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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §12 Abs9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 6. Juli 1990, Zl. IVb/7022/7100 B, 920/2875 030957, betreffend Neubemessung, Widerruf und Rückforderung unberechtigt empfangener Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 3. April 1989 beim Arbeitsamt die Gewährung von Notstandshilfe als Pensionsvorschuß gemäß § 23 AlVG. In ihrem Antrag gab sie u.a. an, mit zwei Kindern und ihrem Ehegatten, der über ein monatliches Nettoeinkommen von S 13.000,-- verfüge, im gemeinsamen Haushalt zu leben. Nach Ausweis der von der Beschwerdeführerin beigebrachten Lohnbestätigung hat das aus einem Dienstverhältnis erzielte Bruttomonatseinkommen des Ehegatten von Jänner bis März 1989 monatlich S 19.004,-- betragen. Mit Bescheid vom 26. April 1989 hat das Arbeitsamt den Antrag der Beschwerdeführerin abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, worin sie ihre monatlichen Ausgaben für Miete und Heizung, für eine Kreditrückzahlung und andere Fixkosten mit monatlich rund S 12.600,-- darlegte. In einer mit ihr aufgenommenen Niederschrift vom 7. Juni 1989 gab die Beschwerdeführerin folgendes an:
"Das Gehalt meines Gatten ist gleichbleibend. An erhöhten Aufwendungen im Sinne der Notstandshilfeverordnung gebe ich folgendes an:
1)
GARA-Kredit über S 75.000,-- mit mtl. Raten zu S 2.179,-- (Belege lege ich vor) für Kücheneinrichtung.
2)
Baukostenzuschüsse, unverzinsliches Darlehen mit halbjährlichen Raten zu S 1.345,--. Ein Kreditvertrag existiert nicht (nur eine Bestätigung der MA 50).
3)
Ich benötige lfd. Medikamente (lt. ärztlicher Bestätigung). Diese werden zwar von der Krankenkasse bezahlt, jedoch fallen Rezeptgebühren in der Höhe von ca. S 100,-- monatlich an. Rechnungen darüber habe ich leider nicht.
Die I-Pension wurde vom Pensionsversicherungsträger abgelehnt, jedoch habe ich dagegen eine Klage eingebracht (über einen Rechtsanwalt)."
Mit Bescheid vom 20. Juni 1989 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin Folge und behob den Bescheid des Arbeitsamtes. Nach Hinweis auf die von der belangten Behörde angewendeten Rechtsvorschriften des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 und der Notstandshilfeverordnung führte die belangte Behörde folgendes aus:
"In Ihrer Berufung wandten Sie das Vorliegen erhöhter Aufwendungen ein und konnten anläßlich Ihrer persönlichen Vorsprache auch einen Wohnkredit (für Kücheneinrichtung) mit mtl. Raten zu S 2.071,-- und einen Baukostenzuschuß in Höhe von halbjährlich S 1.345,-- (= S 224,--) nachweisen, welche zur Erhöhung der gemäß § 6 Abs. 3 NH-VO anzusetzenden Freigrenzen heranzuziehen waren. Eine Berücksichtigung der von Ihnen weiters ins Treffen geführten Medikamentenkosten (Rezeptgebühren) konnte mangels Vorlage geeigneter Unterlagen über die durchschnittliche mtl. Höhe dieser Kosten (z.B. Rechnungen) nicht erfolgen. Da das anrechenbare Einkommen Ihres Gatten aber infolge der o.a. Freigrenzenerhöhung die Höhe Ihrer fiktiven Notstandshilfe nicht mehr übersteigt, war wie im Spruch zu entscheiden."
Das Arbeitsamt hat der Beschwerdeführerin daraufhin mit einer Mitteilung vom 12. Juli 1989 formlos Pensionsvorschuß als Notstandshilfe in der Höhe von täglich S 73,20 ab 3. April 1989 bis (voraussichtlich) 31. Dezember 1989 zuerkannt.
