecke der Arbeitsaufnahme. Der Aufenthalt türkischer Staatsangehöriger in Österreich ohne gültiges Reisedokument sei durch dieses Abkommen nicht erlaubt worden. Dies entspreche auch nicht internationalen Gepflogenheiten. Auf Grund der vorliegenden Ermittlungsergebnisse sei die Feststellung gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer zum Zwecke der Arbeitsaufnahme nach Österreich eingereist sei. Die gegenteilige Behauptung des Beschwerdeführers sei als Schutzverantwortung zu werten. Da der Beschwerdeführer für die Einreise zum Zwecke der Arbeitsaufnahme eines österreichischen Sichtvermerkes bedurft hätte, sei er wegen der Übertretung nach § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Paßgesetz 1969 zu bestrafen gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich in Österreich aufgehalten, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokumentes gewesen zu sein. Aus diesem Grunde sei die Bestrafung wegen der Übertretung nach § 22 Abs. 1 in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Paßgesetz 1969 erfolgt. Seine Verantwortung, er habe den Reisepaß verloren, sei unglaubwürdig. Der Schuldspruch wegen der Übertretung des Meldegesetzes sei gerechtfertigt, weil selbst nach der Darstellung des Beschwerdeführers die Frist von drei Tagen um einen Tag überschritten worden sei. Auf Grund der Angaben der Verwandten des Beschwerdeführers bestehe zudem der Verdacht, daß der Beschwerdeführer die Frist nicht nur um einen Tag versäumt habe. Daß den Beschwerdeführer kein Verschulden an der Verletzung der genannten Verwaltungsvorschriften treffe, sei von ihm nicht glaubhaft gemacht worden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II.
1.1. § 23 Abs. 1 bis 3 Paßgesetz 1969 lautet wie folgt:
§ 23 (1) Fremde bedürfen zur Einreise in das Bundesgebiet
außer einem gültigen Reisedokument (§ 22) eines österreichischen Sichtvermerkes; dies gilt nicht, wenn durch zwischenstaatliche Vereinbarung anderes bestimmt wird oder wenn der Fremde während einer Zwischenlandung auf einem österreichischen Flugplatz dessen Transitraum nicht verläßt (Transitreisender).
(2) Sofern die Bundesregierung zum Abschluß von Regierungsübereinkommen gemäß Artikel 66 Absatz 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 ermächtigt ist, kann sie zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, daß Gegenseitigkeit gewährt wird, zwischenstaatliche Vereinbarungen abschließen, durch die Fremde berechtigt werden, ohne Sichtvermerk zu einem zeitlich beschränkten Aufenthalt in das Bundesgebiet einzureisen.
(3) Wenn dies im öffentlichen Interesse liegt oder internationalen Gepflogenheiten entspricht, kann der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten durch Verordnung Ausnahmen von der Sichtvermerkspflicht gewähren. Fremde, die auf Grund einer solchen Verordnung einreisen, sind berechtigt, sich drei Monate im Bundesgebiet aufzuhalten.
Gemäß § 40 Abs. 1 Paßgesetz 1969 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer entgegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in das Bundesgebiet einreist oder aus diesem ausreist.
1.2. Nach Art. 3 des zur Zeit der Einreise des Beschwerdeführers geltenden Abkommens zwischen Österreich und der Türkei über die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges, BGBl. Nr. 194/1955, kamen türkische Staatsangehörige, die sich nach Österreich zu begeben wünschten, um dort ein Gewerbe, einen Beruf oder eine andere auf Gewinn gerichtete Beschäftigung auszuüben, nicht in den Genuß der Bestimmungen des Art. 1 dieses Abkommens und waren auf jeden Fall gehalten, im voraus von der zuständigen diplomatischen oder konsularischen Vertretung Österreichs den erforderlichen Sichtvermerk zu erlangen.
