Index
82/04 Apotheken Arzneimittel;Norm
ApG 1907 §29 Abs2 idF 1984/502;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des Dr.med. J in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 7. Juli 1987, Zl. 562.011/2-VI/15-1987, betreffend Abweisung eines Antrages auf Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in S (mitbeteiligte Partei: Mag.pharm. G in S, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Zur Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles verweist der Verwaltungsgerichtshof auf seine Erkenntnisse vom 10. Dezember 1980, Zl. 1754/80 = ZfVB 1982/1/6, und vom 26. März 1987, Zl. 82/08/0167 = ZfVB 1987/4/1534.
1.2. Der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst wies mit Ersatzbescheid vom 7. Juli 1987 nach dem zuletzt genannten hg. Erkenntnis die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 28. November 1979, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in S gemäß den §§ 29 Abs. 1 und 53 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907, in der Fassung vor der Apothekengesetznovelle 1984 (im folgenden: ApG aF) abgewiesen worden war, rechtzeitig eingebrachte Berufung gemäß den §§ 29 Abs. 2 und 53 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG nF), als unbegründet ab und bestätigte den Bescheid des Landeshauptmannes mit der Maßgabe, daß sich die Abweisung des Antrages auf § 29 Abs. 2 ApG nF gründe.
Nach der Begründung dieses Bescheides habe der Beschwerdeführer am 22. April 1979 um Fortführung der Hausapotheke in S angesucht, da er am 15. August 1979 seine Tätigkeit als praktischer Arzt aufnehmen werde und dabei die Nachfolge des Dr.med. A in dessen bestehenden Praxisräumlichkeiten antreten werde. Dr. A habe mit Schreiben vom 19. Jänner 1979 bekanntgegeben, daß er seine Hausapothekenbewilligung zugunsten des Beschwerdeführers ab 1. August 1979 zurücklege.
Mit Bescheid vom 28. November 1979 habe der Landeshauptmann von Steiermark diesen Antrag wegen mangelnden Bedarfes abgewiesen. Die Berufung des Beschwerdeführers sei mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz vom 25. April 1980 als unbegründet abgewiesen worden. Dieser Bescheid sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1980 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden. Mit Ersatzbescheid vom 12. Juli 1982 sei der Bescheid des Landeshauptmannes wegen mangelnden Bedarfes neuerlich bestätigt worden. Mit Erkenntnis vom 26. März 1987 habe der Verwaltungsgerichtshof auch diesen Bescheid aufgehoben. In diesem Erkenntnis sei die Rechtsauffassung der belangten Behörde abgelehnt worden, daß die Zurücklegung von 4,82 km zwischen der Ordinationsstätte und der öffentlichen Apotheke auf einer befahrbaren Landstraße einen Bedarf im Sinne des § 29 ApG aF nicht erkennen lasse. Der Verwaltungsgerichtshof habe noch ausgeführt, daß auf das fortgesetzte Verfahren das ApG in der Fassung der Novelle 1984 anzuwenden sein werde.
Feststehe, daß die Entfernung zwischen der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke in S und der Ordination des Antragstellers in S 4,82 km betrage. Es sei nun zu prüfen, ob der Beschwerdeführer Nachfolger im Sinne des § 29 Abs. 2 ApG nF sei. Bereits aus der Bedeutung des Wortes "Nachfolger" ergebe sich, daß die Hausapothekenbewilligung eines Vorgängers unmittelbar fortgesetzt werden solle, wenn auch eine kurzfristige, umständebedingte Vakanz toleriert werden müsse. Der Begriff "Nachfolger" gemäß § 29 Abs. 2 ApG nF impliziere also grundsätzlich die Kontinuität eines bestehenden Zustandes, d. h. die Fortsetzung einer bestehenden Arnzeimittelversorgung durch eine Hausapotheke. Im vorliegenden Fall bestehe jedoch bereits seit Jahren nachweislich keine Hausapotheke in S.
