TE Vwgh Erkenntnis 1992/4/28 87/08/0266

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Veröffentlicht am 28.04.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
82/04 Apotheken Arzneimittel;

Norm

ApG 1907 §17 Abs2;
ApG 1907 §17 Abs6;
VerfGG 1953 §87 Abs2;
VwGG §42 Abs3 impl;
VwGG §42 Abs3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Puck, Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Mag.pharm. K in P, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 19. September 1987, Zl. 652.036/4-VI/15-1987, betreffend Absehen von der Verpachtungsverpflichtung gemäß § 17 Abs. 6 des Apothekengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 7. Juli 1987 wies der Landeshauptmann von Oberösterreich das Ansuchen des Beschwerdeführers auf Absehen von der Verpachtungsverpflichtung gemäß § 17 Abs. 6 des Apothekengesetzes, RGBl. Nr. 5/1907 in der Fassung BGBl. Nr. 502/1984 (im folgenden: ApG), ab. Gleichzeitig wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG 1950 ausgeschlossen. Nach der Begründung dieses Bescheides sei dem Beschwerdeführer - er sei Inhaber der Konzession zum Betriebe der öffentlichen Apotheke in P - mit Erkenntnis des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Umweltschutz vom 4. November 1986 das Recht zur Leitung einer Apotheke auf die Dauer von vier Jahren rechtskräftig entzogen worden. Der Zeitraum von sechs Monaten, für den Apotheken, die dem Verpachtungszwang unterlägen, gemäß § 17 Abs. 5 leg. cit. durch einen verantwortlichen Leiter betrieben werden dürften, laufe mit 30. Juni 1987 ab. Mit Beschluß vom 31. März 1987 habe der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerdeführers, seiner Verfassungsgerichtshofbeschwerde gegen das zitierte Disziplinarerkenntnis aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben, weil einer Stattgebung dieses Antrages öffentliche Interessen entgegenstünden. Das Disziplinarerkenntnis sei daher rechtskräftig geworden, weshalb der Beschwerdeführer die Apotheke nach Ablauf der oben genannten sechsmonatigen Frist, das sei ab 1. Juli 1987, zu verpachten und den Pachtvertrag zur Genehmigung vorzulegen habe. In der weiteren Begründung wird sodann dargetan, auf Grund welcher Umstände sich der Landeshauptmann nach Anhörung der Österreichischen Apothekerkammer nicht in der Lage sehe, antragsgemäß von der Verpachtungsverpflichtung abzusehen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

1.2. Mit Bescheid vom 19. September 1987 wies der Bundesminister für Gesundheit und öffentlicher Dienst diese Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Nach der Begründung dieses Bescheides sei aus dem erstinstanzlichen Verfahren deutlich hervorgegangen, daß der Beschwerdeführer nicht ernsthaft interessiert gewesen sei, so rasch wie möglich einen Pachtvertrag abzuschließen, sodaß der Landeshauptmann mit Recht die Unmöglichkeit der Verpachtung bezweifelt und eine absichtliche Verzögerung der Verhandlungen durch den Beschwerdeführer angenommen habe. Die Österreichische Apothekerkammer habe dieselbe Auffassung vertreten. Diese habe auch ausdrücklich festgestellt, Pächter zur Verfügung stellen zu können. Es wäre alleine am Beschwerdeführer gelegen gewesen, entsprechende Schritte zu unternehmen. Von einer unverschuldeten Unmöglichkeit der Verpachtung könne keine Rede sein.

1.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

1.4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

1.5. Der Verfassungsgerichtshof leitete unter anderem aus Anlaß der vom Beschwerdeführer gegen das oben zitierte Disziplinarerkenntnis erhobenen Verfassungsgerichtshofbeschwerde von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 21 Abs. 3 und 4 des Apothekerkammergesetzes ein. Mit Erkenntnis vom 14. Oktober 1987, G 181/86 und Folgezahlen = ZfVB 1988/2/644, wurden § 21 Abs. 3 zweiter Satz und § 21 Abs. 4 des Apothekerkammergesetzes als verfassungswidrig aufgehoben. In der Folge hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. November 1987, B 35/87 = ZfVB 1988/2/641, das vom Beschwerdeführer bekämpfte Disziplinarerkenntnis vom 4. November 1986 wegen Rechtswidrigkeit infolge Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen auf.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 17 Abs. 2 ApG sind öffentliche Apotheken zu verpachten, wenn der Konzessionsinhaber durch behördliche Verfügung oder durch Disziplinarerkenntnis von der Leitung einer Apotheke für mehr als drei Jahre entfernt wurde.

§ 17 Abs. 5 und 6 ApG lauten:

"(5) Apotheken, die dem Verpachtungszwang unterliegen, können während eines Zeitraumes bis zu sechs Monaten, gerechnet ab dem dem Eintritt der Verpachtungsvoraussetzungen folgenden Monatsersten, durch einen verantwortlichen Leiter betrieben werden.

