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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AgrBehG 1950 §7 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kremla, Dr. Kratschmer und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Haid, über die Beschwerde der E in L, verteten durch Dr. W, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. November 1991, GZ 8-LAS 15 Pe 4/20-91, betreffend Wiederaufnahme des Flurbereinigungsverfahrens K, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Erkenntnis ergibt sich übereinstimmend folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde (ABB) vom 24. Juni 1985 wurde das Flurbereinigungsverfahren K zur rechtlichen Neuordnung und Neueinteilung der Besitzverhältnisse und Schaffung der erforderlichen Aufschließungsmöglichkeiten, die durch die seinerzeit erfolgte K-Bachregulierung notwendig geworden waren, eingeleitet. Die ABB erließ mit Bescheid vom 5. September 1988 den Besitzstandsausweis durch Auflage zur allgemeinen Einsicht und mit weiterem Bescheid vom 29. März 1989 den Flurbereinigungsplan hinsichtlich des Flurbereinigungsgebietes K bestehend aus Besitzstandsausweis, Abfindungsausweis und Neueinteilungsplan.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und führte unter anderem aus, sie würde durch die Flurbereinigung 28.000 m2 aus ihrem Gutsbestand verlieren und lediglich 21.000 m2 hinzuerhalten; selbst unter Einbeziehung einer zugetauschten Fläche von zirka 4.400 m2 würde sie noch immer einen Grundverlust von 2.500 m2 erleiden, welcher durch die Bonitätsverbesserung aber nicht ausgeglichen werde.
Mit Erkenntnis der belangten Behörde vom 20. Juni 1990 wurde
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im Spruchabschnitt 1. die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der ABB 29. März 1989 als unbegründet abgewiesen und
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im Spruchabschnitt 2. das Berufungsbegehren der Beschwerdeführerin, den dem Flurbereinigungsplan K vom 29. März 1989 zugrundeliegenden Besitzstandsausweis (Bescheid vom 5. September 1988) dahin gehend abzuändern, daß die Besitzkomplexe der Beschwerdeführerin überhaupt nicht vom Flurbereinigungsverfahren K betroffen sein sollen, gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Mit Eingabe vom 29. August 1990 brachte die Beschwerdeführerin bei der ABB einen Antrag auf Wiederaufnahme des Flurbereinigungsverfahrens K im Stadium vor Erlassung des Besitzstandsausweises (Bescheid vom 5. September 1988) bzw. des Verfahrens im Stadium vor Erlassung des Flurbereinigungsplanes (Bescheid vom 29. März 1989) ein.
Die belangte Behörde setzte mit Erkenntnis vom 23. Jänner 1991 das Verfahren über den Antrag auf Wiederaufnahme jenes Verfahrensabschnittes, der zur Erlassung des rechtskräftigen Flurbereinigungsplanes K geführt hatte (Bescheid der ABB vom 29. März 1989 in Verbindung mit dem Erkenntnis der belangten Behörde vom 20. Juni 1990) gemäß § 38 AVG 1950 in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrensabschnittes, welcher zur Erlassung des rechtskräftigen Besitzstandsausweises (Bescheid vom 5. September 1988) geführt hatte, aus.
Die ABB wies mit Bescheid vom 17. April 1991 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme des Flurbereinigungsverfahrens K, soweit er sich auf die Wiederaufnahme jenes Verfahrensabschnittes bezog, welcher zur Erlassung des rechtskräftigen Besitzstandsausweises (Bescheid vom 5. September 1988) geführt hatte, gemäß § 69 AVG als unbegründet ab. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit Erkenntnis vom 26. Juni 1991 als unbegründet ab.
Nach rechtskräftigem Abschluß dieses Verfahrens führte die belangte Behörde aufgrund des noch bei ihr behängenden Wiederaufnahmeverfahrens eine Verhandlung durch und wies mit dem angefochtenen Erkenntnis den Antrag der Beschwerdeführerin "auf Wiederaufnahme jenes Verfahrensabschnittes, der zur Erlassung des rk. Flurbereinigungsplanes K geführt hat (Bescheid der ABB vom 29.3.1989, GZ.: 3 K13/151-89, i.V. mit dem Erkenntnis des Landesagrarsenates vom 20.6.1990, GZ.: 8-LAS 15 Pe 4/5/90)", gemäß § 69 AVG in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 als unbegründet ab. Dazu wurde ausgeführt, daß neue Tatsachen im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG nicht vorlägen, die seinerzeitige K-Bachregulierung in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Flurbereinigungsverfahren K gestanden, sondern letzteres nur eine Folge der Regulierung gewesen sei. Für die K-Bachregulierung seien seinerzeit
83.585 m2 Grund beansprucht worden, wobei nach der Regulierung nur 64.953 m2 an aufzuteilendem Regulierungsneugrund übriggeblieben seien; bezogen auf die Beschwerdeführerin bedeutet dies, daß sie regulierungsbedingt 6.642 m2 verloren habe und aufgrund der Flurbereinigung nunmehr 5.169 m2 zurückerhalte (Flächendifferenz sohin 1.473 m2). Das von der Beschwerdeführerin behauptete außerbücherliche Eigentum am öffentlichen Gut bestehe nicht.