Am 28. Dezember 1989 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich die Gewährung eines Pensionsvorschusses als Notstandshilfe gemäß § 23 AlVG. Dabei wurde - einem undatierten Aktenvermerk des Arbeitsamtes zufolge - von der Beschwerdeführerin gemeldet (so nach dem Wortlaut des Vordruckes) bzw. beim Dienstgeber telefonisch erfragt (so ein handschriftlicher Zusatz auf diesem Aktenvermerk), daß der Ehegatte der Beschwerdeführerin im April 1989 S 15.844,--, im Mai und Juni 1989 je S 19.004,--, im Juli 1989 S 25.272,--, im August 1989 S 21.701,--, im September 1989 S 22.097,--, im Oktober 1989 S 22.975,-- und im November 1989 S 20.290,-- jeweils abzüglich ziffernmäßig angegebener Abzüge als Arbeitsentgelt erhalten habe. Nach einer im Akt befindlichen Lohnbestätigung betrug der Gehalt des Ehegatten der Beschwerdeführerin für Dezember 1989 S 22.038,84 abzüglich S 5.847,61 an gesetzlichen Abzügen.
Mit Bescheid vom 7. Februar 1990 stellte das Arbeitsamt fest, daß die Beschwerdeführerin ab 1. August 1989 mangels Notlage keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe und setzte mit Mitteilung vom 7. Februar 1990 - formlos - für den Zeitraum ab 1. Mai 1989 (mit Ausnahme des Monats August 1989) die Notstandshilfe neu (niedriger) fest.
Mit einem weiteren Bescheid vom 28. Februar 1990 verpflichtete das Arbeitsamt die Beschwerdeführerin zum Rückersatz unberechtigt empfangener Notstandshilfe in der Höhe von S 9.637,-- mit der Begründung, sie habe nicht gemeldet, daß das Einkommen ihres Ehegatten nicht gleichbleibend gewesen sei. Durch die Anrechnung dieses Einkommens auf die Notstandshilfe ab 1. Mai 1989 ergebe sich der Übergenuß.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und legte u.a. eine Ablichtung der "Einkommensteuererklärung" (richtig: des Einkommensteuerbescheides) des Ehegatten für das Jahr 1988 vor, aus dem Verluste aus Gewerbebetrieb von S 199.220,-- und Einkünfte aus unselbständiger Arbeit von S 199.775,-- zu entnehmen sind. Dazu brachte die Beschwerdeführerin vor, vom Taxiunternehmen ihres Ehegatten nicht leben zu können, weshalb er von seinem Angestelltengehalt dazu noch beitragen müsse.
Im Berufungsverfahren wurde mit der Beschwerdeführerin und ihrem Ehegatten vom 10. Mai 1990 eine Niederschrift aufgenommen, im Zuge derer der Ehegatte der Beschwerdeführerin seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1989 vorlegte. Einer dieser Erklärung beigelegten Aufstellung ist u.a. zu entnehmen, daß aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Ehegatten Einnahmen von S 528.509,12 Ausgaben in der Höhe von S 611.838,32 gegenüberstanden. Ferner waren lohnsteuerpflichtige Einkünfte in der Höhe von S 202.843,83 erklärt. Nach dem Inhalt der Niederschrift gab die Beschwerdeführerin u.a. an, daß ihr Ehegatte "normalerweise" ein gleichbleibendes Einkommen habe, sie jedoch Überstundenzahlungen nicht gemeldet hätte. Als erhöhte Aufwendungen im Sinne des § 6 Abs. 4 der Notstandshilfeverordnung machte die Beschwerdeführerin Kreditrückzahlungen für die "Zahlung der Konzession" und für den Ankauf von "Firmenautos" geltend.
Mit Bescheid vom 6. Juli 1990 hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben, den erstinstanzlichen Bescheid jedoch wie folgt abgeändert:
"Die Bemessung der Notstandshilfe wird gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 AlVG für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.1989 von täglich S 73,20 auf täglich S 93,40, vom 1.6.1989 bis 30.6.1989 von täglich S 73,20 auf täglich S 65,20, vom 1.7.1989 bis 31.7.1989 von täglich S 73,20 auf täglich S 30,50 und vom 1.9.1989 bis 30.9.1989 von täglich S 73,20 auf täglich S 1,80 berichtigt.