1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. In der Begründung dieser Beschwerde heißt es, der Beschwerdeführer habe im April 1979, als er sich in S, wo bisher eine ärztliche Hausapotheke bestanden habe, niedergelassen habe, unverzüglich um Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke als Nachfolger Dris. A, der bereit gewesen sei, seine Hausapothekenbewilligung zugunsten des Beschwerdeführers zurückzulegen, angesucht. Der Umstand, daß von der Verwaltungsbehörde bisher in dieser Sache fehlerhafte Bescheide gefällt worden seien, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Demzufolge habe die belangte Behörde zu Unrecht aus dem Umstand, daß de facto über einen Zeitraum von nunmehr etwa acht Jahren keine Hausapotheke mehr bestanden habe, die Nachfolgerqualifikation im Sinne des § 29 Abs. 2 ApG verneint. Da die Entfernung mehr als 4 Straßenkilometer betrage, wäre dem Beschwerdeführer die Bewilligung zu erteilen gewesen.
1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 29 Abs. 1 ApG aF lautete:
"Die Bewilligung zur Haltung einer Hausapotheke ist einem Arzte zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Wohnsitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und mit Rücksicht auf die Entfernung der nächsten derartigen Apotheke an dem Wohnorte des Arztes ein Bedürfnis nach einer Verabreichungsstelle von Heilmitteln besteht (§ 10, dritter Absatz)."
Eine besondere Regelung für den Nachfolger eines praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung gab es nach dem ApG aF nicht.
§ 29 Abs. 1 und 2 ApG nF bestimmen:
"(1) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist einem praktischen Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn sich in der Ortschaft, in welcher der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befindet und der Berufssitz des Arztes von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke mehr als sechs Straßenkilometer entfernt ist.
(2) Die Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke ist auf Antrag dem Nachfolger eines praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung zu erteilen, wenn die Entfernung zwischen dem Berufssitz des hausapothekenführenden Arztes und der Betriebsstätte der nächstgelegenen öffentlichen Apotheke mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometer beträgt."
2.2.1. Der Beschwerdefall hat eine beantragte Hausapothekenbewilligung zum Gegenstand. Das Bewilligungsverfahren war am 1. Jänner 1985, also im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Apothekengesetznovelle 1984 anhängig. Eine Übergangsbestimmung, daß anhängige Verfahren nach altem Recht zu Ende zu führen wären, besteht nicht.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen zu Recht davon aus, daß in diesem Fall - mangels einer ausdrücklichen oder im Auslegungswege zu erschließenden gesetzlichen Anordnung (vgl. zu den Bestimmungsgründen für die maßgebliche Rechtslage allgemein das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg. NF
Nr. 9315/A = ZfVB 1978/6/2019, ferner die hg. Erkenntnisse vom 23. Oktober 1986, Zl. 86/08/0140 = ZfVB 1987/3/1029, und vom 19. Februar 1991, Zl. 90/08/0177) dahingehend, daß die Bewilligungsvoraussetzungen nach altem Recht zu beurteilen wären - das Recht der Apothekengesetznovelle 1984 bei der Erlassung des angefochtenen (Ersatz)Bescheides vom 7. Juli 1987 zur Anwendung kam.
Die Bindungswirkung des § 63 Abs. 1 VwGG an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes findet für die Behörde bei Erlassung des Ersatzbescheides dort ihre Grenze, wo sich die Sach- oder Rechtslage seit Erlassung des aufhebenden Erkenntnisses geändert hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Juli 1949, Slg. NF 960/A, und vom 17. November 1976, Slg. NF Nr. 9203/A). Dies ist hier der Fall.
Es ist daher - wie der Verwaltungsgerichtshof auch schon in seinem Vorerkenntnis vom 26. März 1987, Zl. 82/08/0167 = ZfVB 1987/4/1534, ausgesprochen hat - § 29 Abs. 1 und 2 ApG nF anzuwenden.
