TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/28 91/04/0322

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Veröffentlicht am 28.04.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §198 Abs2;
GewO 1973 §368 Z17;
VStG §22 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde der I in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Oktober 1991, Zl. MA 63-P 82/90/Str, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Oktober 1991 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, als gewerbebehördlich genehmigte Geschäftsführerin der F-GmbH dafür verantwortlich zu sein, daß diese Gesellschaft am 12. Mai 1990 um 2 Uhr ihren Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart eines Espressos mit der Beschränkung des Betriebes des Gewerbes bis 24 Uhr in W, K-Gasse 10, 1.) nicht geschlossen gehalten habe und 2.) zur obgenannten Zeit vier Gästen das Verweilen im Lokal gestattet habe, obwohl für diesen Gewerbebetrieb die Sperrstunde mit 24 Uhr festgesetzt sei. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 368 Z. 17 GewO 1973 in Verbindung mit dem Bescheid vom 18. Dezember 1989, Zl. MBA 9-Gew 25.268/5/89, begangen, weshalb über sie nach § 368 GewO 1973, Einleitungssatz, Geldstrafen von je S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 18 Stunden) verhängt wurden. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des erfahrensganges im wesentlichen aus, im vorliegenden Fall sei die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der der Beschwerdeführerin angelasteten Verwaltungsübertretung insofern strittig, als die Beschwerdeführerin vorbringe, nach 24 Uhr werde das Gastgewerbe am in Rede stehenden Ort nicht durch die F-GmbH, sondern durch den Geselligkeitsverein "Y" ausgeübt. Durch Erhebungen sei festgestellt worden, zur Tatzeit sei die Lokaltür des fraglichen Gastgewerbebetriebes offen gestanden und es hätten sich im Lokal vier Gäste aufgehalten, die Getränke konsumiert hätten. Ebenso sei am 11. August 1990 in der Zeit von 1.30 Uhr bis 2.15 Uhr die Lokaltüre offengestanden und es hätten Gäste jeder Art ungehindert das Lokal betreten, dort Getränke etc. anstandslos bestellen können und hätten solche auch erhalten. Zwei im Lokal befindliche Gäste seien betreffend einer Mitgliedschaft zum Geselligkeitsverein "Y" befragt worden. Beide hätten angegeben, sie hätten das Lokal unbehindert betreten und ihre Getränke bestellen können; sie hätten diese auch anstandslos erhalten. Sie seien betreffend einer Mitgliedschaft überhaupt nicht befragt worden. Der im Lokal anwesende Herr K. habe den Erhebungsbeamten gegenüber auf Befragen angegeben, daß es sich bei den Gästen nur um "Taxler" handle und um keine fremden Personen. Die Mitglieder hätten sogenannte Kärtchen als Mitgliedsausweise bei sich und seien bekannt. Die Erhebungsbeamten hätten jedoch nie ein derartiges Kärtchen gesehen. Betreffend die Mitgliedschaft liege ein Heft auf, wo einige Personen mit dem Vornamen, dem Familiennamen und der Anschrift angeführt seien. Eine Kontrolle am Lokaleingang sei nie beobachtet oder bemerkt worden. Nach Auskunft durch Herrn K. werde ein möglicher Gewinn, der bislang nur geringfügig gewesen sei, im Lokal investiert, z.B. in Blumengestecke. Die bei der Kontrolle anwesende Serviererin habe angegeben, daß sie am fraglichen Tag bis ca. 4 Uhr Dienst im Lokal mache. Dies sei normal und üblich. Bezahlt werde sie durch Herrn K., ihren Angaben nach der Chef. Das Cafe "Y" habe das Erscheinungsbild eines reinen Cafes und nicht eines Vereins- oder Clubbetriebes. Diesen konkreten Erhebungsergebnissen habe die Beschwerdeführerin keine konkreten Behauptungen entgegengesetzt sondern nur ganz allgemein ausgeführt, es bedürfe zur Frage der rechtlichen Einordnung eines wirtschaftlichen Vorganges präziser und konkreter Feststellungen und Erhebungen. Die Beschwerdeführerin meine, lediglich die Vereinsbehörde sei befugt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines ideellen Vereines zu überprüfen und Feststellungen zu machen. Dies sei aber nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, in diesem Verfahren seien lediglich Feststellung darüber getroffen worden, ob die F-GmbH im fraglichen Standort auch nach 24.00 Uhr das Gastgewerbe betreibe. Im Rahmen der freien Beweiswürdigung gelange die Berufungsbehörde zu der Ansicht, daß aufgrund der Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien der objektive Tatbestand der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretung erwiesen sei. Da es sich bei dieser Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handle, bei dem ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen sei, sei auch die subjektive Tatseite erfüllt. Es folgen sodann Ausführungen über die für die Strafbemessung maßgeblichen Erwägungen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und nicht hiefür bestraft zu werden. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe einerseits Beweisanträge der Beschwerdeführerin nicht durchgeführt und andererseits von ihr selbst ins Auge gefaßte Beweiserhebungen in der Folge fallengelassen. Es sei außerdem ein gegen die Beschwerdeführerin wegen eines gleichartigen Sachverhaltes eingeleitetes Verwaltungsstrafverfahren mit Berufungsbescheid "des Amtes der Wiener Landesregierung" vom 15. Mai 1991 eingestellt worden. Es liege daher res iudicata vor. Schließlich sei dem Vorwurf der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe ihre Mitwirkungspflicht verletzt, entgegenzuhalten, es sei ihr rechtlich nicht möglich, in die Gebarung des Vereines "Y" Einsicht zu nehmen, sodaß von einer Verletztung der Mitwirkungspflicht nicht die Rede sein könne.