Für die Zeit vom 1.8.1989 bis 31.8.1989 und vom 1.10.1989 bis 31.12.1989 wird die Zuerkennung der Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit S 24 Abs. 2 AlVG widerrufen.
Die auf Grund dieser Berichtigung bzw. dieses Widerrufes unberechtigt bezogene Notstandshilfe in der Höhe von S 12.708,-- wird im Ausmaß von S 10.263,-- gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zum Rückersatz vorgeschrieben. Der restliche Betrag von S 2.445,-- wird mangels Vorliegens eines Tatbestandes gemäß § 25 Abs. 1 AlVG nicht rückgefordert."
In der Begründung dieses Bescheides führt die belangte Behörde aus, daß die Beschwerdeführerin bezüglich des Einkommens ihres Ehegatten sowohl unwahre Angaben gemacht, als auch die Meldepflicht verletzt habe, da sie am 7 Juni 1989 niederschriftlich bestätigt habe, daß das Gehalt ihres Ehegatten gleichbleibend sei und die Gehaltsschwankungen ihres Ehegatten nicht gemeldet habe. Ferner legt die belangte Behörde dar, daß die Freigrenzen des § 6 Abs. 3 in näher bezeichneten Zeiträumen zu erhöhen, diese Erhöhung aber ab 1. November 1989 wieder zu verringern gewesen sei, da die letzte Rate eines Wohnkredites von S 2.179,-- im Oktober 1989 zu bezahlen gewesen sei. Die aufgrund der rückwirkenden Freigrenzenverringerung vom 1. November 1989 bis 31. Dezember 1989 von S 2.403,-- (bzw. S 2.426,50) auf S 247,50 unberechtigt bezogene Notstandshilfe werde nicht zurückgefordert, da die Beschwerdeführerin bereits im Juni 1989 einen Beleg für die voraussichtliche Dauer der Ratenzahlung vorgelegt habe. Es liege somit diesbezüglich kein Tatbestand gemäß § 50 Abs. 1 AlVG vor. Die Rückzahlungsverpflichtungen bei der AVA-Bank hätten nicht berücksichtigt werden können, da sie lediglich für die Zweiterwerbstätigkeit des Ehegatten der Beschwerdeführerin aufgenommen worden seien und diese selbständige Tätigkeit für die Existenzsicherung nicht erforderlich sei, insbesondere da der Ehegatte der Beschwerdeführerin seit 15. September 1983 laufend in einem Dienstverhältnis stehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind beim Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit des § 36 Abs. 3 lit. B sublit. a AlVG 1977 und des § 6 Abs. 1, 3 und 4 der Notstandshilfeverordnung in den hier jeweils geltenden Fassungen entstanden. Mit Beschluß vom 13. Jänner 1990, A 105/90, wurde an den Verfassungsgerichtshof der Antrag gestellt, diese Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen aufzuheben.
Mit Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, G 179/90 u.a., V 226/90 u. a., hat der Verfassungsgerichtshof u.a. diese Anträge abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit Erkenntnis vom 28. Juni 1991, G 295/90 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof § 56 Abs. 3 AlVG betreffend die Zuständigkeit des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses der belangten Behörde zur Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Arbeitsamtes als verfassungswidrig aufgehoben. Da der angefochtene Bescheid schon vorher erlassen wurde und der vorliegende Beschwerdefall kein Anlaßfall des verfassungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. 139 Abs. 6 bzw. 140 Abs. 7 B-VG ist, hat der Verwaltungsgerichtshof § 56 Abs. 3 AlVG im Beschwerdefall weiterhin anzuwenden. Der Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses der belangten Behörde war daher zur Erlassung des angefochtenen Bescheides zuständig.