2.2.2. Rechtlich zu beurteilen ist eine Betriebsnachfolge (Ordinationsnachfolge), die - behauptetermaßen - im Jahr 1979 stattgefunden hat.
Was den Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 und 2 ApG nF unter seinem zeitlichen Aspekt (zeitlicher Anwendungsbereich) anlangt, so ist im vorliegenden Fall die Frage nach dem sogenannten (zeitlichen) Rechtsbedingungsbereich oder zeitlichen Bezugsbereich der Norm (ersteres in der Terminologie von HALLER, Die Prüfung bereits außer Kraft getretener Gesetze durch den Verfassungsgerichtshof, ÖStZ 1975, 239, bzw. letzteres in jener von THALER, Mehrdeutigkeit und juristische Auslegung, 1981, 45, und ihm folgend THIENEL, Art. 49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereiches von Bundesgesetzen, ÖJZ 1990, 161, 163) gestellt.
Nach der Rechtslage vor der Apothekengesetznovelle 1984 sah § 29 Abs. 1 ApG aF eine Bedarfsprüfung für die Hausapothekenbewilligung vor. Eine differenzierende Regelung für Nachfolger nach einem hausapothekenführenden Arzt mit erleichterten Bewilligungsvoraussetzungen bestand nicht. Dieser Umstand konnte in die Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen einfließen, eigenständige Rechtsfolgen waren an ihn nicht geknüpft. Die Rechtslage nach der Novelle 1984 ist hingegen durch eine formalisierte Bedarfsprüfung gekennzeichnet, wobei § 29 Abs. 1 ApG nF für die erstmalige Bewilligung einer ärztlichen Hausapotheke eine Entfernung von
sechs Straßenkilometern von der Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke vorsieht und § 29 Abs. 2 leg. cit. für den Nachfolger eines praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung (nur) eine Entfernung von mehr als vier und weniger als sechs Straßenkilometern fordert.
Nach dem Wortlaut des § 29 Abs. 2 ApG nF erfaßt diese Bestimmung auch eine vor dem 1. Jänner 1985 eingetretene Nachfolge. Auch ein solcher Nachfolger ist ein "Nachfolger eines praktischen Arztes mit Hausapothekenbewilligung", da unter dem hier verwendeten Begriff der Hausapothekenbewilligung auch die seinerzeit bestandene Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke durch den Vorgänger zu verstehen ist. Gesetzessystematische und teleologische Erwägungen - auch unter Einbeziehung der Übergangsbestimmung des Art. III Abs. 2 der Apothekengesetznovelle 1984 -, die eine Reduktion des Wortlautes auf Fälle der Ordinationsnachfolge hinsichtlich einer am 1. Jänner 1985 BESTEHENDEN ärztlichen Hausapotheke nahelegen könnten, vermöchten demgegenüber nicht durchzuschlagen. § 29 Abs. 2 ApG nF hat einen auch über den 1. Jänner 1985 zurückreichenden Rechtsbedingungsbereich, was das Ereignis der Nachfolge nach einem praktischen Arzt anlangt.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde knüpft im übrigen § 29 Abs. 2 ApG nF nicht daran an, daß der Nachfolger dem Vorgänger in der Haltung der HAUSAPOTHEKE unmittelbar (ohne nennenswerte zeitliche Vakanz) nachfolgt: Abgesehen davon, daß nach dieser Auffassung schon ein länger dauerndes Verwaltungsverfahren einen ursprünglich bestandenen "Nachfolgetatbestand" unterlaufen könnte, kommt es nach § 29 Abs. 2 ApG nF auf die Nachfolge in der ORDINATION des praktischen Arztes (der Inhaber einer Hausapothekenbewilligung ist) an.
2.3. Da die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof als unrichtig erachteten Rechtsauffassung unterließ sie es, Feststellungen über die Umstände bei der vom Beschwerdeführer behaupteten Nachfolge zu treffen.
Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
2.5. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1987080236.X00Im RIS seit
25.04.2001