1.3. Entscheidend dafür, ob der Beschwerdeführer ohne Sichtvermerk nach Österreich einreisen durfte oder nicht, war sohin die Frage, ob er schon bei der Einreise die Absicht gehabt hat, in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen, oder ob er diesen Entschluß erst nach seiner Einreise gefaßt hat. Die belangte Behörde hat angenommen, daß der Beschwerdeführer schon bei der Einreise diese Absicht gehabt hat und sich dabei unter anderem auf die Aussagen eines als Zeugen vernommenen Angehörigen des Beschwerdeführers gestützt, aus der hervorgeht, daß der Beschwerdeführer schon am Tag seiner Einreise erklärt hat, in Österreich arbeiten zu wollen, wenn er eine Arbeitsstelle bekomme. Die Feststellung der belangten Behörde über die Absicht des Beschwerdeführers, in Österreich eine Beschäftigung aufzunehmen, begegnet im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer meint, selbst wenn Beweisergebnisse vorlägen, wonach er in Österreich kundgetan habe, arbeiten zu wollen, gebe es doch kein Beweisergebnis dafür, daß er zum Zeitpunkt der Einreise die erforderliche Absicht gehabt habe. Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer nicht die Unschlüssigeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beweiswürdigung darzutun, zumal er keinen plausiblen Grund dafür nennen kann, warum er sich unmittelbar nach der Einreise zur Arbeitsaufnahme in Österreich entschlossen haben soll und in der Folge seine diesbezügliche Absicht geäußert hat.
2.1. Nach § 22 Abs. 1 Paßgesetz 1969 bedürfen Fremde zur Einreise in das Bundesgebiet, während des Aufenthaltes in diesem und zur Ausreise aus dem Bundesgebiet eines gültigen Reisedokumentes (Reisepaß oder Paßersatz), soweit nicht etwas anderes durch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt wird, oder internationalen Gepflogenheiten entspricht.
Gemäß § 40 Abs. 2 Paßgesetz 1969 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich als Fremder, ohne sich mit dem erforderlichen Dokument ausweisen zu können, im Bundesgebiet aufhält.
Das Tatbild dieser Übertretung ist somit dann erfüllt, wenn ein Fremder sich im Bundesgebiet aufhält, ohne im Besitze eines gültigen Reisepasses oder Paßersatzes zu sein. Bei diesem Delikt handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, weil das Tatbild dieser Übertretung in einem bloßen Verhalten ohne das Merkmal eines Erfolges besteht (siehe das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1977, Slg. Nr. 9467/A). Gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG ist bei solchen Delikten Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen, wenn der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
2.2. Der Beschwerdeführer, der unbestrittenermaßen jedenfalls seit 28. Juli 1989 keinen Reisepaß besessen hat, behauptet, er habe diesen Entlastungsbeweis geführt, indem er dargetan habe, daß er den Reisepaß verloren habe bzw. daß ihm dieser gestohlen worden sei. Er vertrete die Auffassung, daß ihm die Behörde hätte nachweisen müssen, daß er schuldhaft seinen Paß verloren oder sich schuldhaft seines Passes entledigt habe.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers über den Verlust seines Reisepasses keinen Glauben geschenkt und dies konkret begründet hat (Seite 7 unten des angefochtenen Bescheides). Auch in diesem Punkt vermag der Verwaltungsgerichtshof die von der belangten Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen nicht als unschlüssig zu erkennen, sodaß davon auszugehen ist, daß dem Beschwerdeführer die ihm obliegende Glaubhaftmachung im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG nicht gelungen ist.
3.1. Wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, ist, soferne nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 3 Abs. 1 des im Beschwerdefall anzuwendenden Meldegesetzes 1972 innerhalb von drei Tagen bei der Meldebehörde anzumelden.
Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. trifft die Meldepflicht den Unterkunftnehmer, soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 16 Z. 1 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, wer die ihn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes treffende Meldepflicht nicht oder nicht fristgerecht erfüllt.
3.2. Der Beschwerdeführer bringt auch in diesem Zusammenhang vor, die belangte Behörde hätte gemäß § 5 Abs. 1 VStG beachten müssen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe, weil er seinen Reisepaß verloren habe. Es genügt daher, auf die entsprechenden Ausführungen unter Punkt II 2.2. zu verweisen, wonach dem Beschwerdeführer die ihm nach der genannten Gesetzesstelle obliegende Glaubhaftmachung nicht gelungen ist, weshalb auch im Falle der Übertretung des Meldegesetzes - auch dabei handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt - ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen war, die gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz VStG - mangels anderer Bestimmungen im Meldegesetz 1972 - zur Strafbarkeit genügt.
4. Aus den in den Punkten II 1.3., II 2.2. und II 3.2. genannten Gründen kann in Ansehung der drei dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen keine Rechtswidrigkeit der Schuldsprüche erkannt werden. Zur Strafbemessung enthält die Beschwerde kein Vorbringen, sodaß sich diesbezügliche Ausführungen erübrigen, zumal auch der Verwaltungsgerichtshof keine Ermessensfehler der belangten Behörde in diesem Zusammenhang erkennen kann.
Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten DiversesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1990190506.X00Im RIS seit
06.08.2001Zuletzt aktualisiert am
09.11.2010