Nach dem Beschwerdevorbringen bestreitet die Beschwerdeführerin nicht nur das Vorliegen der Voraussetzungen für die Rückforderung eines Überbezuges im Sinne des § 25 AlVG, sondern auch die Richtigkeit der Ermittlung der auf ihren Notstandshilfeanspruch im Widerrufs- und Rückforderungszeitraum angerechneten Einkünfte ihres Ehegatten und bringt in diesem Zusammenhang sinngemäß vor, daß die belangte Behörde den Verlust ihres Ehegatten aus selbständiger Erwerbstätigkeit für das Jahr 1989 in der Höhe von S 78.800,-- nicht berücksichtigt habe.
Die belangte Behörde wendet dagegen in ihrer Gegenschrift ein, daß die Beschwerdeführerin den Bestand einer selbständigen Tätigkeit ihres Ehegatten erstmals am 14. März 1989 gemeldet habe, darüber hinaus jedoch bei Beurteilung von Notlage das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit "losgelöst von jenem aus unselbständiger Tätigkeit zu bewerten ist (§ 6 Abs. 7 iVm § 5 Abs. 5 NH-VO)".
Der Abspruch über Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung ist zeitraumbezogen (vgl. das Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 91/08/0036, betreffend Notstandshilfe). Daher hatten die Behörden des Verwaltungsverfahrens die im jeweiligen Zeitraum des Jahres 1989 geltende Fassung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609, anzuwenden, nämlich in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 283/1988 bzw. ab 1. August 1989 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1977, Slg. Nr. 9315/A, und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 1989, Zl. 88/08/0287).
Gemäß § 23 Abs. 1 AlVG kann Arbeitslosen, die (u.a.) die Zuerkennung einer Leistung aus dem Versicherungsfall der Invalidität, der Berufsunfähigkeit oder der dauernden Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Pensionsversicherung beantragt haben, bis zur Entscheidung über ihren Antrag auf diese Leistungen vorschußweise Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gewährt werden, sofern, abgesehen von der Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitswilligkeit, die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen gegeben sind und im Hinblick auf die vorliegenden Umstände mit der Zuerkennung der Leistungen aus der Sozialversicherung gerechnet werden kann. Nach dem zweiten Satz dieser Vorschrift ist der Vorschuß in der Höhe des gebührenden Arbeitslosengeldes bzw. der gebührenden Notstandshilfe zu gewähren, darf jedoch die zu erwartende Pensionsleistung nicht übersteigen.
Voraussetzung für die Gewährung von Notstandshilfe (auch als Pensionsvorschuß im Sinne des § 23 AlVG) ist gemäß § 33 Abs. 2 lit. c AlVG, daß sich der Arbeitslose in Notlage befindet. Diese liegt gemäß § 33 Abs. 4 AlVG vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Wann dies der Fall ist, ist gemäß § 36 Abs. 2 (in Verbindung mit Abs. 1) AlVG in einer Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales ("Notstandshilfeverordnung") näher festzulegen, wobei die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst sowie der Angehörigen des Arbeitslosen zu berücksichtigen sind, die zur gesetzlichen Unterhaltsleistung verpflichtet sind.
§ 36 Abs. 3 AlVG regelt näher die bei Erlassung der Richtlinien für die Berücksichtigung des Einkommens des Arbeitslosen (lit. A) bzw. des Angehörigen des Arbeitslosen (lit. B) zu beachtenden Gesichtspunkte.
Bei der Ermittlung des Einkommens aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit ist in beiden Fällen (§ 36 Abs. 3 lit. A sublit. f und lit. B sublit. d AlVG) § 12 Abs. 9 AlVG sinngemäß anzuwenden. Der erste Satz dieser Bestimmung lautete in der Fassung des Art. I Z. 3 lit. d der Novelle BGBl. Nr. 615/1987 bis 31. Juli 1989 wie folgt:
"(9) Das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit wird auf Grund des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem Arbeitslosengeld bezogen wird, festgestellt, wobei dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440, in der jeweils geltenden Fassung, unter Außerachtlassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1972) die im Einkommensteuerbescheid angeführten Freibeträge und Sonderausgaben sowie die Beträge nach den §§ 8, 9, 10, 11 und 122 EStG 1972 hinzuzurechnen sind".