Die Beschwerde erweist sich aufgrund folgender Überlegungen als begründet:

Gemäß § 368 Z. 17 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe zu bestrafen ist, wer andere als im § 366, § 367 und in Z. 1 bis 16 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die aufgrund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.

Mit Konzessionsdekret vom 18. Dezember 1989 wurde der F-GmbH in W die Konzession für das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Espressos mit den Berechtigungen nach § 189 Abs. 1 GewO 1973... "beschränkt auf die in der Planskizze, die einen Bestandteil des Konzessionsdekretes bildet, bezeichneten Betriebsräume und Betriebsflächen, mit der Beschränkung des Betriebes des Gewerbes bis 24.00 Uhr" im Standort W, K-Gasse 10, erteilt.

Gemäß § 22 Abs. 1 VStG sind, wenn jemand durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschießende Strafdrohungen fällt, die Strafen nebeneinander zu verhängen.

Das in der zuletzt genannten Gesetzesstelle normierte sogenannte Kumulationsprinzip kommt dann zur Anwendung, wenn der Täter entweder durch verschiedene Taten mehrere Verwaltungsübertretungen - gleicher oder verschiedener Art - begangen hat (Realkonkurrenz) oder durch ein und dieselbe Tat mehrere verschiedene Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz).

Im vorliegenden Fall kommt, da die belangte Behörde der Beschwerdeführerin lediglich die Übertretung einer Verbotsnorm zur Last legte, nur ein Fall der Realkonkurrenz in Betracht. Ein solcher liegt jedoch entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht vor, weil die der Beschwerdeführerin als zwei verschiedene Tathandlungen zur Last gelegten Verhaltensformen unter dem Gesichtspunkt des "Betriebes des Gewerbes" als zeitlich zusammenfallende einheitliche Tathandlung anzusehen sind.

Die belangte Behörde belastete daher dadurch, daß sie das der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verhalten als zwei verschiedene Verwaltungsübertretungen wertete, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG schon aus diesem Grund aufzuheben, ohne auf das Beschwerdevorbringen einzugehen.

Für das fortgesetzte Verfahren sieht sich der Verwaltungsgerichtshof aus Gründen der Prozeßökonomie zu dem Hinweis veranlaßt, daß für die Verwirklichung des in Rede stehenden Tatbildes des § 368 Z. 17 GewO 1973 in Verbindung mit dem Konzessionsdekret vom 18. Dezember 1989 allein entscheidend ist, ob die Beschwerdeführerin zur Tatzeit ihr Gewerbe betrieb. Dies konnte auch durch Überlassung der Betriebsräumlichkeiten an Dritte geschehen, sofern diese Überlassung im Rahmen ihres Gewerbebetriebes geschah. Ob hingegen der "Geselligkeitsverein Y", dem die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen zur Tatzeit ihre Betriebsräumlichkeiten zur Ausübung seiner Vereinstätigkeit überließ, seinerseits dort das Gastgewerbe ausübte, ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne rechtliches Gewicht.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991040322.X00

Im RIS seit

28.04.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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