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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §74 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des BR in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 8. November 1991, Zl. 11-39 Re 14-1991, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 75 Abs. 2 Kraftfahrgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 4.657,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 17. April 1991 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 aufgefordert, "den zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens über seine weitere geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erforderlichen Harnbefund bis längstens 17.5.1991 zu erbringen und hieramts vorzulegen". Der Beschwerdeführer wurde auf die im Weigerungsfall zu erwartende Konsequenz der Entziehung seiner Lenkerberechtigung hingewiesen. Die aufschiebende Wirkung einer Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Laut Aktenvermerk vom 14. Mai 1991 erschien der Beschwerdeführer an diesem Tag bei der Behörde und erklärte sich zur Durchführung des Harntests beim Polizeiarzt bereit. Diesem Aktenvermerk zufolge wurde "der Harntest nach Rücksprache mit dem polizeiärztlichen Dienst auch am selben Tag erbracht". Dem Beschwerdeführer sei daraufhin mitgeteilt worden, daß deshalb "von der Einziehung des Führerscheines Abstand genommen wird". Der Beschwerdeführer habe erklärt, die Berufung dessen ungeachtet aufrechtzuerhalten, da er "eine prinzipielle Entscheidung" herbeiführen wolle.
Mit Bescheid vom 8. August 1991 wies der Landeshauptmann von Steiermark die Berufung ab. Nach der Begründung seien die Voraussetzungen für den Aufforderungsbescheid der Erstbehörde vorgelegen. Da der Beschwerdeführer trotz Berufung der Aufforderung Folge geleistet und am 14. Mai 1991 die geforderte Harnprobe erbracht habe, sei auf die Ausführungen in der Berufung nicht mehr einzugehen und auch keine neuerliche Frist für die Beibringung des geforderten "Tests" zu setzen.
Einem weiteren Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Graz vom 19. August 1991 zufolge wurde der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers telefonisch davon in Kenntnis gesetzt, daß der Beschwerdeführer zwar am 14. Mai 1991 die Harnprobe abgegeben habe, daß aber das Ergebnis der Untersuchung "von der Gerichtsmedizin" bisher noch nicht übermittelt worden sei, weil sich der Beschwerdeführer weigere, die Untersuchungskosten zu bezahlen. Dem Vertreter des Beschwerdeführers sei telefonisch mitgeteilt worden, daß der Beschwerdeführer das Ergebnis des Harntests binnen 14 Tagen vorzulegen habe, widrigenfalls die Entziehung der Lenkerberechtigung ausgesprochen werde.
Mit Bescheid vom 20. September 1991 sprach die Bundespolizeidirektion Graz gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 die Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B aus. Nach der Begründung sei infolge der Weigerung des Beschwerdeführers, die Kosten des Harnbefundes zu bezahlen, die Erstellung eines solchen Befundes bisher unterblieben. Damit habe der Beschwerdeführer dem rechtskräftigen Aufforderungsbescheid nicht Folge geleistet, weshalb die Entziehung seiner Lenkerberechtigung nach der genannten Gesetzesstelle auszusprechen sei.
Mit Bescheid vom 8. November 1991 wies der Landeshauptmann von Steiermark die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers mit der bereits von der Erstbehörde gegebenen Begründung ab. Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 2 zweiter Satz KFG 1967 ist dem Besitzer einer Lenkerberechtigung dann, wenn er einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderliche Befunde zu erbringen oder die Lenkerprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge leistet, die Lenkerberechtigung zu entziehen.
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Begründung des angefochtenen Bescheides stehe in diametralem Gegensatz zur Begründung des Bescheides der belangten Behörde vom 8. August 1991, wonach er der behördlichen Aufforderung Folge geleistet und am 14. Mai 1991 die geforderte Harnprobe erbracht habe. Damit fehle die Rechtsgrundlage für die bekämpfte Entziehungsmaßnahme.
Dieses Vorbringen ist berechtigt. Unabhängig davon, ob der Aufforderungsbescheid der Erstbehörde vom 17. April 1991 so zu verstehen war, daß der Beschwerdeführer nicht nur eine Harnprobe beim polizeiärztlichen Dienst zu erbringen, sondern darüber hinaus auch einen Befund über das Untersuchungsergebnis vorzulegen habe, haben die Kraftfahrbehörden in der Folge, wie die obige Sachverhaltsdarstellung zeigt, die Erbringung der Harnprobe durch den Beschwerdeführer am 14. Mai 1991 als Befolgung des Aufforderungsbescheides gewertet und dies dem Beschwerdeführer gegenüber auch unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Schon im Hinblick darauf war es ihnen verwehrt, dessen ungeachtet die Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers wegen Nichtbefolgung des Aufforderungsbescheides zu entziehen (vgl. die ähnlich gelagerte Sachverhalte betreffenden hg. Erkenntnisse vom 27. September 1988, Zl. 88/11/0129, und vom 12. November 1991, Zl. 91/11/0082).
Was die Kostentragung für erforderliche Befunde anlangt, ist zwar nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Art und Weise der Befundbeschaffung allein Sache des Inhabers der Lenkerberechtigung; ihm obliegt es daher, die nötigen Befunde auf seine Kosten zu beschaffen (siehe die Erkenntnisse vom 12. April 1983, Zl. 82/11/0318, und vom 3. Juli 1990, Zl. 90/11/0063). Übernimmt aber (wie nach der Aktenlage im vorliegenden Fall) die Behörde die zu untersuchende Probe und betraut sie sodann von sich aus ein Institut ihrer Wahl mit der Untersuchung, so handelt es sich bei den dadurch entstehenden Kosten um Barauslagen im Sinne des § 76 AVG, die unter den dort umschriebenen Voraussetzungen der Partei bescheidmäßig zum Ersatz vorgeschrieben werden können und deren Bezahlung mit den Mitteln des VVG erzwungen werden kann. Insoweit bleibt kein Raum für ein Vorgehen nach § 75 Abs. 2 KFG 1967. In einem solchen Fall kann die Weigerung der Partei, die Kosten des Befundes zu übernehmen, nicht als Nichtbefolgung des Aufforderungsbescheides gewertet werden, was die Behörde im vorliegenden Fall im Ergebnis getan hat.
Aus diesen Erwägungen entspricht die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers nicht dem Gesetz. Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1991110181.X00Im RIS seit
19.03.2001