Durch Art. I Z. 4 lit. c der Novelle BGBl. Nr. 364/1989 (die gemäß deren Art. III Abs. 1 mit 1. August 1989 in Kraft getreten ist) wurde der Ausdruck "des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440" durch den Ausdruck "des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400", ferner der Ausdruck "(EStG 1972)" durch den Ausdruck "(EStG 1988)" und der Ausdruck "§§ 8, 9, 10, 11 und 122 EStG 1972" durch den Ausdruck "§§ 9 und 10 EStG 1988" ersetzt.
Im Beschwerdefall ist unter Heranziehung der Bestimmung des § 12 Abs. 9 erster Satz AlVG in der im jeweiligen Zeitraum geltenden Fassung zunächst die Frage zu untersuchen, ob der steuerliche Verlust des Ehegatten der Beschwerdeführerin aus dem Betrieb seines Taxiunternehmens dem Grunde nach seine auf den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe anzurechnenden Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit mindert oder - wovon die Behörden des Verwaltungsverfahrens ausgegangen sind - ob dieser Verlust im beschwerdegegenständlichen Zusammenhang unbeachtlich ist.
Dafür ist zunächst die Wendung "Einkommen nach § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. Nr. 440, in der jeweils geltenden Fassung, unter Außerachtlassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1972)" (bzw. ab 1. August 1989 mit den jeweils auf das Einkommensteuergesetz 1988 bezogenen Gesetzeszitaten) maßgebend. § 2 Abs. 2 EStG 1972 lautete:
"(2) Einkommen ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18)."
Der in dieser Bestimmung verwiesene § 2 Abs. 3 EStG 1972 zählte einzelne Einkunftsarten in Z. 1 bis 7 auf, darunter in Z. 2 Einkünfte aus selbständiger Arbeit, in Z. 3 Einkünfte aus Gewerbebetrieb und in Z. 4 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
§ 2 Abs. 2 und 3 EStG 1988 entspricht dem im wesentlichen; der letzte Satzteil des § 2 Abs. 2 EStG 1988 lautet:
"... nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18), außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) und Sanierungsgewinne (§ 36) sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105."
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Verweisung auf die u.a. einen Verlustausgleich zwischen den einzelnen Einkunftsarten anordnende Bestimmung des § 2 Abs. 2 EStG 1972 bzw. EStG 1988 in § 12 Abs. 9 AlVG in Verbindung mit der Einschränkung "unter Außerachtlassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1972)" nur so gedeutet werden, daß ein Verlustausgleich in bezug auf die Einkunftsart "Einkünfte aus selbständiger Arbeit" nicht zu erfolgen hat. Anders wäre dieser Einschub im § 12 Abs. 9 AlVG nicht verständlich: Ein allfälliges Verbot der Doppelanrechnung von Einkünften aus unselbständiger Arbeit wäre schon deshalb überflüssig, da gemäß § 12 Abs. 9 AlVG unter Heranziehung des § 2 Abs. 2 EStG 1972 bzw. 1988 ja ohnehin nur Einkommen aus SELBSTÄNDIGER Erwerbstätigkeit ermittelt werden soll, weshalb auch ohne diesen Einschub die Einkünfte aus der Einkunftsart gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 EStG 1972 bzw. 1988 nicht (neuerlich) in Anschlag zu bringen wären. Hätte der Gesetzgeber des Arbeitslosenversicherungsgesetzes den Verlustausgleich aller Einkunftsarten untereinander angestrebt, so wäre die Sonderbestimmung des § 12 Abs. 9 AlVG in der vorliegenden Fassung nicht verständlich, da es diesfalls genügt hätte, auf das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1972 bzw. 1988 zu verweisen, welches ohnehin einen Saldo aus positiven und negativen Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG darstellen würde (zu welchem dann verschiedene Abzugsposten hinzuzurechnen wären). Andererseits ist § 12 Abs. 9 AlVG nicht RechtsGRUNDLAGE der Anrechnung derartiger Einkünfte, weil diese schon vom allgemeinen Einkommensbegriff des § 36 Abs. 2 AlVG umfaßt werden; diese Bestimmung regelt vielmehr (nur), AUF WELCHE WEISE anzurechnende Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu ermitteln sind, nämlich (u.a.) durch Vornahme eines Verlustausgleiches im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG, jedoch unter Außerachtlassung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und durch Hinzurechnung von verschiedenen steuerrechtlichen Abzugsposten.