In der vorliegenden, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem "Recht auf Naturalrestitution" verletzt.
Die Beschwerde ist aus nachstehenden Gründen zurückzuweisen:
Gemäß Artikel 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges. Unter Erschöpfung des Instanzenzuges ist die restlose Ausschöpfung aller Anfechtungsmöglichkeiten im Administrativverfahren zu verstehen.
Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde als erste und einzige Instanz über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme jenes Verfahrensabschnittes, der zur Erlassung des rechtskräftigen Flurbereinigungsplanes K geführt hat, abgesprochen und gleichzeitig nachstehende Rechtsmittelbelehrung erteilt: "Gegen dieses Erkenntnis steht zufolge § 7 Abs. 1 Agrarbehördengesetz 1950 in der Fassung BGBl. Nr. 476/1974 eine weitere Berufung nicht offen."
Gemäß § 1 AgrVG 1950 gelten im Verfahren vor den Agrarbehörden unter anderem die Vorschriften des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 über die Wiederaufnahme des Verfahrens. Gemäß § 69 Abs. 4 AVG steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, wenn jedoch in der betreffenden Sache ein unabhängiger Verwaltungssenat entschieden hat, diesem. Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Wiederaufnahme steht dem Antragsteller gemäß § 70 Abs. 3 AVG das Recht der Berufung an die im Instanzenzug übergeordnete Behörde zu. Darunter ist jene Behörde zu verstehen, die in der im wiederaufzunehmenden Verfahren entschiedenen Verwaltungssache allenfalls als instanzenmäßig übergeordnete Behörde - gegenüber der den Antrag abweisenden Behörde - in Betracht kommt (vgl. Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht5, 1991, Rz 602 mit weiteren Nachweisen).
Wie sich der von der belangten Behörde in das angefochtene Erkenntnis aufgenommenen Rechtsmittelbelehrung entnehmen läßt, vertritt diese unter Bezugnahme auf § 7 Abs. 1 AgrBehG die Auffassung, daß es im Beschwerdefall bzw. in dem vom Wiederaufnahmeantrag der Beschwerdeführerin betroffenen Verwaltungsverfahren an einer der belangten Behörde instanzenmäßig übergeordneten Behörde fehle.
Dieser Ansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Im wiederaufzunehmenden Verfahren war die Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke im Flurbereinigungsverfahren strittig. Diese zählt gemäß § 7 Abs. 2 Z. 3 AgrBehG zu jenen Fällen, in denen gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates die Berufung an den Obersten Agrarsenat zulässig ist. Nun trifft es zwar zu, daß im wiederaufzunehmenden Verfahren betreffend den Flurbereinigungsplan K im Spruchabschnitt 1. des Bescheides vom 20. Juni 1990 ein bestätigendes Erkenntnis der belangten Behörde ergangen ist, gegen welches somit eine Berufung an den Obersten Agrarsenat nicht zulässig gewesen ist. Da jedoch vorweg nicht auszuschließen ist, daß nach allfälliger Wiederaufnahme des Verfahrens eine gegenüber dem Bescheid der Agrarbehörde erster Instanz abändernde Entscheidung in der Sache ergehen könnte, handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Verwaltungssache, in welcher der Oberste Agrarsenat als der belangten Behörde im Instanzenzug übergeordnet anzusehen ist. Dies hatte jedoch gemäß § 70 Abs. 3 AVG zur Folge, daß gegen das den Wiederaufnahmeantrag ablehnende angefochtene Erkenntnis die Berufung an den Obersten Agrarsenat zulässig war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1987, Zl. 86/07/0276).
Die Beschwerdeführerin hat daher, wenn auch aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung der belangten Behörde (vgl. dazu § 71 Abs. 1 Z. 2 AVG), den Instanzenzug vor Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erschöpft.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete BodenreformEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992070045.X00Im RIS seit
20.11.2000