(6) Ist trotz Vorliegens der Verpflichtung zur Verpachtung die Verpachtung einer öffentlichen Apotheke aus Gründen, die der Inhaber nicht verschuldet hat, nicht möglich, so kann der Landeshauptmann nach Anhören der Österreichischen Apothekerkammer für die Dauer des Vorliegens dieser Gründe von der Verpachtungsverpflichtung absehen und die Führung dieser Apotheke durch einen verantwortlichen Leiter genehmigen."

Nach dem sich aus Spruch und Begründung ergebenden Inhalt des angefochtenen Bescheides im Zusammenhalt mit dem erstinstanzlichen Bescheid wird dem Beschwerdeführer das beantragte Absehen vom Verpachtungszwang und die Genehmigung der Führung der Apotheke durch einen verantwortlichen Leiter versagt. Wie sich insbesondere auch aus der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung durch den Bescheid des Landeshauptmannes ergibt, besteht die gewollte Wirkung des Bescheides darin, daß die Apotheke unverzüglich zu verpachten ist. Dies kommt auch in der Begründung des Bescheides des Landeshauptmannes zum Ausdruck. Der Sinn des angefochtenen Bescheides liegt also nicht darin, daß der Antrag des Beschwerdeführers etwa deswegen keinen Erfolg haben sollte, weil ohnedies kein Zwangsverpachtungsfall vorgelegen und der Antrag überflüssig und unzulässig gewesen wäre.

Eine der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die getroffene meritorische Erledigung des Ansuchens des Beschwerdeführers, die durch den angefochtenen Bescheid erfolgt ist, ist daher die Verwirklichung des Tatbestandes des Verpachtungszwanges nach § 17 Abs. 2 Z. 1 ApG, wobei sich die belangte Behörde auf das rechtskräftige Disziplinarerkenntnis vom 4. November 1986 gestützt hat. Die weitere Voraussetzung, nämlich der Ablauf der Frist nach § 17 Abs. 5 ApG ist unbestritten.

2.2. Das zitierte Disziplinarerkenntnis wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1987, B 35/87 = ZfVB 1988/2/641, aufgehoben. Damit trat das Disziplinarverfahren in das Stadium des Verfahrens über die Berufung, der nach § 21 Abs. 2 des Apothekerkammergesetzes aufschiebende Wirkung zukam, zurück.

Diese Aufhebung wirkt auf den Zeitpunkt der Erlassung des aufgehobenen Bescheides zurück (ex-tunc-Wirkung). Damit tritt die Rechtslage in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Eine diese Rechtsfolge ausdrücklich regelnde Bestimmung enthält das VfGG 1953 allerdings im Gegensatz zu § 42 ABS. 3 VWGG NICHT, doch ergibt sich dies unmittelbar aus § 87 ABS. 2 VFGG 1953 (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/17/0199, und vom 14. August 1991, Zl. 88/17/0005; vgl. auch KLECATSKY-ÖHLINGER, Die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, MGA 1984, E 5. und 18. zu § 87 VfGG 1953).

Diese ex-tunc-Wirkung bedeutet, daß der Rechtszustand zwischen Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses bedeutet auch, daß allen Rechtsakten und faktischen (Vollzugs-)Akten, die während der Geltung des dann aufgehobenen Bescheides auf dessen Basis gesetzt wurden, im nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen wurde (vgl. zur Vorschrift des § 42 Abs. 3 VwGG OBERNDORFER, Die Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, 185, sowie die Erkenntnisse vom 31. Oktober 1978, Zlen. 1785-1788/78, und vom 29. November 1978, Zlen. 1785-1788/78, und vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030).

Da der hier angefochtene Bescheid und der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Bescheid auch nicht etwa darüber hinaus in einem gesetzlich normierten, untrennbaren Zusammenhang - etwa nach Art des stufenförmigen Aufbaues von Titelbescheid und einer Abfolge von Vollstreckungsakten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 1956, Slg. Nr. 4084/A; aber auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Oktober 1976, Slg. Nr. 7908, und vom 23. Juni 1982, Slg. Nr. 9443, und die dort als untrennbar aufgefaßten Verfahrenszusammenhänge) - stehen, ist der angefochtene Bescheid durch die Aufhebung des Disziplinarerkenntnisses vom 4. November 1986 normativ nicht etwa in Wegfall geraten, sondern hat infolge der ex-tunc-Wirkung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes die von der belangten Behörde zur Begründung herangezogene Basis verloren (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. November 1985, Zl. 85/17/0030, vom 15. Dezember 1989, Zl. 88/17/0199, und vom 14. August 1991, Zl. 88/17/0005).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

2.3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. An Stempelgebührenersatz waren für die Beschwerde zweimal S 120,-- (§ 14 TP 5 GebG) und für den beigelegten angefochtenen Bescheid (vier Bogen) S 120,-- zuzusprechen.

2.4. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkentnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1987080266.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

12.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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