Dieses Auslegungsergebnis bedeutet, daß Notlage schon insoweit nicht anzunehmen ist, als das (unter Berücksichtigung der Freigrenzen) anzurechnende Einkommen des Ehegatten aus UNSELBSTÄNDIGER Erwerbstätigkeit zur Deckung der notwendigen Lebensbedürfnisse ausreicht. Steuerliche Verluste aus anderen Einkunftsarten (soweit trotz Hinzurechnung einzelner steuerlicher Abzugsposten ein Verlust verbleibt) sind dabei nicht zu berücksichtigen.
Gegen dieses Auslegungsergebnis bestehen auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 7 B-VG): Wie u.a. aus § 33 Abs. 4 AlVG zu entnehmen ist, ist es Sinn und Zweck der Regelungen des Abschnittes 3 des AlVG, dem Arbeitslosen "die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse" zu sichern, wenn diese (nämlich die Befriedigung) "unmöglich" ist, d.h. die Notlage weder vom Arbeitslosen durch Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit noch durch Unterhaltsleistung vom unterhaltspflichtigen Angehörigen behoben werden kann. Dieses Ziel ist zweifellos nicht unsachlich. Die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse ist aber dann nicht "unmöglich", wenn zur Behebung (oder Vermeidung) der Notlage verfügbare Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit zur Abdeckung von Verlusten aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit Verwendung finden. Würde man Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gegen Verluste aus anderen Einkunftsarten aufrechnen, so käme man im Ergebnis zu einer teilweisen (indirekten) Finanzierung unternehmerischer Tätigkeit durch Mittel der Arbeitslosenversicherung und geriete damit in Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Einrichtung. Das aus dem Wortlaut des § 12 Abs. 9 AlVG gewonnene Auslegungsergebnis ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes daher nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes sachgerecht und daher unbedenklich, sondern es entspricht auch den Zwecken der Arbeitslosenversicherung.
Die belangte Behörde hat daher die Verluste des Ehegatten der Beschwerdeführerin aus selbständiger Erwerbstätigkeit im Ergebnis zu Recht nicht einkommensmindernd in Anschlag gebracht.
Entgegen der Beschwerdeauffassung durfte die belangte Behörde den durch die Berichtigung bzw. den teilweisen Widerruf der Notstandshilfe ab 1. Mai 1989 sich ergebenden Überbezug gemäß § 25 Abs. 1 AlVG der Beschwerdeführerin zum Ersatz vorschreiben, weil sie - ungeachtet der Frage, ob sie den Überbezug "erkennen mußte" - maßgebende Tatsachen (nämlich die erhöhten monatlichen Einkünfte ihres Ehegatten ab 1. Mai 1989) sowohl bis zur Zuerkennung der Notstandshilfe, aber auch danach (durch Nichtmeldung der maßgebenden Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse entgegen ihrer Verpflichtung gemäß § 50 Abs. 1 AlVG) verschwiegen hat, obgleich sie wußte (jedenfalls aber wissen mußte), daß ihr schon ursprünglich ein durch Anrechnung von Einkünften des Ehegatten verminderter Anspruch auf Notstandshilfe zuerkannt worden war und - daher - jede weitere Erhöhung dieser Einkünfte zwangsläufig zu einer weiteren Verringerung der Notstandshilfe führen mußte.
Da der angefochtene Bescheid im Rahmen der Beschwerdepunkte somit weder mit der geltend gemachten, noch mit einer allenfalls vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit behaftet ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 NotlageEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992080025.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
27.07.2009